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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Kriegsberichte

Am 7. Okto­ber fuhr ich mit dem Zug nach Süd­schwe­den, um mei­ne dort­hin aus­ge­wan­der­te Toch­ter und mei­ne Enke­lin zu besu­chen. Im Gepäck die Thü­rin­ger Lan­des­zei­tung, die ihren Poli­tik­teil mit dem ersten Jah­res­tag des Über­falls der Hamas auf Isra­el auf­ge­macht hat­te. Unter der Über­schrift »Jede Sekun­de, die ver­geht, kann die letz­te ihres Lebens sein« nimmt der hoch­emo­tio­na­le Bericht über die 101 Gei­seln, die sich noch in der Gewalt der Hamas befin­den, mehr als zwei Drit­tel der Sei­te ein. 10 Pro­zent des Tex­tes wid­men sich der Tat­sa­che, dass sich israe­li­sche Stu­den­ten mit Anti­se­mi­tis­mus an deut­schen Uni­ver­si­tä­ten kon­fron­tiert sehen. Ca. 20 Pro­zent des Plat­zes wird den Men­schen im Gaza­strei­fen gewid­met. Ein Palä­sti­nen­ser schil­dert den Ver­lauf des 7. Okto­bers und die Angst vor der Gegen­re­ak­ti­on Isra­els. Im Som­mer steht er vor den Trüm­mern sei­nes Hau­ses. Alle Arti­kel des Res­sorts schil­dern die Gefühls­la­gen Betroffener.

Als ich mei­ner Toch­ter von die­ser Ten­denz in der hei­mi­schen Pres­se erzäh­le – die TLZ ist bei­lei­be nicht das ein­zi­ge Blatt, das so berich­tet – schiebt sie mir die Zei­tung NORRA SKÅNE (Nörd­li­ches Scho­nen) vom 7. Okto­ber über den Tisch, ihre Regio­nal­zei­tung. Wir erfah­ren, wie auch in ande­ren schwe­di­schen Medi­en, eine völ­lig ande­re Art der Infor­ma­ti­on. Unter der Über­schrift: »Ein Jahr seit dem Hama­s­an­griff – das ist das Kriegs­jahr in Zah­len« zieht das Blatt eine Fak­ten­bi­lanz. Der Ter­ror­an­schlag der Hamas war der Beginn des Krie­ges zwi­schen Isra­el und der Hamas, der zehn­tau­sen­den Palä­sti­nen­sern das Leben koste­te. Nach Anga­ben des von der Hamas geführ­ten Gesund­heits­mi­ni­ste­ri­ums im Gaza, das in sei­nen Sta­ti­sti­ken nicht zwi­schen Zivi­li­sten und Hamas­kämp­fern unter­schei­det, wur­den im Krieg zwi­schen Isra­el und der Hamas im Gaza über 41.000 Men­schen getö­tet und über 96.000 ver­letzt. Israe­li­sche Quel­len behaup­ten statt­des­sen, dass 17.000 Hama­ster­ro­ri­sten wäh­rend des Krie­ges in Gaza getö­tet wur­den, Zah­len über die getö­te­ten Zivi­li­sten wer­den nicht ange­ge­ben. Isra­el erklärt, dass der Grund für das Töten von Zivi­li­sten dar­in lie­ge, dass sich die Hamas in dicht besie­del­ten Gebie­ten unter Zivi­li­sten verstecke.

Beim Angriff der Hamas auf Isra­el vor einem Jahr waren mehr als 1000 Men­schen umge­bracht wor­den, die aller­mei­sten davon waren zivi­le Per­so­nen. Nach israe­li­schen Anga­ben befin­den sich heu­te noch 100 Gei­seln in der Gewalt der Hamas. UN-Schät­zun­gen besa­gen, dass min­de­stens 1,9 Mil­lio­nen Men­schen wegen des Krie­ges im Gaza flie­hen muss­ten, mehr als 90 Pro­zent der gesam­ten Bevöl­ke­rung. 68 Pro­zent des Acker­lan­des wur­de durch den Krieg beschä­digt. Die UN-Satel­li­ten­agen­tur UNASAT wer­te­te im August Bil­der aus, die zei­gen, dass auch 68 Pro­zent der Stra­ßen zer­stört sind. Dar­über hin­aus wur­de ein gro­ßer Teil der Kran­ken­häu­ser ent­we­der voll­stän­dig zer­stört oder beschä­digt. Nach Infor­ma­tio­nen der WHO sind von einst 36 Kran­ken­häu­sern nur noch 17 funk­ti­ons­fä­hig. Und die auch nur teil­wei­se. Fast 90 Pro­zent der Schul­ge­bäu­de in Gaza sind beschä­digt oder ganz zer­stört. 625.000 Schü­ler konn­ten ihre Aus­bil­dung nicht fort­set­zen, so der UN-Fonds für Aus­bil­dung in Kri­sen­si­tua­tio­nen ECW.

Nach israe­li­schen Anga­ben wur­den 346 israe­li­sche Sol­da­ten in Gaza oder an der israe­li­schen Gren­ze seit Beginn der israe­li­schen Boden­ope­ra­tio­nen getö­tet und 2300 israe­li­sche Sol­da­ten verwundet.

Regio­na­le Print­me­di­en zwei­er Län­der, die völ­lig ver­schie­de­ne Auf­fas­sun­gen dar­über ver­tre­ten, wor­in ihr Auf­trag besteht und was den Lesern an Gefüh­len und Fak­ten zuzu­mu­ten ist, um sich eine eige­ne Mei­nung bil­den zu können.