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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Klimakiller Militär

COP 29 Quo vadis? Was nüt­zen all die best­ge­mein­ten Kli­ma­gip­fel, wenn der größ­te Kli­ma­kil­ler, die Ver­schmut­zung der Atmo­sphä­re durch das Mili­tär, wei­ter­hin aus der Dis­kus­si­on aus­ge­schlos­sen bleibt, wie es die USA im Kyo­to-Pro­to­koll 1997 erfolg­reich durch­ge­setzt hat­ten. Ver­ein­zelt ver­öf­fent­li­che Daten des Pen­ta­gon oder ande­rer Nato-Staa­ten zur »Begrü­nung des Mili­tärs« dien­ten eher der Ver­schleie­rung als einer Erhel­lung, wie zum Bei­spiel die Neue Zür­cher Zei­tung im Juli 2022 bemerk­te, denn die kli­ma­ti­schen Aus­wir­kun­gen von Kampf­hand­lun­gen, kon­kret gespro­chen, die völ­ker­rechts­wid­ri­gen »Terror«-Kriege der USA gegen den Irak, Syri­en oder Afgha­ni­stan blie­ben tabu, von den Fol­gen der 2-pro­zen­ti­gen Auf­rü­stung der Nato ganz zu schweigen.

Mili­tär – Kli­ma­kil­ler No.1! Mit die ersten, die Licht in die ver­schwie­ge­ne Dun­kel­heit brach­ten, waren der Bri­te Stuart Par­kin­son, Direk­tor der »Sci­en­tists für Glo­bal Respon­si­bi­li­ty« und Gut­ach­ter für den UN-Aus­schuss IPCC (Inter­go­vern­men­tal Panel on Cli­ma­te Chan­ge) sowie Prof. Neta Craw­ford von der Uni­ver­si­tät Oxford. Kei­ne ein­zel­ne Orga­ni­sa­ti­on, sagt die letzt­ge­nann­te, stößt so vie­le Treib­haus­ga­se pro Jahr aus wie das US-Mili­tär – mehr als Län­der wie Peru oder die Schweiz. Denn ein B-52-Jet ver­braucht pro Stun­de so viel Treib­stoff wie ein durch­schnitt­li­cher Auto­fah­rer in sie­ben Jah­ren. Wohl­ge­merkt: pro Stun­de. Und allein die US-Luft­waf­fe besitzt etwa 80 B-52-Bomber.

Und eine der ersten Stu­di­en, die direk­te und indi­rek­te mili­tä­ri­sche Emis­sio­nen als Fol­ge des impe­ria­li­sti­schen Kriegs »gegen den Ter­ror« auf­deck­te, wur­de von Ben­ja­min Nei­mark, Oli­ver Bel­cher, Kir­sti Ashworth und Reu­ben Lar­bi durch­ge­führt und im Jahr 2022 in dem renom­mier­ten Fach­ma­ga­zin Natu­re ver­öf­fent­licht. Die Autoren unter­such­ten u. a. die Logi­stik­ko­sten und den mas­si­ven Ein­satz von Beton­wän­den durch die US-Streit­kräf­te in Bag­dad in den ersten fünf Jah­ren von Bushs »Ope­ra­ti­on Iraqi Free­dom« (2003 bis 2008), um den CO2-Fuß­ab­druck des Krie­ges zu mes­sen: »Aus öko­lo­gi­scher Sicht gibt es kei­ne »grü­ne« Mili­tär­tech­no­lo­gie.« Die Hun­der­te von Mei­len umfas­sen­de »Mili­ta­ri­sie­rung« (wea­po­ni­zing) von Beton habe einen außer­or­dent­li­chen Koh­len­stoff-Fuß­ab­druck; die­se »blast walls« wur­den auch in Kan­da­har und Kabul (Afgha­ni­stan 2008-2012) errich­tet. Obwohl die­se bei­den Krie­ge nicht die »Frei­heit« brach­ten, sind ihre Aus­wir­kun­gen auf das Kli­ma von Dau­er: So gehört Afgha­ni­stan gemäß der UN-Behör­de OCHA (Office for the Coor­di­na­ti­on of Huma­ni­ta­ri­an Affairs) zu den 10 am höch­sten von Extrem­wet­ter betrof­fe­nen Län­dern, eini­ge Lan­des­tei­le erwär­men sich auf das Dop­pel­te des glo­ba­len Durch­schnitts, zitier­te Prof. Mar­jo­rie Cohn von der Tho­mas Jef­fer­son Uni­ver­si­tät in San Die­go den inter­na­tio­na­len Kli­ma­re­por­ter Somi­ni Sen­gupta aus der New York Times (10.09.2024).

