Nach dem derzeitigen Stand der Batterietechnik spielen vor allem Lithium, Kobalt, Coltan und Seltene Erden sowohl für die digitale Kommunikation als auch für die E-Mobilität eine zentrale Rolle. Für die Automobilindustrie sind insbesondere die Metalle Lithium und Kobalt wichtig, weil sie es ermöglichen, die Energiedichte der Akkus, etwa im Vergleich zu Blei, deutlich zu erhöhen, wodurch die Batterien zugleich leistungsstärker und leichter werden.
Der Elektroantrieb an sich ist seit mehr als hundert Jahren erprobt, das Prinzip ist technisch einfach und wurde in zahllosen Elektrogeräten beständig verbessert. Ein Nadelöhr war lange Zeit die Energiezufuhr bei kabellosem Betrieb und hohem Leistungsabruf, wie er für viele Anwendungsbereiche, unter anderem im Individualverkehr, vonnöten ist. Hierfür waren die herkömmlichen Nickel-Cadmium- oder Nickel-Metallhybrid-Akkus schlicht zu schwer. Erst als Anfang der 1990er Jahre in einer Sony-Videokamera erstmals ein wiederaufladbarer Lithium-Ionen-Akkumulator zum Einsatz kam, erweiterte sich das Anwendungsfeld dramatisch.
Das ist alles noch gar nicht so lange her. Erst seit 2003 finden sich solche Batterien nicht nur in allerlei Elektrowerkzeugen und Haushaltsgeräten, ihr Einsatzgebiet ist praktisch unbegrenzt. Und mit der steigenden Nachfrage und beginnender Massenproduktion sanken die Preise, wodurch der neue Energieträger für immer mehr Einsatzbereiche attraktiv wurde. Die sprunghaft steigende Nachfrage kurbelte Produktion und Entwicklung weiter an und machte die Kraftspender immer besser, so dass sie schließlich auch für den Verkehr interessant wurden – eine Erfolgsgeschichte wie aus dem Lehrbuch.
Aber wie jede Boom-Story – man denke an das Erdöl oder die Atomkraft – hat auch dieses, die Fantasien von einer sauberen Zukunft beflügelnde Wachstum seine Schattenseiten. Die weltweiten Reserven an Lithium und Kobalt beispielsweise, um hier nur von diesen Grundsubstanzen zu sprechen, sind zwar zurzeit nach Rohstoff-Experten-Meinung durchaus reichlich vorhanden, aber letztlich so endlich wie das Öl, sie befinden sich darüber hinaus zum Teil in politisch instabilen Regionen. Und die Metalle müssen, ebenso wie das Öl und das Uran, gefördert und verarbeitet werden. Und hier liegt, wie bekanntlich bei den letztgenannten Rohstoffen auch, der Hase im Pfeffer.
Die Gewinnung dieser beiden für die Batterieherstellung bis auf weiteres unverzichtbaren Mineralien ist äußerst aufwändig, energieintensiv und umweltbelastend. Lithium, obwohl eines der häufigsten Elemente der Welt, kommt in nur geringer Konzentration in Salzen und Steinen vor. Die größten bekannten Reserven liegen in Salzseen in Südamerika, deren Wasser man in riesigen, extra angelegten Becken über Monate verdunsten lässt. Außer dem Salz bleibt dann eine dickflüssige Brühe übrig, die anschließend in einem Chemiewerk unter Zugabe von Soda zu Lithiumkarbonat, dem Grundstoff für die Akkus, verarbeitet wird. Theoretisch stellt auch das Meer eine schier unerschöpfliche Lithiumquelle dar, allerdings ist die Substanz darin nur in deutlich geringerer Konzentration enthalten. Um Material für einen einzigen Tesla-Akku zu gewinnen, müsste man mehrere Millionen Liter Meerwasser verdunsten lassen.
Durch den vor einigen Jahren einsetzenden Boom der E-Mobilität und die dadurch eintretenden Skaleneffekte in der Batterieherstellung sind die Batteriepreise, wie schon erwähnt, zwar kontinuierlich gesunken, wodurch sich für Elektroautos nun auch der Massenmarkt öffnet. Der Preisverfall wird jedoch durch die sprunghaft steigende Nachfrage nach Lithium empfindlich gebremst, weil der Preis für diesen Grundstoff im selben Zeitraum um nahezu das Dreifache gestiegen ist. Und der Bedarf wird in Zukunft noch enorm zunehmen, weshalb schon heute bisweilen vor Lieferengpässen und weiter steigenden Preisen gewarnt wird, da die langwierige Lithiumproduktion nicht so schnell ausgeweitet werden kann, wie die Nachfrage steigt.
Das sorgt für Turbulenzen auf dem Markt und hat chinesische Firmen schon vor einigen Jahren zu einer ausgiebigen Einkaufstour motiviert, um sich den Zugang zu den wichtigen Akku-Rohstoffen strategisch zu sichern und sich vor Preisschwankungen zu schützen. Schon heute verbraucht China über 40 Prozent des weltweiten Lithiums, weshalb sich Chinas staatlich gelenkte Unternehmensgruppen gezielt an Minenbetreibern beteiligen, die den Rohstoff für eine nachhaltige Energieerzeugung liefern. Ähnlich agiert China bei anderen, für die E-Mobilität wichtigen Rohstoffen, etwa beim Kobalt, dessen Gewinnung in mancher Hinsicht noch aufwändiger und problematischer ist als die Lithiumförderung. Kobalt wird überwiegend aus Kupfer- und Nickelerzen gewonnen, aus denen es in einem mehrstufigen chemischen und physikalischen Prozess durch Rösten, Verschlackung, Wasser- und Säurebehandlung extrahiert wird. Mehr als die Hälfte des weltweit geförderten Kobalts kommt darüber hinaus aus dem Kongo, wo es nicht selten von Kindern und Jugendlichen unter erheblichen Gesundheitsrisiken aus kaum überwachten Minen abgebaut wird.
