Sicher, dieser Kalauer ist schon steinalt … Meist kommt er aufs Tapet, wenn man über jemanden, der wetterwendisch ist, halb im Ernst und halb im Spaß urteilen will. Doch gilt das auch in größeren Zusammenhängen, etwa für politische Kräfte? Bleiben wir einfach bei den Zuschreibungen »links« und »rechts« – an welchen Kriterien sollte man dies festmachen? Reicht es, ganz allgemein für die oberen 10 Prozent oder die unteren 90 Prozent einer Gesellschaft zu sein? Oder ist es entscheidend, ob sich eine politische Kraft mehr oder weniger den Sorgen der »einfachen Bürger« widmet? Geht es nur darum, im Kommunalen etwas für die Mehrheit einer Gemeinde oder Stadt zu tun, oder müssen politische Kräfte auch bis zum Geopolitischen hin wirksam werden – gerade in den Zeiten der Globalisierung? Was sollte man für die Links-Rechts-Unterscheidung als Maßstab nehmen: die Wahlprogramme der Parteien oder – wenn sie an der Regierung sind – die Koalitionsvereinbarungen? Oder sind schon die Namen der Parteien das wichtigste Aushängeschild?
Gerade die offiziellen Bezeichnungen der Parteien haben in der jüngeren Geschichte oft in die Irre geführt. In diesem Sinne war die Bewilligung der Kriegskredite 1914 durch Sozialdemokraten schon eine Katastrophe, aber die größte kam durch eine Partei, die die Begriffe »sozialistisch« und »Arbeiter« auch im Namen führte – die NSDAP. Also: Parteinamen sind wohl nicht mehr als Schall und Rauch für die Links-Rechts-Bewertung.
Als Nicht-Politikwissenschaftler, aber Gern-Autofahrer streifte mein Blick sehr viele Wahlplakate zur EU-Wahl. Da las man viele Schlagworte im Vorbeihuschen wie »Deutschland ist stark, in Europa sind wir stärker« sowie »In Freiheit, in Sicherheit, in Europa«, »Bildung – erste Verteidigungslinie« und »Migration – selber steuern«. Und dann tauchen Erinnerungen im Hinterkopf auf: Waren die Vertreter solcher Floskeln nicht auch vehemente Rüstungslobbyisten? Oder hatten ihre jeweiligen Parteien nicht viele Jahre die Verantwortung, um solche Zielstellungen durchzusetzen? Klar, solche Schlagworte kommen bei vielen Menschen gut an… Aber wenn diese politischen Kräfte es bisher nicht bewältigt haben – soll man sie dann für weitere Jahre des »Aussitzens« noch einmal wählen?
Um weiter »in die Tiefe« zu gehen, bieten sich die Partei- oder Wahlprogramme an. Aber bringt das wirklich etwas? Sind solche Pamphlete nicht zahnlose Papiertiger? Oder hat so eine allgemeine Aussage wie »soziale Gerechtigkeit« etwa verhindert, dass für alle Bürger die Energiepreise in die Höhe geschnellt sind? Oder was ist von einer angeblichen Volkspartei zu halten, wenn deren höchster Repräsentant seine Banken-Kontakte einfach »vergessen« hat? Ist eine Umwelt-Partei noch ernst zu nehmen, wenn sie Energie aus umweltschädlichen Lagerstätten bevorzugt, die dazu noch mit einem immensen energetischen Aufwand über einen Ozean verschifft werden muss? Kann eine Regierungskoalition gegen rechts wettern, wenn sie selbst andere Staaten hofiert, die stark von rechten Kräften durchdrungen sind, sogar Waffen dorthin liefert – und das alles auf Kosten des Bundeshaushalts und ohne Beistands-Abkommen?
Gerade in der aktuellen Medien-Polemik wird sichtbar: Was von offiziellen Seiten als »rechts« abgetan (oder verteufelt?) wird, ist oft der Widerstand dagegen, dass die offizielle Politik rechte Kräfte hofiert – und wehe, wenn Max Mustermann das hinterfragen sollte! Natürlich steckt dahinter auch die Furcht der herrschenden »Blase«, dass abweichende Meinungen sie selbst schwächen bzw. die Unzufriedenheit mit ihrer Politik steigern könnten – dann würde ihr »Links-Blinken« durchschaubar werden! Und die Furcht wird größer, je stärker oppositionelle Kräfte aufkommen. Anfang der 2000er Jahre und ausgeprägt zur Wahl 2009 waren die linken Kräfte der »Popanz«, aktuell ist es die AfD.
