Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

(Klima-)Killer SUV

»Plötz­lich ist der Por­sche aus dem ste­hen­den Ver­kehr auf die Gegen­fahr­bahn aus­ge­schert. Er hat dann […] beschleu­nigt. Der Wagen flog wie über eine Sprung­schan­ze, es sah aus wie im Film«, berich­te­ten Augen­zeu­gen. Der zwei Ton­nen schwe­re schwar­ze Wagen knick­te einen Ampel­mast und meh­re Pol­ler um, dreh­te sich in der Luft, durch­brach einen Bau­zaun und blieb zer­fetzt auf dem Grund­stück hin­ter dem Bau­zaun lie­gen. Vier Men­schen star­ben bei dem tra­gi­schen Unfall am 6. Sep­tem­ber in Ber­lin; die Ursa­che ist bis­her nicht geklärt.

Einen Unfall mit vier toten Men­schen zum Anlass zu neh­men, über bestimm­te Mobi­li­täts­for­men zu dis­ku­tie­ren, ist ange­mes­sen und not­wen­dig – zumal Gelän­de­wa­gen schon viel län­ger in der Kri­tik ste­hen, weil sie viel Platz ein­neh­men, extrem kli­ma­schäd­lich sind und bei Unfäl­len zu grö­ße­ren Schä­den füh­ren als klei­ne­re und leich­te­re Fahr­zeu­ge. Jedes Jahr ster­ben über 3000 Men­schen im deut­schen Stra­ßen­ver­kehr – zehn tote Men­schen jeden Tag.

Zunächst: Es geht dar­um, ob sol­che Stadt­pan­zer über­haupt benö­tigt wer­den. Der klein­ste Por­sche der Sor­te, mit dem der Unfall in Ber­lin ver­ur­sacht wur­de, kommt mit 245 PS daher, hat 2000 Kubik­zen­ti­me­ter Hub­raum, ist 1,70 Meter hoch, 4,70 Meter lang und zwei Meter breit, er wiegt fast zwei Ton­nen, beschleu­nigt in sie­ben Sekun­den auf 100 Kilo­me­ter pro Stun­de und fährt 220 Kilo­me­ter pro Stun­de in der Spit­ze. Wie gesagt: der Klein­ste aus die­ser Rei­he. Er ver­braucht min­de­stens zehn Liter Sprit, stößt mit 200 Gramm CO2 pro Kilo­me­ter das Dop­pel­te des Zuläs­si­gen aus und kostet mit ein biss­chen Schnick­schnack eher 100.000 Euro. Die­se Art von über­gro­ßen und über­höh­ten Autos ist das am schnell­sten wach­sen­de Seg­ment – viel­leicht sogar das ein­zi­ge Seg­ment, das gegen­wär­tig wächst. Es ist das Seg­ment, das am inten­siv­sten von der Auto­in­du­strie bewor­ben wird – angeb­lich wegen der Nach­fra­ge, angeb­lich wegen der Sicher­heits­be­dürf­nis­se der Autofahrer/​innen. Aber tat­säch­lich ist es umge­kehrt – klei­ne und spar­sa­me Autos wer­den nicht bewor­ben (und nicht ange­bo­ten), weil sie weni­ger Pro­fit abwer­fen. Es geht weder um Mobi­li­tät noch um angeb­li­che Sicher­heits­be­dürf­nis­se, es geht aus­schließ­lich um Pro­fit. Das ist der Grund, wes­halb die Pro­duk­ti­on des Drei-Liter-Lupo von Volks­wa­gen ersatz­los ein­ge­stellt wurde.

Übri­gens sind zwei Drit­tel aller in Deutsch­land zuge­las­se­nen Pkws deut­scher Her­stel­ler Dienst- bezie­hungs­wei­se Geschäfts­fahr­zeu­ge, die von den Geschäf­te­ma­chern steu­er­min­dernd als Betriebs­ko­sten aus­ge­wie­sen wer­den. Wir zah­len auch noch für der­ar­ti­ge Steuertrickserei!

In den mei­sten Län­dern gibt es gerin­ge­re Höchst­ge­schwin­dig­kei­ten auf Land­stra­ßen als bei uns und ein Tem­po­li­mit auf Auto­bah­nen. Es gibt Län­der, in denen Ober­gren­zen für die Grö­ße von Pkws fest­ge­legt sind (zum Bei­spiel nicht mehr als 1600 Kubik­zen­ti­me­ter). Das sind demo­kra­ti­sche Län­der. Es gibt Län­der und Städ­te – sogar in Deutsch­land –, da gibt es auto­freie Zonen; teils von erheb­li­cher Grö­ße. Die Frei­heit der allein Auto­fah­ren­den wird ein­ge­schränkt, sicher. Gut so. Man darf nicht immer über­all alles. An Rauch­ver­bo­te in Gast­stät­ten, öffent­li­chen Räu­men, auf Bahn­hö­fen haben wir uns auch gewöhnt, ohne sofort von der Ein­schrän­kung der Frei­heit zu spre­chen. Die indi­vi­du­el­le Frei­heit, Unver­nünf­ti­ges zu tun, endet dort, wo ande­re Indi­vi­du­en oder die Gesell­schaft Scha­den neh­men. Es ist nicht erlaubt, ande­re Men­schen in ihrer Gesund­heit einzuschränken.

