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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Literatursammlung zur Faschismusforschung

»Faschis­mus ist eine unzu­läs­sig ver­all­ge­mei­nern­de Bezeich­nung, die von links­extre­mer Sei­te als innen­po­li­ti­scher Kampf­be­griff ver­wen­det wird.« Die­se Defi­ni­ti­on des Tagungs­the­mas fin­det man noch in einer 1982 vom dama­li­gen CSU-Bun­des­mi­ni­ster des Innern, Fried­rich Zim­mer­mann (1925-2012), her­aus­ge­ge­be­nen Schrift über »Sicher­heit in der Demo­kra­tie. Die Gefähr­dung des Recht­staa­tes durch Extre­mis­mus«. »Dies ist kein Ein­zel­fall«, schreibt Wolf­gang Wip­per­mann (1945-2021), Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te am Fach­be­reich Geschichts­wis­sen­schaft der Frei­en Uni­ver­si­tät Ber­lin, »son­dern die staat­lich ver­ord­ne­te Sprach­re­ge­lung in unse­rer Demo­kra­tie«. Auch im Ver­fas­sungs­schutz­be­richt von 1988 heißt es, dass »Faschis­mus« dem »Wort­ge­brauch der Links­extre­mi­sten« ent­stam­me, die ihn als »Kampf­be­griff« benütz­ten, um »frei­heit­li­che Demo­kra­ten, die den Kom­mu­nis­mus rich­ti­ger­wei­se ableh­nen, in die Nähe des ›Faschis­mus‹ zu rücken« (zitiert in: Hel­ga Gre­bing und Klaus Kin­ner (Hrsg.), Arbei­ter­be­we­gung und Faschis­mus, Essen 1990). Unfass­bar ist auch das skan­da­lö­se Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts von 2019, das der NPD zwar beschei­nig­te, dem Grund­ge­setz feind­lich gegen­über zu ste­hen, aber gleich­zei­tig von einem Ver­bots­ver­fah­ren Abstand nahm, weil die NPD angeb­lich viel zu klein, unbe­deu­tend und ein­fluss­los sei. Da kann man dann gespannt sein, wie auf Basis ein­fa­cher Gesetz­ge­bung ein Gericht zukünf­tig Neo­na­zi-Beam­ten ver­hin­dern will. Auch der media­le Umgang mit Faschis­mus ist bis heu­te erschreckend ver­harm­lo­send bis naiv (Ulrich Schnei­der, Vom media­len Umgang mit dem Faschis­mus, in: Z., Zeit­schrift Mar­xi­sti­scher Erneue­rung, Nr. 72/​2007, und Han­nes Heer, Das Drit­te Reich des Gui­do Knopp, Vom media­len Umgang mit der Nazi­ver­gan­gen­heit, in: Z., Nr. 72/​2007).

»Wer aber vom Kapi­ta­lis­mus nicht reden will, soll­te auch vom Faschis­mus schwei­gen«, so Max Hork­hei­mer, einer der größ­ten deut­schen Nach­kriegs­phi­lo­so­phen (Max Hork­hei­mer, Die Juden und Euro­pa, in: Max Hork­hei­mer Gesam­mel­te Schrif­ten, Bd. 4, Frank­furt a. M. 1988). Ohne Fra­ge gibt es einen Zusam­men­hang zwi­schen dem tief wider­sprüch­li­chen, nicht nur zwi­schen Kapi­tal und Arbeit sich kon­sti­tu­ie­ren­den Kapi­ta­lis­mus und Faschis­mus, ohne dass dabei der Faschis­mus die Grund­la­gen des Kapi­ta­lis­mus (Pri­vat­ei­gen­tum an den Pro­duk­ti­ons­mit­teln und das Recht auf Pro­fit) auf­he­ben müss­te (Avra­ham Bar­kai, Das Wirt­schafts­sy­stem des Natio­nal­so­zia­lis­mus. Der histo­ri­sche und ideo­lo­gi­sche Hin­ter­grund 1933-1936, Köln 1977). Dies macht den Faschis­mus so begeh­rens­wert für Kapi­ta­li­sten, um damit gleich­zei­tig »poli­tisch-sozia­li­sti­sche Umtrie­be und auch Gewerk­schaf­ten besei­ti­gen zu kön­nen«. »Nie­mals wer­de ich mich von der Auf­ga­be ent­fer­nen, den Mar­xis­mus und sei­ne Begleit­erschei­nun­gen aus Deutsch­land aus­zu­rot­ten, und nie­mals will ich hier zu einem Kom­pro­miss bereit sein« (Hit­ler am 10.2.1933, zit. n. Rai­ner Roter­mundt, Ver­kehr­te Uto­pien. Natio­nal­so­zia­lis­mus, Neo­na­zis­mus, neue Bar­ba­rei, Frank­furt a. M., 1980).

