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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Kommunismus ist …

Im Rausch der Mas­sen­de­kret-Unter­schrifts­or­gie, die der neu gewähl­te US-ame­ri­ka­ni­sche Prä­si­dent Donald Trump an sei­nem ersten Amts­tag ver­an­stal­tet hat, ist auch der Aus­stieg der Ver­ei­nig­ten Staa­ten aus dem Pari­ser Kli­ma­ab­kom­men ein­ge­lei­tet wor­den. Damit gibt die in der histo­ri­schen Gesamt­be­trach­tung emis­si­ons­stärk­ste Volks­wirt­schaft der Welt das damals ver­ein­bar­te Ziel, die Erd­er­wär­mung auf 1,5 Pro­zent gegen­über der vor­in­du­stri­el­len Welt zu begren­zen, offi­zi­ell auf. »Kri­tik an der Ent­schei­dung«, ver­merk­te kurz danach die Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung (FAZ), »kam unter ande­rem aus Peking«, denn, so zitier­te das Blatt mit zusam­men­ge­bis­se­nen Zäh­nen das dor­ti­ge Außen­mi­ni­ste­ri­um, der Kli­ma­wan­del sei eine »Her­aus­for­de­rung, der sich alle Län­der gemein­sam stel­len müss­ten« – und die FAZ merkt an, die­ser Vor­gang zei­ge, »wie sehr sich die Ver­hält­nis­se gera­de ändern«.

Wer nach Chi­na reist und die Gele­gen­heit wahr­nimmt, eines der Geschichts­mu­se­en zu besich­ti­gen, kommt immer an Wla­di­mir Iljitsch Lenin vor­bei. Das 1,4-Milliarden-Volk sieht sich selbst auf den Schul­tern der rus­si­schen Okto­bere­vo­lu­ti­on, die die erste Bre­sche in die Pha­lanx der impe­ria­li­sti­schen Irra­tio­na­li­tät schlug. Einer der bekann­te­sten Aus­sa­gen Lenins war die, Kom­mu­nis­mus sei Sowjet­macht plus Elek­tri­fi­zie­rung. Von der uns nun bedro­hen­den Kli­ma­ka­ta­stro­phe wuss­te der Mann noch nichts, aber die­se Losung ist von gän­se­haut­för­dern­der Aktualität.

Denn die Fak­ten­la­ge liegt ja auf der Hand: Steigt die welt­wei­te Tem­pe­ra­tur auf die­sem Pla­ne­ten, die jetzt schon 1,5 Grad über der Durch­schnitts­tem­pe­ra­tur vor der Indu­stria­li­sie­rung liegt, wei­ter an auf viel­leicht sogar zwei, drei oder vier Grad über dem vor­in­du­stri­el­len Niveau, wür­de das Leben nicht nur für zehn­tau­sen­de, son­dern für Mil­lio­nen oder gar Mil­li­ar­den Men­schen in ihrer jet­zi­gen Hei­mat nicht mehr mög­lich sein. Also darf die Mensch­heit ihre Ener­gie nicht mehr aus dem Ver­bren­nen fos­si­ler Ener­gie­trä­ger, son­dern muss sie aus der klu­gen Nut­zung von Wind- und Son­nen­en­er­gie zie­hen. »Bei einem Anteil von 80 Pro­zent an der Ver­sor­gung und einer Welt­be­völ­ke­rung von zehn Mil­li­ar­den, die etwa auf dem euro­päi­schen Wohl­stands­ni­veau lebt, wür­den dafür Solar­an­la­gen mit einer Lei­stung von 100 Ter­ra­watt (100.000 Giga­watt) benö­tigt. (…) Nach Anga­ben der Inter­na­tio­na­len Ener­gie­agen­tur (IEA) waren Ende 2023 ins­ge­samt 1,6 Ter­ra­watt instal­liert«, war im Sep­tem­ber letz­ten Jah­res in der jun­gen Welt zu lesen.

