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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Krieg und Wirtschaftskrieg

Marx beschreibt die Ren­di­te­log­ik sei­ner Zeit mit einer Vor­ah­nung auf die ihr nach­fol­gen­de: »Das Kapi­tal stampft alle mensch­li­chen Geset­ze unter sei­nen Fuß für 100 % Pro­fit. Und für 300 % exi­stiert kein Ver­bre­chen mehr, das es nicht ris­kie­ren würde.«

Lenin hat­te dar­um Impe­ria­lis­mus mit den zen­tra­len Über­griff-Mecha­nis­men von beson­ders aggres­si­vem Mono­pol­ka­pi­tal spe­zi­fi­ziert, aber nicht nur als mili­ta­ri­sti­sche, son­dern auch anhand von Wirt­schafts­krie­gen und Kapitalexporten.

Am Bei­spiel Russ­land exem­pli­fi­ziert nun Han­nes Hof­bau­er den markt­ra­di­ka­len Ter­ro­ris­mus west­li­cher Embar­go-Regimes seit Febru­ar 2022. Natür­lich mit deren Vor­läu­fern gegen die Sowjet­uni­on. Denn der Wirt­schafts­krieg eska­lier­te erst gegen den »Kom­mu­nis­mus«. Aber nie nur, um ein sozia­le­res Wirt­schafts­sy­stem, wel­ches USA und West­deutsch­land hät­te gefähr­lich wer­den kön­nen, zunächst unan­sehn­lich und dann exi­stenz­un­fä­hig zu machen (wie auch mit den Sank­tio­nen gegen Kuba, Nord­ko­rea und Jugo­sla­wi­en). Hof­bau­er zeigt auf, wie es auch schlicht um die Erobe­rung von Wirt­schafts­raum ging – ganz unab­hän­gig von der System-Frage.

Dass gegen die­se Embar­go-Regimes und unter dem west­li­chen Wirt­schafts­ter­ro­ris­mus Chi­na gewal­tig und effi­zi­ent umler­nen muss­te (und dann auch konn­te!), dass damit aus den rela­tiv harm­lo­sen Maghreb-Staa­ten nun­mehr die­se reni­ten­te und resi­sten­te Brics-Alli­anz des glo­ba­len Südens ent­stand, konn­te zwar bereits 2018 der Histo­ri­ker Dome­ni­co Losur­do vor­zeich­nen. Aber die impe­ria­li­sti­schen Mono­pol­ka­pi­ta­li­sten und ihre Poli­ti­ker wuss­ten nicht, was sie taten. Hät­ten sie Marx, Engels und Lenin gele­sen, wäre ihnen jene »Dia­lek­tik in der Geschich­te« nicht ver­bor­gen geblie­ben. Die sie so lan­ge for­ciert hat­ten, bis sie nun in einen Auf­bruch umschlug, der der uni­po­lar US-geführ­ten Dol­lar- und Mili­tär­dik­ta­tur auf den Welt­märk­ten einen orga­ni­siert viel­stim­mi­gen Chor ent­ge­gen­setzt. Oder flap­sig gesagt: Sowas kommt von sowas.

Pri­mär natür­lich basiert der Impe­ria­lis­mus auf Krieg um Res­sour­cen frem­der Völ­ker. Han­nes Hof­bau­ers Buch über Wirt­schafts­krieg und das von Fred Schu­ma­cher »Waf­fen für die Welt« haben mehr als nur den jet­zi­gen Erschei­nungs­zeit­punkt der »Frank­fur­ter Buch­mes­se« gemein­sam. Letz­te­res Buch kon­kre­ti­siert Lenins Sta­mo­kap-Theo­rie anhand jün­ge­rer Kapi­tal­ver­bre­chen. Wer da nun meint, schon alles über »Rhein­me­tall« gele­sen zu haben, wird hier eines Schlim­me­ren belehrt:

»Wären die von den Alli­ier­ten im 1945er Pots­da­mer Abkom­men fest­ge­leg­ten Bestim­mun­gen zur Ent­na­zi­fi­zie­rung und Ent­mi­li­ta­ri­sie­rung Deutsch­lands kon­se­quent ange­wen­det wor­den, wäre der Rhein­me­tall-Kon­zern heu­te nicht mehr exi­stent« (S. 38).