August Thal­hei­mer (1884-1948) hat­te bereits 1923 die ersten Ansät­ze sei­ner Faschis­mus­theo­rie for­mu­liert und vor allem den Zusam­men­hang zwi­schen der Klas­sen­la­ge des Klein­bür­ger­tums und den Struk­tu­ren und Inhal­ten der dar­auf auf­bau­en­den faschi­sti­schen Ideo­lo­gie beschrie­ben. Er ent­wickel­te dann ein in sei­ner Vor­aus­sicht unüber­trof­fe­nes Modell des »stu­fen­wei­sen Faschi­sie­rungs­pro­zes­ses« bür­ger­lich-par­la­men­ta­ri­scher Demo­kra­tien, um die­se Theo­rie ab 1929 auf die innen­po­li­ti­sche Ent­wick­lung des Deut­schen Rei­ches anzu­wen­den (August Thal­hei­mer, Über den Faschis­mus, Ber­lin 1930). Faschis­mus im Kapi­ta­lis­mus hat aber eine Vor­aus­set­zung. Das System muss sich in einer schwe­ren aku­ten Wirt­schafts­kri­se befin­den. Wächst das System, trotz aller Wider­sprü­che, und lässt für die abhän­gig Beschäf­tig­ten eine preis­be­rei­nig­te Lohn­par­ti­zi­pa­ti­on an den Pro­duk­ti­vi­täts­stei­ge­run­gen sowie einen Sozi­al­staat zu, wirkt das System befrie­dend und der Faschis­mus hat kei­ne Chan­ce. »Die Wirt­schafts­kri­se der Jah­re 1929-1933 war der wohl ent­schei­dend­ste Fak­tor für den Mit­glie­der- und Stim­men­zu­wachs der NSDAP in der End­pha­se der Wei­ma­rer Repu­blik« (Avra­ham Bar­kai). Auch Karl Georg Zinn schreibt: »Die deut­sche Kata­stro­phe, die mit dem Ende der Wei­ma­rer Repu­blik begann, wird nie­mals eine letzt­gül­ti­ge, all­um­fas­sen­de Erklä­rung fin­den. Es steht aber außer Zwei­fel, dass die Mas­sen­ar­beits­lo­sig­keit mit ihrer mate­ri­el­len und psy­chi­schen Ver­elen­dung brei­ter Schich­ten des deut­schen Vol­kes den Natio­nal­so­zia­li­sten zu der ›kri­ti­schen Wäh­ler­mas­se‹ ver­hol­fen hat, die dann die ›Macht­er­grei­fung‹ so leicht mach­te« (Karl Georg Zinn, Ortho­do­xie, Außen­sei­ter und der Auf­stieg des Faschis­mus, in: der­sel­be, Wie Reich­tum Armut schafft, 4. Aufl., Köln 2006). Der Zulauf zur AfD hat auch heu­te in Deutsch­land, in der jüng­sten Wirt­schafts­kri­se und einer neo­li­be­ral »zer­ris­se­nen Repu­blik« (Chri­stoph But­ter­weg­ge), die ent­schei­den­de Ursa­che. Und es gibt eine zwei­te erschrecken­de Par­al­le­le: Das Ver­sa­gen der soge­nann­ten poli­ti­schen Eli­te zum Ende der ersten deut­schen indi­rek­ten (par­la­men­ta­ri­schen) Demo­kra­tie. »Damals lagen etli­che Vor­schlä­ge vor, wie der Mas­sen­ar­beits­lo­sig­keit erfolg­reich begeg­net wer­den könn­te. Es stan­den sich zwei Lager gegen­über, wenn von den Vor­stel­lun­gen der deut­schen Kom­mu­ni­sten abge­se­hen wird: auf der einen Sei­te die ›Refor­mer‹, die als Außen­sei­ter gal­ten und kei­ne öffent­li­che Brei­ten­wir­kung erreich­ten; auf der ande­ren Sei­te die Ortho­do­xie, zu der die gro­ße Mehr­heit der Uni­ver­si­täts­öko­no­men und der wirt­schaft­li­chen Füh­rungs­kräf­te zähl­te. Die dama­li­ge Situa­ti­on gleicht der gegen­wär­ti­gen fast kon­tu­ren­scharf. Die Ortho­do­xen lei­ste­ten der Brü­nings­chen Defla­ti­ons­po­li­tik kräf­tig Schüt­zen­hil­fe, so wie auch heu­te von den neo­li­be­ra­li­sti­schen Mehr­heits­öko­no­men Spar­po­li­tik auf allen Ebe­nen – mit Aus­nah­me der höhe­ren – gefor­dert wird. Im Unter­schied zur Wei­ma­rer End­zeit sind die heu­ti­gen Ver­tre­ter der herr­schen­den Leh­re jedoch weit­aus umfas­sen­der ›ver­netzt‹, ver­fü­gen über mehr Finanz­mit­tel für ihre ideo­lo­gi­sche Pro­pa­gan­da, kön­nen sich auf ›Denk­fa­bri­ken‹ und eine zahl­rei­che Lob­by stüt­zen« (Zinn). Dies hat gera­de noch ein­mal deut­lich die Stu­die des Wis­sen­schafts­zen­trums Ber­lin für Sozi­al­for­schung deut­lich auf­ge­zeigt (Die­ter Pleh­we, Moritz Neu­jeff­ski, Jür­gen Nord­mann. Schlecht bera­ten? Die wirt­schafts­po­li­ti­schen Bera­tungs­gre­mi­en der Bun­des­re­gie­rung in der Kri­tik, Ber­lin, Frank­furt a. M. 2024).

