»Der kleine Buchladen« im Berliner Karl-Liebknecht-Haus hatte Ende Juni dieses Jahres gemeinsam mit dem Verlag Wiljo Heinen zur Buchpremiere eingeladen.
Hellmut Kapfenberger, vierzig Jahre, bis 1990, außenpolitischer Nachrichtenjournalist der DDR, stellte sein fünftes Buch vor: »Vietnam 1972. Ein Land unter Bomben. Mit Notizbuch und Kamera im Norden unterwegs«. Auch mit diesem Buch erweist sich der Autor als profunder Kenner Vietnams. Als Zeitzeuge schreibt er sachkundig über das verheerende Jahr 1972 im sogenannten Amerikanischen Krieg. Eingangs zitiert er den amerikanischen Ex-Senator William Fulbright: »Vietnam war eine große Tragödie. Wenn man von all den hehren Prinzipien und den geopolitischen Theorien und Analogien einmal absieht, die die amerikanische Politik beherrscht haben, muss man sich unweigerlich die Frage stellen, was denn eigentlich für diesen Krieg sprach.«
Hellmut Kapfenberger richtet den Blick auf das letzte Jahr dieses Vernichtungskrieges und schafft zugleich ein Kompendium über ihn. Der Krieg endete am 27. Januar 1973, nachdem in Paris das Abkommen über die Beendigung des Krieges und die Wiederherstellung des Friedens in Vietnam unterzeichnet worden war. Dem gingen außerordentlich komplizierte, von amerikanischer Seite wiederholt torpedierte Verhandlungen mit dem Aggressor USA voraus.
Im Verlauf des Jahres 1972 erfuhr der Krieg eine Eskalation im Süden des Landes, zugleich pflügten nahezu ununterbrochene USA-Bombardements den Norden regelrecht um. Es war Präsident Nixon, der die Bombardierung des gesamten nordvietnamesischen Territoriums befahl. Zur Verantwortung gezogen wurde er dafür nie. Der Autor schildert aus eigenem Erleben eindrucksvoll Tage und Nächte in der zweiten Dezemberhälfte 1972 sowie im Januar 1973 und appelliert mit dem Blick auf die Gegenwart, dass die eindeutigen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, egal wo sie begangen werden, geächtet werden müssen und nie in Vergessenheit geraten dürfen. Mit vielen Details und Fotos wird in diesem Buch belegt, wie mit Brutalität und unfassbarer Grausamkeit grundlos ein Volk in die Knie gezwungen werden sollte. Fast erdrückend ist die Fülle zeitzeugenschaftlicher Informationen. Eine »Chronik 1945 bis 1971« ist hilfreich beim Erfassen und Beurteilen der historischen Vorgänge.
Hellmut Kapfenberger wird demnächst seinen neunzigsten Geburtstag begehen. Mit seinem Buch hat er sich einen Wunsch erfüllt und einer zu wünschenden großen Leserschaft das Angebot von umfassendem Erkenntnisgewinn unterbreitet.
Hellmut Kapfenberger: Vietnam 1972. Ein Land unter Bomben. Mit Notizbuch und Kamera im Norden unterwegs, Verlag Wiljo Heinen, Berlin/Böklund, 2023, 255 S., zahlreiche Fotos, 34 €.