Statt­des­sen bestand des­sen Füh­rungs­rie­ge aus Mit­glie­dern des »Freun­des­krei­ses Hein­rich Himm­ler«, die in den Fünf­zi­gern als freie Leu­te ent­las­sen wor­den waren und dann flugs zur Wie­der­auf­nah­me ihrer Mords­ge­schäf­te re-instal­liert wurden.

Was Chur­chill bereits vor der Kapi­tu­la­ti­on 1945 ange­fixt hat­te, sein Pro­jekt »Unthinkable«, näm­lich mit Resten der Wehr­macht, der bri­ti­schen- und der US-Armee schnell gegen die geschwäch­te Sowjet­uni­on zu mar­schie­ren, war dann drei Jah­re spä­ter zur 180-Grad-Wen­de des gesam­ten »frei­en Westens« gewor­den. Wozu bis heu­te »young glo­bal lea­ders« (wie Pisto­ri­us, Baer­bock und Merz) vom geheim­dienst­lich-media­len Kom­plex in die Kar­rie­re­um­lauf­bahn geschos­sen werden.

Rhein­me­tall war dabei von Hit­ler bis Scholz eine stra­te­gi­sche Brut­stät­te von Pan­zern gegen Mos­kau geblie­ben. Kürz­lich ant­wor­te­te Kon­zern­chef Armin Pap­per­ger auf die Fra­ge im STERN, ob er stolz dar­auf sei, dass sich der Wert von Rhein­me­tall seit Kriegs­be­ginn in der Ukrai­ne fast ver­drei­facht hat­te, mit einem empha­ti­schen »Ja.« Weil die Mit­ar­bei­ter damit wert­ge­schätzt wür­den »und unse­re Aktio­nä­re zufrie­den sind«.

Seit im Febru­ar die­ses Jah­res in der Ukrai­ne eine Muni­ti­ons­fa­brik (nebst ande­ren Rüstungs-»Niederlassungen« in fünf ehe­ma­li­gen War­schau­er-Pakt-Staa­ten) durch die­sen, wegen sei­ner Nazi-Kriegs­ver­bre­chen aufs Schwer­ste bela­ste­ten Kon­zern die Grund­la­gen für einen neu­en Krieg gegen Russ­land geschaf­fen hat­ten, ist auch der empi­ri­sche Bogen neu zu schla­gen. Zurück in den Faschis­mus. Und nach vor­ne in die Ver­bre­chen deut­scher Bundesregierungen.

Aller­dings prahlt der zweit­größ­te Anteils­eig­ner von Rhein­me­tall, »Black­Rock«, nicht mit SS-Runen. Er lässt nur lie­fern. An Selen­sky­js Asow-Mili­zen mit Haken­kreuz und Toten­kopf. An die Fana­ti­ker des Juden- und Lin­ken­schläch­ters Ban­de­ra. Wäh­rend Black­Rock selbst, so wie »Lock­heed«, mit Regen­bo­gen­fah­nen und woken LGBTQ+-Emblemen auf dem Chri­sto­pher-Street-Day para­die­ren lässt.

Was aber lin­ke Gewerk­schaf­ter im letz­ten Jahr nicht davon abhielt, die Black­Rock-Filia­le in Paris zu stür­men. Aber weil da auch Rech­te mit­de­mon­striert hat­ten, beka­men woke Kriegs­trei­ber hier­zu­lan­de sofort grü­nen Schaum vorm Mund. Denn was hat­te die­se »Quer­front« in Paris Skan­da­lö­ses skan­diert: »Frie­den mit Russ­land« und »Kon­zern­kra­ken ent­eig­nen – statt Bür­ger ausbeuten!«

Han­nes Hof­bau­er: Im Wirt­schafts­krieg. Die Sank­ti­ons­po­li­tik des Westens und ihre Fol­gen. Das Bei­spiel Russ­land, Pro­me­dia-Ver­lag 2024, 256 S., 22 €.

Fred Schu­ma­cher: Waf­fen für die Welt –Rhein­me­tall und das Geschäft mit dem Krieg, Ver­lag Das neue Ber­lin 2024, 112 S., 10 €.