Applaus auf einem Friedhof ist eine ungewöhnliche Bekundung. Und doch stellte er sich zwischen alten Bäumen und frischen Gräbern an der noch offenen Urnenstelle auf dem Friedhof Karlshorst ein, nachdem sich Familienangehörige, gute Freunde und zahlreiche Trauergäste am 23. Juli von Manfred Rosenberg verabschiedet hatten. Ihnen allen war der Vollblutmusiker menschliches Vorbild, einfühlsamer Dirigent, souveräner musikalischer Begleiter und verständnisvoller Berater in allen nur möglichen Situationen des Lebens gewesen. Und der anerkennende, von einem Künstlerkollegen spontan empfundene und von allen Anwesenden aufgenommene Applaus am Ende des bewegenden Abschiedes war nicht weniger als eine Beifallsbekundung für sein Können und eine Ausstrahlung, wie sie dem Generalmusikdirektor nach großen Konzerten in Opernhäusern ein ganzes Berufsleben lang ebenso zuteil geworden war wie nach der musikalischen Leitung von Programmen der kleinen musikalisch-literarischen Form.
Mit Manfred Rosenberg verliert die bundesdeutsche Musikwelt einen Künstler, der als Dirigent die unterschiedlichsten Genres beherrschte und als musikalischer Interpret der Chansons eines Kurt Tucholsky oder eines Friedrich Hollaender den Texten stets einen besonderen Esprit verlieh. Er war ein Mann ohne jeden Profidünkel, ein Mensch voll uneigennütziger Hilfsbereitschaft und voller ehrlicher Solidarität. Geprägt wurden diese Eigenschaften bereits durch die Musikerfamilie, in der er in seiner brandenburgischen Heimat aufwuchs. Und geformt und gefordert wurden sie in den Nachkriegsjahren, in denen er mit anderen jungen Leuten zum Tanz und zur Unterhaltung aufspielte, was den Akteuren in den Nachkriegsjahren statt Honorar Überlebensmittel einbrachte.
Viele Jahre lang war der Theaterkapellmeister und spätere langjährige Chef des DEFA- und des nachfolgenden Babelsberger Filmorchesters für uns vom Zimmertheater Karlshorst eine aus der Ferne bewunderte Ikone. Dann rückte er uns näher, als er die Berliner Profi- und Amateur-Kabarett-Szene noch zu DDR-Zeiten in Workshops musikalisch betreute und die »Kleinkünstler« einfühlsam beriet. Und wir hatten zu Beginn der 90er Jahre miteinander zu tun, als er im Theater Karlshorst die musikalische Leitung der Kabarette »Paul Lincke ist nicht totzukriegen« übernahm. Diese Spielform war dem Versuch geschuldet, eine neue satirisch-musikalische Klangfarbe zu schaffen und Künstlern des abgewickelten Berliner Metropol-Operettentheaters zugleich eine neue künstlerische Chance zu bieten. Das war der Beginn einer Zusammenarbeit, die sich durch Manfreds Übernahme der musikalischen Leitung unseres Tucholsky-Programms »Das Leben ist gar nicht so – es ist ganz anders …« dauerhaft vertiefte .
Unsere Gastspiele in Städten wie Hannover, Lübeck, Leipzig, St. Georgen, in Detmold und Minden sowie im Schwarzwald, im Erzgebirge, auf Hiddensee und in den französischen Pyrenäen trugen dazu bei, das Nachdenken über die Aktualität Tucholskys anzuregen. Der Generalmusikdirektor gehörte zu jenen Künstlern, die durch ihr Engagement in der von den bisherigen Besuchern besetzten Kurt-Tucholsky-Bibliothek in der Berliner Esmarchstraße erfolgreich darauf hinwirkten, die bereits behördlich verfügte Schließung wieder aufzuheben.
Und Manfred Rosenberg war einer jener Berliner, die laut Kurt Tucholsky »ständig noch etwas vorhaben«. Er hatte das siebte Lebensjahrzehnt bereits hinter sich, als er zu den Begründern der »Elblandfestspiele« gehörte, deren Konzerte in Wittenberge er in den Anfangsjahren dirigierte. Und die Leitung der jährlichen Neujahrskonzerte der Volkssolidarität im Berliner Konzerthaus gab er erst auf, als er den körperlichen Anstrengungen beim besten Willen nicht mehr gewachsen war.
Er wird uns auch wegen der Erlebnisse auf unseren gemeinsamen Auftrittsreisen unvergessen bleiben – nicht zuletzt, weil wir uns nicht nur die Bühne, sondern auch das Steuer teilten und gemeinsam unseren VW-Bus anschoben, wenn wir wieder einmal stehengeblieben waren …