»Wie? Die Sittlichkeit will Duell-Mandate nur Einzelwesen, nicht Völkern geben? Eher müsste sie die Zweikämpfe als die Millionen-Kämpfe sekundieren; denn jene zeugen mehr Ehre, diese mehr Unglück. – Das Unglück der Erde war bisher, dass zwei den Krieg beschlossen und Millionen ihn ausführten und ausstanden, indes es besser, wenn auch nicht gut gewesen wäre, dass Millionen beschlossen hätten und zwei gestritten. Denn da das Volk fast ganz allein die ganze Kriegsfracht auf Quetschwunden zu tragen bekommt und nur wenig von dem schönen Fruchtkörben des Friedens, und oft die Lorbeerkränze mit Pechkränzen erkauft; da es in die Mord-Lotterie Leiber und Güter einsetzt und bei der letzten Ziehung (der des Friedens) oft selber gezogen oder als Niete herauskommt: So wird seine verlierende Mehrheit viel seltener als die erbeutende Minderzahl ausgedehntes Opfern und Bluten beschließen. Wenn jetzt der Krieg nur wider, nicht für die Menge, und fast nur von ihr geführt und erduldet wird: So willigte gewiss ein jetziges Land in einen mehr opfernden als bereichernden Krieg viel langsamer als sonst die barbarischen, hungernden Völker, welche nicht anders sich satt essen konnten als mit dem Schwerte in der Hand als Gabel.«
Wenn ein Weib seine sittliche Abscheu gegen den Krieg aussprechen will, so muss es wohl auf seiner Hut sein, dass die Leser nicht wegwerfend die Achseln zucken und meinen: So kann mir ein Weib sprechen! Ich habe deshalb mit den Worten eines edlen deutschen Mannes begonnen – mit denen unseres Jean Paul. Sie stehen in seiner »Kriegserklärung gegen den Krieg« in seinen »Dämmerungen für Deutschland« (erschienen vor mehr als 200 Jahren, 1809. Anm. der Redaktion). Und immer noch leben wir in diesen Dämmerungen! Jean Paul ist ihnen schon lange entrückt und sieht vielleicht, wie er so oft geschildert, aus seinen Sonnen-Höhen herab auf seine liebe Erde und lächelt wehmütig, dass wir›s immer noch nicht weiter als bis zur Dämmerung gebracht haben, wenn auch der Gedanke, den vielleicht er allein von Tausenden unbeachtet oder belächelt aussprach, jetzt von ebenso vielen ihm nachgesprochen wird, der Gedanke: »Auf der kleinen Erde sollte nur ein Staat liegen – um den hässlichen Widerstreit zwischen Moral und Politik, zwischen Menschenliebe und Landesliebe auszutilgen.«
Da liegen sie vor mir, die Zeitungsberichte von Kriegsschauplätzen. Ich brauche es nicht erst in den Zeitungen zu lesen, ich les’ es auf hundert Gesichtern um mich her, welch ein Ungeheuer der Krieg ist! Da ängstigen sich alte Eltern um den einzigen Sohn, der ihnen noch keine Kunde gesendet, ob er noch lebend und unverletzt ist, da irren Witwen und Waisen einher, die noch gestern glückliche Gattinnen und glückliche Kinder waren, da jammern Hunderte über ihre Lieblinge, die sie beim Abschied in der Blüte der Kraft und Gesundheit verließen und die sie nun entweder gar nicht oder mit verstümmelten Gliedern wiedersehen.
Aber ihr sagt, das sind nur Weiber-Schmerzen, die wiegen nichts, wo es sich um Völker-Schicksale handelt! Wohl, ich sage mit euch so – aber ich bitt’ euch: Seht euch nur diese Völker-Schicksale ein wenig näher an und fragt, wer diese Kämpfe über uns verhängt und wer sie entscheidet?
Antwort: die Regierungen. Warum würden Länder Krieg gegeneinander führen, wenn es nicht im Interesse ihrer Regierungen geschähe? Freie Völker bekämpfen einander niemals.
Der Text ist eine (leicht gekürzte) Fassung eines Artikels der Frauenrechtlerin und Demokratin Louise Otto-Peters aus dem Jahre 1849. Sie bezog sich damals auf den 1848 einsetzenden preußisch-dänischen Konflikt um Schleswig-Holstein – so sinnlos wie jeder Krieg –, der mit wechselnden Erfolgen und tausenden Toten erst 1867 beendet wurde.