Das Erkennen von »rechts« und »links« wird den Bürgern also nicht leicht gemacht! Vielleicht kann ein Beispiel helfen: Die Digitalisierung soll vorangebracht werden; so ziemlich alle Parteien haben es in ihren Dokumenten stehen. Dies ist auch ein Ziel im Sinne der Bürger, nur sollten auch die Rahmenbedingungen im Sinne der Bürger sein, z. B. Unterbinden von Hass- und Hetz-Kommentaren, keine Daten-Weitergaben und keine Lauschangriffe durch Geheimdienste. Diese Herangehensweise kann auch für andere Lebens- bzw. Politik-Bereiche gelten, ob Verkehrs-Zukunft, Energiesicherung usw. Zusammengefasst könnte man sagen: Die Weiterentwicklung der Gesellschaft fördern – aber immer im Interesse aller –, wäre linke Politik!
Denkt man dies weiter, kommt man zu solchen Zielstellungen wie gerechten Löhnen für alle (ein mittlerer Verdienst muss eine Familie ernähren können), ausreichender Gesundheitsfürsorge (also nicht als Profitquelle, sondern mit Qualität und trotzdem erschwinglich für jedermann), guter Bildung, kulturellen Angeboten für jedermann usw.
Aber ob dies unter den aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen durchgesetzt werden kann? Ich fürchte nicht, solange das Großkapital das Sagen hat – ob durch Monopolismus, Lobbyismus bei den Regierungen, durch Verschenken von Rüstungs-Milliarden an fremde Staaten oder mit knebelnden »Freihandels-Verträgen« wie TTIP, die sogar Staatshaushalte ruinieren könnten. Dazu müssten auch die vielen Finanz-Konstrukte, die sich Juristen und Banker für das Großkapital ausdenken, eingeschränkt werden. Dies kann man nicht auf Basis von »Freiwilligkeit« machen (ein beliebtes Ablenkungsmanöver in den Zeiten von CDU-geführten Regierungsperioden), sondern durch klare und verbindliche Vorgaben seitens des Staates – unumkehrbar und ohne Schlupflöcher!
Das wäre ein Prinzip, um das Volksvermögen von oben nach unten zu verteilen. Denn mal ganz ehrlich: So viel Kapital, wie die obere Million Menschen besitzt, kann man niemals selbst verbrauchen – und die Wohltätigkeiten, die diese Klientel »spendet«, kann nicht darüber hinwegtäuschen: Sie wollen doch nur im »Wettbewerb« mit ihresgleichen auftrumpfen können …
Und es zeigt sich, dass die aktuell Regierenden genau dies unterstützen – durch immer stärkere Privatisierung, durch ihre globale Rohstoff-Politik und ihr protektionistisches Vorgehen gegen »unliebsame« Handelspartner.
Hier wird ein nächster Aspekt augenscheinlich: die Haltung unseres reichen Landes bzw. des reichen Europas zu den ärmeren Regionen. Sicher gibt Europa vielen Entwicklungsländern Beihilfen, sei es für Radwege, Impfungen und ähnliches. Aber mal ganz ehrlich: Sind dies nicht letztendlich relativ geringe Summen von den 332.000 Millionen des EU-Haushalts? Für »die Welt« gibt Brüssel nur etwas mehr aus als für den internen Apparat der EU selbst. Andererseits kontrolliert Frankreich mit der CFA-Währung einen großen Teil Westafrikas finanziell, sogar die Goldreserven aus diesen Staaten sind z. T. in Frankreich deponiert. Syrien leidet bis heute unter den Sanktionen der westlichen »Werte-Gemeinschaft«. Großbritannien gibt die Goldreserven von Venezuela nicht heraus. Die Menschen in Kuba leiden immer noch unter einer weltweiten Blockade, mittlerweile schon über 60 Jahre! Kann man solch ein Vorgehen als gerecht bezeichnen? Auch unter einer sozialdemokratisch geführten Regierung hat sich das nicht gebessert. Ja, es zeigt sich wieder einmal: Vor einer Wahl haben die hiesigen etablierten Parteien zwar häufig links geblinkt, sind aber nach einer Wahl meist stramm nach rechts abgebogen.
Und dafür sollten wir sie wiederwählen?