Wie aber soll die­ser Sprung von 1,6 auf 100 gelin­gen, ohne eine Ver­tie­fung, statt der Auf­kün­di­gung der Zusam­men­ar­beit aller Völ­ker? Wie soll die­se gigan­ti­sche Elek­tri­fi­zie­rung der Welt unter der Dro­hung von krie­ge­ri­schen Taten gegen die emp­find­li­chen Net­ze gelin­gen? Der Krieg ist die eine dro­hen­de Kata­stro­phe, die wir abwen­den müs­sen und wer­den – um unse­rer Kin­der und Enkel­kin­der wil­len. Statt aber auf Koope­ra­ti­on im glo­ba­len Maß­stab zu set­zen, mar­schiert die Nato wei­ter an den Gren­zen der rus­si­schen Föde­ra­ti­on und mit ihren Schif­fen im chi­ne­si­schen Meer auf, jagt ihre Rüstungs­haus­hal­te auf Kosten der Men­schen in ihren eige­nen Län­dern in die Höhe und faselt von chi­ne­si­schen »Über­ka­pa­zi­tä­ten« in der Solar­in­du­strie, die es mit allen Mit­teln zu bekämp­fen gel­te, statt die welt­wei­te Bewe­gung zur Elek­tri­fi­zie­rung unse­rer ener­ge­ti­schen Basis gemein­sam mit allen Völ­kern die­ser Welt zu forcieren.

Im Sep­tem­ber 1917 schrieb der schon erwähn­te Lenin sei­ne flam­men­de Schrift mit dem Titel »Die dro­hen­de Kata­stro­phe und wie man sie bekämp­fen soll«. Am Anfang des­sel­ben Jah­res saß er noch in Zürich im Exil und teil­te mit vie­len Gleich­ge­sinn­ten die ban­ge Fra­ge, ob denn das Ver­sin­ken der Welt in Blut und Cha­os über­haupt noch zu ver­hin­dern sei.

Alle gebil­de­ten Men­schen die­ser Welt – also sol­che, die sich mit Hegel, Marx und Lenin befasst haben – wis­sen um die­se Geschich­te und damit dar­um, wie dicht häu­fig die schein­ba­re Aus­weg­lo­sig­keit der Lage an einem Aus­bruch aus die­ser Sack­gas­se liegt. Ange­lehnt an die­se Schrift Lenins könn­te eine heu­ti­ge Schrift den Titel tra­gen »Die dro­hen­de Dop­pel­ka­ta­stro­phe und wie man sie bekämp­fen soll«. Denn vor einer dro­hen­den Dop­pel­ka­ta­stro­phe ste­hen wir heute.

Die eine Kata­stro­phe ist der dro­hen­de drit­te Welt­krieg. Sei­ne Haupt­ur­sa­che ist die dump­fe Ahnung der unter Füh­rung der USA in der Nato zusam­men­ge­schlos­se­nen impe­ria­li­sti­schen Län­der, dass sie die Mög­lich­keit, die Welt nach ihren Vor­stel­lun­gen zu beherr­schen, auf Dau­er ver­lie­ren, wenn sie das gegen­wär­ti­ge Erstar­ken des glo­ba­len Südens unter der Füh­rung der in den BRICS-Staa­ten zusam­men­ge­schlos­se­nen Mil­li­ar­den­mas­sen zulas­sen. Neh­men wir an, es gelän­ge, den gro­ßen Krieg abzu­wen­den. Dann lau­ert auf uns gleich der zwei­te Höl­len­hund aus dem Ander­sen-Mär­chen »Das Feu­er­zeug«: die Klimakatastrophe.

Die Abwen­dung bei­der Kata­stro­phen wird nur gelin­gen im Kampf gegen den sich im Nie­der­gang befind­li­chen USA/­Na­to/EU-Block. Für die­je­ni­gen, die in die­ser blut­trie­fen­den Festung leben und wir­ken, mag sich die­ser Nie­der­gang wie das Her­an­na­hen des jüng­sten Tages anfüh­len. Aus der Sicht des auf­stre­ben­den glo­ba­len Südens, wo man den Geschmack von der Voll­endung des anti­ko­lo­nia­len Befrei­ungs­kamp­fes auf der Zun­ge spürt, ist das nicht so. Mehr noch: Wie schon 1917 könn­te die List der Geschich­te dar­in bestehen, dass schein­ba­re Aus­weg­lo­sig­keit und der sozia­li­sti­sche Aus­weg aus der Sack­gas­se in einer Wei­se zusam­men­rücken, den selbst der klu­ge Lenin damals zwar als einer der ersten, aber doch erst im April 1917 erkann­te, als er die Losung aus­gab, jetzt die sozia­li­sti­sche Revo­lu­ti­on auf die Fah­nen zu schrei­ben. Wir sind noch nicht an einem sol­chen Punkt, aber wir nähern uns ihm an.