Das beruht übri­gens auf Ver­ein­ba­run­gen, auf Geset­zen, die sich ändern, stän­dig – sie­he Rauch­ver­bo­te in öffent­li­chen Räu­men, die Ein­rich­tung gro­ßer Fuß­gän­ger­zo­nen in vie­len Städ­ten oder die par­ti­el­le Frei­ga­be von Can­na­bis. Nichts bleibt, wie es ist, alles ver­än­dert sich. Zum Bei­spiel wäre es mög­lich: maxi­mal 100 Kilo­me­ter pro Stun­de auf der Auto­bahn zuzu­las­sen, außer­dem PKWs mit maxi­mal 1,5 Ton­nen Gewicht, maxi­mal 2000 Kubik­zen­ti­me­ter Hub­raum, maxi­mal 130 PS. Könn­te alles poli­tisch durch­ge­setzt wer­den. Auto­freie Sonn­ta­ge, auto­freie Sonn­aben­de und so wei­ter. Unver­zicht­bar aller­dings sind, damit mög­lichst weni­ge Men­schen noch auf Autos ange­wie­sen sind, gute Alter­na­ti­ven zum Auto. Wir brau­chen einen gut aus­ge­bau­ten, bedarfs­ge­recht getak­te­ten öffent­li­chen Per­so­nen­nah­ver­kehr (ÖPNV), preis­wert, bestens fahr­schein­frei – eben­so ein­fach und bequem zu nut­zen wie das bis­her eige­ne Auto. An sol­chen Kon­zep­ten arbei­tet unter ande­rem ein Pro­jekt der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Sozi­al-öko­lo­gi­sche Trans­for­ma­ti­on der (Auto)mobilität

Die Debat­te über eine sozi­al-öko­lo­gi­sche Trans­for­ma­ti­on der (Auto)mobilität nimmt an Fahrt auf. Der Die­sel­skan­dal, das abseh­ba­re Ende des Ver­bren­nungs­mo­tors und die Ent­wick­lun­gen in Rich­tung auto­no­mes Fah­ren haben sie vom Rand ins Zen­trum poli­ti­scher Auf­merk­sam­keit kata­pul­tiert. Einig­keit besteht dar­über, dass sich die fos­si­li­sti­sche Auto­mo­bi­li­tät grund­le­gend ver­än­dern wird. In wel­che Rich­tung die Ver­än­de­run­gen aber füh­ren und wer sie kon­trol­liert, ist umstrit­ten. Vie­le sehen die Zukunft in der Elek­tro-Auto­mo­bi­li­tät, Kon­zern-kon­trol­lier­tem Car­sha­ring und auto­no­mem Fahren.

Der Gesprächs­kreis »Zukunft Auto, Umwelt, Mobi­li­tät« der Rosa-Luxem­burg-Stif­tung möch­te dem­ge­gen­über ein Forum für jene Akteu­re bie­ten, die Wege zu einer grund­le­gen­den sozi­al-öko­lo­gi­schen Trans­for­ma­ti­on der (Auto-)Mobilität erkun­den: weg von erzwun­ge­ner Mobi­li­tät, Auto-domi­nier­ten Städ­ten und der Herr­schaft der Auto­mo­bil­kon­zer­ne, hin zu einem demo­kra­tisch kon­trol­lier­ten Mobi­li­täts­sy­stem, das sozi­al sinn­vol­le Mobi­li­täts­dienst­lei­stun­gen erbringt, gute Arbeits­plät­ze bie­tet, wenig Res­sour­cen ver­braucht und weit­ge­hend emis­si­ons­frei ist. Dafür ist die Zusam­men­ar­beit pro­gres­si­ver ver­kehrs­po­li­ti­scher Initia­ti­ven, Gewerk­schaf­ten, lin­ker Poli­tik und kri­ti­scher Wis­sen­schaft unabdingbar.

Die Tagung »Sozi­al-öko­lo­gi­sche Trans­for­ma­ti­on der (Auto)mobilität« am 22./23. Novem­ber in Ber­lin ist ein Schritt, die­se Zusam­men­ar­beit zu stär­ken und auf dem Weg zu einem ande­ren Mobi­li­täts­sy­stem vor­an­zu­kom­men. Sie beginnt mit einer Luxem­burg-Lec­tu­re von Lu Zhang, Sozio­lo­gin an der Temp­le Uni­ver­si­ty Phil­adel­phia und Autorin des Buches »Arbeits­kämp­fe in Chi­nas Auto­fa­bri­ken« (Man­del­baum-Ver­lag, Wien, 2018), zum The­ma »Glo­ba­le Arbeits­kämp­fe und die Kon­ver­si­on der Auto­mo­bi­li­tät« am Frei­tag­abend. Für Sams­tag ist ein Aus­tausch ver­schie­de­ner umwelt- und ver­kehrs­po­li­ti­scher Akteu­re geplant (Trade Uni­ons for Ener­gy Demo­cra­cy, IG Metall, Chan­ging Cities und ande­re). Anschlie­ßend wird der Ent­wurf eines Mani­fests für eine sozi­al-öko­lo­gi­sche Trans­for­ma­ti­on der (Auto)mobilität zur Dis­kus­si­on gestellt. Ein detail­lier­tes Pro­gramm steht in den näch­sten Tagen zur Ver­fü­gung: https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/8564T/sozial-oekologische-transformation-der-automobilitaet/. Anmel­dung per Mail an stephan@krullonline.de.