Her­bert Mar­cuse (1898-1979) erkann­te schon 1934 Faschis­mu­s­ur­sa­chen in der dem Kapi­ta­lis­mus inhä­ren­ten Gesell­schafts­struk­tur (Her­bert Mar­cuse, Der Kampf gegen den Libe­ra­lis­mus in der tota­li­tä­ren Staats­auf­fas­sung, Zeit­schrift für Sozi­al­for­schung III/​2, Paris 1934) und Arthur Rosen­berg (1889-1943) sieht im Erhalt der feu­da­len auto­ri­tä­ren Ideo­lo­gien bis in die kapi­ta­li­sti­sche Ära hin­ein, die Basis für das Ent­ste­hen eines auto­ri­tä­ren faschi­sti­schen Staa­tes, mit dem das Kapi­tal bestens leben kann (Arthur Rosen­berg, Der Faschis­mus als Mas­sen­be­we­gung, Karls­bad 1934). An der Spit­ze des Staa­tes steht der »Füh­rer«. Alles wird ihm unter­wor­fen und alle haben dem »Füh­rer« zu gehor­chen. Regiert wird mit Angst und Ter­ror (Eugen Kogon (1903-1987). Der SS-Staat. Das System der deut­schen Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger, 1. Aufl., Mün­chen 1946, 47. Aufl., Mün­chen 2015). Der US-ame­ri­ka­ni­sche Histo­ri­ker Dani­el Jonah Gold­ha­gen ver­deut­licht dies an der syste­ma­ti­schen Ver­nich­tung der Juden (Holo­caust). Er fragt, »was die NS-Füh­rung, eben­so wie die gewöhn­li­chen Deut­schen zur Ver­fol­gung und Ver­nich­tung der Juden bewog?« Es war eine vor­herr­schen­de Kul­tur des in Deutsch­land vor­lie­gen­den »eli­mi­na­to­ri­schen Anti­se­mi­tis­mus«, so Gold­ha­gen. Er zeigt dies anhand der »Maschi­ne­rie der Ver­nich­tung« durch »Poli­zei­ba­tail­lo­ne als Hand­lan­ger des Völ­ker­mords«, des Lebens in »Arbeits«lagern und durch »Todes­mär­sche: Bis zum bit­te­ren Ende« (Dani­el Jonah Gold­ha­ben, Hit­lers wil­li­ge Voll­strecker. Ganz gewöhn­li­che Deut­sche und der Holo­caust, 3. Aufl. Ber­lin 1996).

