Im Rausch der Massendekret-Unterschriftsorgie, die der neu gewählte US-amerikanische Präsident Donald Trump an seinem ersten Amtstag veranstaltet hat, ist auch der Ausstieg der Vereinigten Staaten aus dem Pariser Klimaabkommen eingeleitet worden. Damit gibt die in der historischen Gesamtbetrachtung emissionsstärkste Volkswirtschaft der Welt das damals vereinbarte Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Prozent gegenüber der vorindustriellen Welt zu begrenzen, offiziell auf. »Kritik an der Entscheidung«, vermerkte kurz danach die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), »kam unter anderem aus Peking«, denn, so zitierte das Blatt mit zusammengebissenen Zähnen das dortige Außenministerium, der Klimawandel sei eine »Herausforderung, der sich alle Länder gemeinsam stellen müssten« – und die FAZ merkt an, dieser Vorgang zeige, »wie sehr sich die Verhältnisse gerade ändern«.
Wer nach China reist und die Gelegenheit wahrnimmt, eines der Geschichtsmuseen zu besichtigen, kommt immer an Wladimir Iljitsch Lenin vorbei. Das 1,4-Milliarden-Volk sieht sich selbst auf den Schultern der russischen Oktoberevolution, die die erste Bresche in die Phalanx der imperialistischen Irrationalität schlug. Einer der bekanntesten Aussagen Lenins war die, Kommunismus sei Sowjetmacht plus Elektrifizierung. Von der uns nun bedrohenden Klimakatastrophe wusste der Mann noch nichts, aber diese Losung ist von gänsehautfördernder Aktualität.
Denn die Faktenlage liegt ja auf der Hand: Steigt die weltweite Temperatur auf diesem Planeten, die jetzt schon 1,5 Grad über der Durchschnittstemperatur vor der Industrialisierung liegt, weiter an auf vielleicht sogar zwei, drei oder vier Grad über dem vorindustriellen Niveau, würde das Leben nicht nur für zehntausende, sondern für Millionen oder gar Milliarden Menschen in ihrer jetzigen Heimat nicht mehr möglich sein. Also darf die Menschheit ihre Energie nicht mehr aus dem Verbrennen fossiler Energieträger, sondern muss sie aus der klugen Nutzung von Wind- und Sonnenenergie ziehen. »Bei einem Anteil von 80 Prozent an der Versorgung und einer Weltbevölkerung von zehn Milliarden, die etwa auf dem europäischen Wohlstandsniveau lebt, würden dafür Solaranlagen mit einer Leistung von 100 Terrawatt (100.000 Gigawatt) benötigt. (…) Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) waren Ende 2023 insgesamt 1,6 Terrawatt installiert«, war im September letzten Jahres in der jungen Welt zu lesen.
Wie aber soll dieser Sprung von 1,6 auf 100 gelingen, ohne eine Vertiefung, statt der Aufkündigung der Zusammenarbeit aller Völker? Wie soll diese gigantische Elektrifizierung der Welt unter der Drohung von kriegerischen Taten gegen die empfindlichen Netze gelingen? Der Krieg ist die eine drohende Katastrophe, die wir abwenden müssen und werden – um unserer Kinder und Enkelkinder willen. Statt aber auf Kooperation im globalen Maßstab zu setzen, marschiert die Nato weiter an den Grenzen der russischen Föderation und mit ihren Schiffen im chinesischen Meer auf, jagt ihre Rüstungshaushalte auf Kosten der Menschen in ihren eigenen Ländern in die Höhe und faselt von chinesischen »Überkapazitäten« in der Solarindustrie, die es mit allen Mitteln zu bekämpfen gelte, statt die weltweite Bewegung zur Elektrifizierung unserer energetischen Basis gemeinsam mit allen Völkern dieser Welt zu forcieren.
Im September 1917 schrieb der schon erwähnte Lenin seine flammende Schrift mit dem Titel »Die drohende Katastrophe und wie man sie bekämpfen soll«. Am Anfang desselben Jahres saß er noch in Zürich im Exil und teilte mit vielen Gleichgesinnten die bange Frage, ob denn das Versinken der Welt in Blut und Chaos überhaupt noch zu verhindern sei.
Alle gebildeten Menschen dieser Welt – also solche, die sich mit Hegel, Marx und Lenin befasst haben – wissen um diese Geschichte und damit darum, wie dicht häufig die scheinbare Ausweglosigkeit der Lage an einem Ausbruch aus dieser Sackgasse liegt. Angelehnt an diese Schrift Lenins könnte eine heutige Schrift den Titel tragen »Die drohende Doppelkatastrophe und wie man sie bekämpfen soll«. Denn vor einer drohenden Doppelkatastrophe stehen wir heute.
Die eine Katastrophe ist der drohende dritte Weltkrieg. Seine Hauptursache ist die dumpfe Ahnung der unter Führung der USA in der Nato zusammengeschlossenen imperialistischen Länder, dass sie die Möglichkeit, die Welt nach ihren Vorstellungen zu beherrschen, auf Dauer verlieren, wenn sie das gegenwärtige Erstarken des globalen Südens unter der Führung der in den BRICS-Staaten zusammengeschlossenen Milliardenmassen zulassen. Nehmen wir an, es gelänge, den großen Krieg abzuwenden. Dann lauert auf uns gleich der zweite Höllenhund aus dem Andersen-Märchen »Das Feuerzeug«: die Klimakatastrophe.
Die Abwendung beider Katastrophen wird nur gelingen im Kampf gegen den sich im Niedergang befindlichen USA/Nato/EU-Block. Für diejenigen, die in dieser bluttriefenden Festung leben und wirken, mag sich dieser Niedergang wie das Herannahen des jüngsten Tages anfühlen. Aus der Sicht des aufstrebenden globalen Südens, wo man den Geschmack von der Vollendung des antikolonialen Befreiungskampfes auf der Zunge spürt, ist das nicht so. Mehr noch: Wie schon 1917 könnte die List der Geschichte darin bestehen, dass scheinbare Ausweglosigkeit und der sozialistische Ausweg aus der Sackgasse in einer Weise zusammenrücken, den selbst der kluge Lenin damals zwar als einer der ersten, aber doch erst im April 1917 erkannte, als er die Losung ausgab, jetzt die sozialistische Revolution auf die Fahnen zu schreiben. Wir sind noch nicht an einem solchen Punkt, aber wir nähern uns ihm an.