Kli­ma­kil­ler Isra­el. Eine neue Stu­die brach­te nun erschrecken­de Ergeb­nis­se: Der immense Koh­len­stoff-Aus­stoß von zwei Mona­ten Krieg im Gaza bedroht nicht nur die Men­schen in der Regi­on, son­dern ver­bleibt in der Atmo­sphä­re und wirkt sich auf das glo­ba­le Kli­ma aus. Die Autoren stell­ten ihre Arbeit ins Netz, es hat sich wohl kein Ver­lag gefun­den, sie zu ver­öf­fent­li­chen. Ben­ja­min Nei­mark von der Uni­ver­si­tät Lon­don, und Reu­ben Lar­bi von der Uni­ver­si­tät Lan­ca­ster, auf­bau­end auf ihrer Natu­re-Stu­die, unter­such­ten zusam­men mit Patrick Big­ger und Fre­de­rick Otu-Lar­bi den »immensen Effekt der Emis­sio­nen des US-unter­stütz­ten israe­li­schen Geno­zids auf die Kli­ma­kri­se«. Ihre Stu­die, nur eine »mul­ti­tem­po­ra­le Moment­auf­nah­me«, bezog sich nur auf die ersten bei­den Mona­te des Kriegs: »Die den Pla­ne­ten erwär­men­den Emis­sio­nen über­stie­gen den jähr­li­chen Koh­len­di­oxid-Fuß­ab­druck von mehr als 20 der am stärk­sten vom Kli­ma bedroh­ten Län­der der Welt.« Kon­kret: 99 Pro­zent der berech­ne­ten 281.000 metri­sche Ton­nen Kar­bon­di­oxyd resul­tie­ren in etwa je zur Hälf­te aus der Bom­bar­die­rung Gazas durch die israe­li­sche Luft­waf­fe (121.000 tCO2e) und zur ande­ren Hälf­te aus den umfang­rei­chen Fracht­flü­gen der US-Armee mit Mili­tär­gü­tern (133.650 tCO2e). Bom­ben­ab­wür­fe waren mit 6.689 Ton­nen und die israe­li­sche Artil­le­rie mit 13.600 Ton­nen betei­ligt, wäh­rend die Hamas-Rake­ten 713 Ton­nen CO2 in die Luft blie­sen. Für die mili­tä­ri­sche Infra­struk­tur, den Tun­nel­bau der Hamas und den 3 Meter hohen israe­li­schen »Iron Wall«, wur­den zusam­men 450.000 Ton­nen CO2-Emis­sio­nen berech­net, wäh­rend für den Wie­der­auf­bau von 100.000 zer­stör­ter palä­sti­nen­si­scher Gebäu­de in Gaza etwa 30 Mio. t Schad­stoff-Emis­sio­nen geschätzt wer­den, soviel wie Neu­see­land in einem Jahr in die Atmo­sphä­re emittiert.

Die­se – wie die Autoren selbst sagen – noch zu ergän­zen­den und zu erwei­tern­den Unter­su­chun­gen bezie­hen sich wie erwähnt nur auf die ersten bei­den Mona­te. Welch ein Hor­ror, wenn man bedenkt, dass die­ser Krieg wei­ter andau­ert. David Boyd, UN-Bericht­erstat­ter für Men­schen­rech­te und Umwelt bekräf­tig­te: »Die­se For­schung hilft uns, das immense Aus­maß der mili­tä­ri­schen Emis­sio­nen zu ver­ste­hen – von der Kriegs­vor­be­rei­tung über die Kriegs­füh­rung bis hin zum Wie­der­auf­bau nach dem Krieg. Bewaff­ne­te Kon­flik­te trei­ben die Mensch­heit noch näher an den Abgrund der Kli­ma­ka­ta­stro­phe und sind eine idio­ti­sche Art, unser schrump­fen­des Koh­len­stoff­bud­get auszugeben.«

Fol­ge­run­gen? Der Ad-hoc-Cha­rak­ter die­ser Berech­nun­gen ver­deut­licht, wie drin­gend die UN-Kli­ma­rah­men­kon­ven­ti­on zu ergän­zen ist – durch eine obli­ga­to­ri­sche mili­tä­ri­sche Emis­si­ons­be­richt­erstat­tung sowohl für Kriegs- als auch für Frie­dens­zei­ten. Doch auch im Novem­ber in Baku stan­den die Mili­tär­emis­sio­nen nicht auf der Agenda.

Und die­ser wis­sen­schaft­li­che »snapshot« ver­deut­licht auch, wie vor­dring­lich ein Waf­fen­still­stand im Nahen Osten und in der Ukrai­ne ist, nicht nur um der vor Ort über­le­ben­den Men­schen wil­len, son­dern auch hier und über­all, denn – man kann es nicht oft genug wie­der­ho­len – die dort in Luft gespreng­ten Schad­stof­fe wir­ken sich glo­bal aus. Was dem Kli­ma am mei­sten hilft, ist Frie­den – und Abrü­stung auf dem Weg dahin. Auch hier in Deutsch­land. Die sozia­len Bewe­gun­gen fürs Kli­ma und für Frie­den zusam­men kön­nen dafür sor­gen, dass mit jedem Schritt der Abrü­stung weni­ger Schad­stof­fe in die Atmo­sphä­re gebla­sen würden.