Nach dem Zwei­ten Welt­krieg sind zum Faschis­mus und Kapi­ta­lis­mus beson­ders die Arbei­ten von Rein­hard Kühnl (Der Faschis­mus. Ursa­chen, Herr­schafts­struk­tur, Aktua­li­tät, Eine Ein­füh­rung, 2. Aufl., Heil­bronn 1983, der­sel­be, Gefahr von Rechs? Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart der extre­men Rech­ten, Heil­bronn 1990) und Wolf­gang Wip­per­mann (Faschis­mus­theo­rien, 2. Aufl., Darm­stadt 1975) sowie Richard Saa­ge (Faschis­mus­theo­rien, Mün­chen 1976) her­vor­zu­he­ben. Faschis­mus, schreibt Kühnl, sei kein auf Deutsch­land begrenz­tes Pro­blem. Nach dem Ersten Welt­krieg hät­ten sich in Euro­pa neue Herr­schafts­sy­ste­me her­aus­ge­bil­det. Wenn sie auch nicht in allen Län­dern völ­lig gleich waren, so hät­ten sie doch die glei­chen Merk­ma­le in ihrer poli­ti­schen Stoß­rich­tung, ihrer Ideo­lo­gie und in ihrer Orga­ni­sa­ti­ons­form. Bei einer Bei­be­hal­tung der bestehen­den Eigen­tums­ord­nung, im Inter­es­se des Kapi­tals, soll­te ein auto­ri­tä­rer Staat die Arbei­ter­be­we­gung nie­der­hal­ten. Denn wer die poli­ti­sche (staat­li­che) Demo­kra­tie akzep­tier­te, muss­te damit rech­nen, dass dann auch die Demo­kra­tie im Betrieb und in der Wirt­schaft ver­langt wer­den wür­de. So wur­de das Prin­zip der Auto­ri­tät in Wirt­schaft und Staat eben nicht nur dadurch ver­wirk­licht, dass die Arbei­ter­par­tei­en und Gewerk­schaf­ten ver­bo­ten, dass jeder Ansatz demo­kra­ti­scher Mit­be­stim­mung in Staat und Wirt­schaft ver­nich­tet wur­de; son­dern auch dadurch, dass Zehn­tau­sen­de aus der Arbei­ter­be­we­gung in die Zucht­häu­ser und Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger gewor­fen und Tau­sen­de ermor­det wur­den. Und es gilt, so Kühnl, bei den Faschi­sten das unein­ge­schränk­te Füh­rer­prin­zip (»Treue und Gehor­sam bis in den Tod«) und dies in Ver­bin­dung mit einem reak­tio­nä­ren, völ­ki­schen und ras­si­sti­schen Den­ken (samt Judenhass).