Die Kobalt-Förderung hat sich mit dem Anschwellen der Akkuproduktion für Laptops, Mobiltelefone und Elektromotoren jeder Art in den letzten zwanzig Jahren nahezu verfünffacht. Entsprechend hat die gestiegene Nachfrage, ähnlich wie beim Lithium, die Preise derart hochgetrieben, dass einstmals geschlossene Minen auch in anderen Teilen der Welt reaktiviert werden, weil Abbau und Gewinnung wieder wirtschaftlich attraktiv werden. Das ändert aber nichts daran, dass Kobalt und Lithium problematische Rohstoffe bleiben, die auf die E-Mobilität nicht nur einen ökologischen Schatten werfen, sondern auch erheblichen politischen Zündstoff bergen.
Die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China, die jahrzehntelangen, bis heute anhaltenden Konflikte und Kriege um den Zugriff auf und die Verfügungsmacht über den wichtigsten Treibstoff des Industriezeitalters, das Erdöl, das Ringen um Atomkraft und Atommacht, der Streit um die Gas-Pipeline von Russland nach Europa – das alles sind Beispiele dafür, wie sehr die Märkte und insbesondere der Energiemarkt stets umstritten sind. Es gibt nicht die geringste Veranlassung, zu glauben, dass sich dies in Zeiten der E-Mobilität ändern wird. Die Protagonisten und die Konfliktlinien werden andere sein, aber die Kämpfe dürften nicht minder heftig ausfallen.
Und wieder greifen dieselben Muster. Etwaige Bedenken werden »geschäftstüchtig« beiseitegeschoben, das Spiel, wie schon beim Uranabbau, beginnt von neuem. Um die Verschmutzung der Städte in den Industrieländern aufzuhalten und das Klima und damit unsere eigene Lebensgrundlage zu schützen, zerstören wir die Lebensgrundlage anderer. Diese Doppelmoral des kapitalistischen Wirtschaftens diskreditiert am Ende jede gute Absicht.
Im Dreiländereck Bolivien, Chile, Argentinien beispielsweise, wo, wie schon erwähnt, 70 Prozent der weltweiten Lithium-Vorkommen lagern, ist das indigene Volk der Kollas beheimatet, dessen etwa 100.000 Angehörige vorwiegend von der Lama-Zucht leben, deren Lebensgrundlage nun aber massiv gefährdet ist (vgl. etwa https://www.deutschlandfunk.de/lithium-abbau-in-suedamerika-kehrseite-der-energiewende.724.de.html?dram:article_id=447604). Zwar gilt die Lithiumproduktion im Unterschied zur Kobaltgewinnung im Allgemeinen als ökologisch halbwegs verträglich, weil das Lithium vorwiegend mittels einer als »energiesparend« bezeichneten Verdunstungstechnik gewonnen wird, äußerst problematisch ist jedoch der extrem empfindliche Wasserhaushalt in der hochgelegenen Salzwüsten-Region. Mit dem Run auf den begehrten Rohstoff pflügen nun immer mehr schwere Maschinen den Untergrund um, um Brunnen zu bohren und Transportwege zu bauen, wodurch die natürlichen Barrieren zwischen Salz- und Süßwasser häufig zerstört und die von den Anwohnern und ihren Tieren genutzten Trinkwasserquellen kontaminiert werden; immer öfter trocknen sie auch schlicht aus, weil die Bergbauunternehmen die Grundwasservorräte anzapfen müssen, um mit dem Frischwasser die Salzmasse aus dem Untergrund zu befördern.
Mittlerweile hat sich in betroffenen Gemeinden ein Protest formiert, dessen Vertreter sich nicht mehr nur an die lokalen Regierungen, sondern auch an die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte und an die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) wenden. Ihr Engagement richtet sich nicht einmal generell gegen den Ressourcenabbau in dem von ihnen bewohnten Territorium. Sie setzen sich »lediglich« dafür ein, dass Politik und Wirtschaft ihrer Verantwortung gerecht werden und anspruchsvollere Standards bei der Lithiumproduktion umsetzen.
Von den in der Region tätigen Unternehmen, an denen auch deutsche, japanische und chinesische Autohersteller beteiligt sind, und die mit dem Lithium zurzeit Millioneneinnahmen erzielen, ist dazu bislang keine Stellungnahme überliefert. Auch in ihren »Umweltfolgeberichten« ist nichts davon erwähnt; gesetzliche Vorschriften zur Einbeziehung von Gemeinden, wenn auf ihrem Land Projekte solcher Art durchgeführt werden, wurden konsequent ignoriert.
Von einer sauberen Energie zu sprechen, ist vor diesem Hintergrund unangebracht. Politik und Wirtschaft belegen aufs Neue, dass sie nichts dazugelernt haben. Im Ergebnis wäre dann aber auch die schöne, neue Elektrowelt nichts anderes als das Fortbestehen der organisierten Verantwortungslosigkeit.