Den umfangreichen Katalog der Ausstellung »Kunst in der DDR« ziert in Gold die Zeile »Utopie und Untergang«, dazu eine Hälfte von Wolfgang Mattheuers Bild »Die Flucht des Sisyphos« aus dem Jahr 1972. Das ist der optische Aufmacher der von Kurator Steffen Krautzig besorgten Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast. Dreißig Jahre nach der Wende nun DDR-Kunst in Düsseldorf. DDR-Kunst war in der Bundesrepublik nicht unbekannt. Als erstes Kunstinstitut stellte der Hamburger Kunstverein 1974 Willi Sitte vor. Etwas später folgte hier Wolfgang Mattheuer. Auf der documenta 6 im Jahr 1977 waren die Maler Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer, Willi Sitte und Werner Tübke sowie die Bildhauer Fritz Cremer und Jo Jastram mit Arbeiten vertreten. Vom 13. Januar bis zum 18. März 1979 zeigte die Neue Galerie im Alten Kurhaus die Sammlung Ludwig unter dem Titel »Kunst heute aus der Deutschen Demokratischen Republik«. Im Herbst des Jahres war die Ausstellung Gast in der Kestnergesellschaft in Hannover. Der Industrielle Peter Ludwig sammelte seit den 60er Jahren DDR-Kunst. Die Sammlung Ludwig ist seit 1983 in der Ludwiggalerie im Schloss Oberhausen untergebracht.
Die Düsseldorfer Ausstellung mit DDR-Kunst im Kunstpalast umfasst den Zeitraum von 1945 bis zur Öffnung der Mauer am 9. November 1989. Der Titel der Ausstellung ist geschickt gewählt, wird damit doch ausgedrückt, dass die DDR an ihrer Utopie untergegangen sei, was wohl so nicht ganz stimmt.
Im Vorwort des Katalogs schreibt der Generaldirektor des Kunstpalastes, Felix Krämer, zur Ausstellung: »Die Kunst der alten Bundesrepublik wurde maßgeblich von Künstlern geprägt, die aus der DDR stammen. Dabei spielte Düsseldorf mit der bedeutenden Kunstakademie von Anfang an eine wichtige Rolle. Wie ein Magnet wirkte die Hochschule auf zahlreiche Künstler, die den Osten Deutschlands verließen. Düsseldorf wurde zur Wirkungsstätte von Gerhard Richter, Günther Uecker, Gotthard Graubner und A. R. Penk.« Das ist zu kurz gefasst, stimmt so auch nicht.
Anders Kurator Steffen Krautzig: »Diese Ausstellung ist ein Versuch, die Kunst aus der DDR – ohne Entstehungszusammenhänge und kulturpolitische Hintergründe zu verschweigen – an Hand von 13 exemplarischen Positionen aller Generationen unter kunsthistorischen Aspekten zu untersuchen und so Abstand zu den sich seit Jahrzenten wiederholenden politischen Ost-West-Debatten zu gewinnen. Die vielen Diskussionen sowie umfangreichen wissenschaftlichen Forschungen haben bewirkt, dass pauschalisierende Urteile wie ›DDR-Kunst‹, ›Staatskunst‹, ›Auftragskunst‹ oder wie ›offiziell‹ und ›inoffiziell‹ seit kurzer Zeit hinterfragt werden. Doch während deutschlandweit gestritten und geforscht wurde, waren die Kunstwerke in den letzten 30 Jahren in den alten Bundesländern nur äußerst selten zu sehen.«
Die Ausstellung umfasst Werke von 13 Künstlerinnen und Künstlern; auch wenn diese sorgfältig recherchiert und ausgewählt wurden, kann das nur ein erster Schritt sein. Zu sehen sind Arbeiten von: Gerhard Altenbourg, Carlfriedrich Claus, Hermann Glöckner, Angela Hampel, Bernhard Heisig, Wilhelm Lachnit, Wolfgang Mattheuer, Michel Morgner, A. R. Penk, Cornelia Schleime, Willi Sitte, Werner Tübke und Elisabeth Voigt.
Auch wenn Steffen Krautzig im Katalog zur DDR-Kunst es anders beschreibt, hat der Westen immer noch seine vorgefasste Meinung über die Kunst der DDR: Sie habe unter staatlicher Kontrolle gestanden, sei somit keine autonome Kunst gewesen. Auch wird heute immer noch behauptet, in der DDR habe man so malen müssen wie Willi Sitte. Bereits ein Vergleich der Arbeiten von Willi Sitte mit Werken von Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer oder Werner Tübke zeigt, dass das nicht stimmt. Keiner der genannten Künstler malte wie der andere.
Die Düsseldorfer Ausstellung richtet mit ihrem Blick auf 13 Künstler und 130 Werke – Gemälde und Arbeiten auf Papier – den Blick auf die Kunst der DDR neu aus. Allerdings stehen im Kunstpalast die Künstler im Vordergrund, die sich mit ihrer Kunst der DDR verweigerten, das Land verließen.
»Utopie und Untergang« – Kunst in der DDR, bis zum 5. Januar 2020, Kunstpalast Düsseldorf, Ehrenhof 4-5. Der im Verlag Sandstein erschienene Katalog kostet in der Ausstellung 38 €, im Buchhandel 48 €.