Zum heu­te aktu­ell in Deutsch­land wie­der­erstark­ten Faschis­mus sei u. a. auf die Arbei­ten von Chri­stoph But­ter­weg­ge (Glo­ba­lis­mus, Neo­li­be­ra­lis­mus und Rechts­extre­mis­mus, in: UTO­PIE­krea­tiv, Heft 1/​2002) ver­wie­sen. Er stellt den mit der AfD mitt­ler­wei­le in die Par­la­men­te ein­ge­zo­ge­nen Rechts­extre­mis­mus in den Kon­text von Glo­ba­li­sie­rung und Neo­li­be­ra­lis­mus. Heu­ti­ger Faschis­mus sei aber nicht mehr der­sel­be wie zur Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus bzw. Hit­ler­fa­schis­mus (vgl. dazu auch Jür­gen Kocka, Ursa­chen des Natio­nal­so­zia­lis­mus, in: Aus Poli­tik und Zeit­ge­schich­te, Bei­la­ge zur Wochen­zei­tung das Par­la­ment, B25/​80, 21. Juni 1980). Eine eis­kal­te, neo­li­be­ral und markt­ra­di­kal aus­ge­steu­er­te Glo­ba­li­sie­rung schaf­fe in der Gegen­wart mas­siv vie­le wirt­schaft­li­che Ver­lie­rer, die aber kei­ne sein wol­len, so But­ter­weg­ge. Die­se Stig­ma­ti­sier­ten und von Angst Getrie­be­nen wür­den von der »neu­en Rech­ten« ein­ge­sam­melt und vor ihren popu­li­sti­schen Pro­pa­gan­da­kar­ren einer ras­si­sti­schen Aus­gren­zungs­po­li­tik gespannt. Waren es bei den Hit­ler-Faschi­sten die Juden, sind es heu­te die »Asy­lan­ten« und »Arbeits­mi­gran­ten« mit denen Angst und ein Eth­ni­sie­rungs­pro­zess geschürt wird. Dabei erfol­ge, wie But­ter­weg­ge schreibt, eine Stig­ma­ti­sie­rung »der Ande­ren«; mit der Konstituierung/​Konturierung einer natio­na­len bzw. »Volks­ge­mein­schaft«. Damit ein­her gehe eine »Kul­tu­ra­li­sie­rung« der Poli­tik, die nicht mehr auf mate­ri­el­le Inter­es­sen zurück­ge­führt, son­dern auf die Wah­rung kol­lek­ti­ver Iden­ti­tä­ten redu­ziert wer­de. In die­sem Kon­text ist auch auf die Arbei­ten von Wulf D. Hund, Ras­sis­mus und Anti­ras­sis­mus, Köln 2018 und von Cor­ne­lia Kop­petsch, Rechts­po­pu­lis­mus als Pro­test. Die gefähr­de­te Mit­te in der glo­ba­len Moder­ne, Ham­burg 2019 sowie auf Alex­an­der Häus­ler (Hrsg.), Völ­kisch-auto­ri­tä­rer Popu­lis­mus, Ham­burg 2019 auf­merk­sam zu machen.

Es ist hoch­gra­dig gefähr­lich, in einem wider­sprüch­li­chen kapi­ta­li­sti­schen System die arbei­ten­de Bevöl­ke­rung nicht wirt­schaft­lich par­ti­zi­pie­ren zu las­sen. Dies ist aber zuneh­mend, seit fast fünf­zig Jah­ren, der Fall – nicht nur in Deutsch­land. Der von einer klei­nen Herr­schafts­schicht gewoll­te Umver­tei­lungs-Neo­li­be­ra­lis­mus zur ein­sei­ti­gen Befrie­di­gung von Kapi­tal­in­ter­es­sen hat den gesell­schaft­li­chen Kon­sens auf­ge­kün­digt und alle gesell­schaft­li­chen Berei­che mit einer Zer­stö­rungs­wut über­zo­gen und zu einer »Ich-Gesell­schaft« gemacht. Das führt aber im Ergeb­nis zu einer immer grö­ße­ren Ver­elen­dung brei­ter Bevöl­ke­rungs­krei­se. Weni­ge wer­den rei­cher und rei­cher. Kommt es hier zu kei­nem radi­ka­len Para­dig­men­wech­sel muss die AfD auf die Macht­über­nah­me nur war­ten, wie gegen Ende der Wei­ma­rer Repu­blik die Faschi­sten auch nur war­ten muss­ten, bis man ihnen die Macht über­trug. Dabei gibt es eine Alter­na­ti­ve. Die herr­schen­de Poli­tik müss­te, ohne Wenn und Aber, eine links-keyne­sia­ni­sti­sche Wirt­schafts­po­li­tik auf der Makro­ebe­ne und auf der Mikroebe­ne eine Wirt­schafts­de­mo­kra­tie umset­zen (Heinz-J. Bon­trup, Arbeit, Kapi­tal und Staat. Plä­doy­er für eine demo­kra­ti­sche Wirt­schaft, 6. Aufl., Köln 2021). Nur das will die herr­schen­de Poli­tik nicht – im Ein­klang mit Kapi­tal­eig­nern und ihren Cla­queu­ren in Wis­sen­schaft und Medi­en. Sie bekla­gen nur die mitt­ler­wei­le offen­kun­di­gen gesell­schaft­li­chen faschi­sti­schen Wir­kun­gen. Nach den Ursa­chen wird jedoch nicht gefragt. Die­se wür­den Wahr­hei­ten offen­le­gen, von denen Poli­tik noch nie etwas hören woll­te. Wahr­hei­ten sind für bestehen­de Herr­schafts­sy­ste­me, egal für wel­ches, schon immer gefähr­lich gewesen.

 

Ausgabe 15.16/2024