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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Kieloben in Kähnsdorf

Erstes Wochen­en­de, an dem die Restau­rants geöff­net haben. Schnell im Bran­den­bur­gi­schen einen Tisch reser­viert, wozu Auf­for­de­rung im Inter­net erging. Spar­gel auf der Ter­ras­se mit Blick auf den Gro­ßen Sedd­in­see. Schon eini­ge Zeit her, dass wir dort saßen, wo damals Man­fred Krug ein­kehr­te. Nicht sei­net­we­gen, son­dern wegen des Beelit­zer Spar­gels waren wir gele­gent­lich in der »Reu­se«. Und wegen des hüb­schen Find­lings­gar­tens am Orts­rand, in wel­chem Kla­mot­ten aus der Umge­bung mit zeit­ge­nös­si­scher Kunst zwi­schen­drin besich­tigt wer­den können.

Ohne Mund­schutz ist das Durch­que­ren des Lokals nicht erlaubt. Drau­ßen kann man die Mas­ke – im Unter­schied zum Per­so­nal – von sich wer­fen. Und noch vor der Bestel­lung auf einem Papier sei­ne Hei­mat­adres­se und die Tele­fon­num­mer notie­ren. Muss eben sein. Wegen der Erreich­bar­keit. Der Koch oder ein Gast kann ja Corona …

Der Him­mel ist blau, wei­ße Wol­ken segeln dahin, in der Volie­re krei­schen die Papa­gei­en. Der Blick geht aufs Was­ser. Und der erschreckt nun wirk­lich. Der Boots­steg endet in der Luft, die Boo­te, die dar­an einst fest­ge­macht waren und auf den Wel­len tanz­ten, lie­gen nun kiel­oben und auf dem Trocke­nen. Ein Tret­boot rostet vor sich hin im Schlick.

Der Kell­ner hin­ter der Mas­ke, ein ziem­lich jun­ger Bur­sche mit Haar­kno­ten am Hin­ter­kopf, sagt, als er hier ange­fan­gen habe, sei er noch vom Steg in den See gesprun­gen. Wo ist das Was­ser hin? Hat’s etwa der Golf­club auf der gegen­über­lie­gen­den Sei­te auf sei­ne Wie­sen reg­nen las­sen, damit sie schön grün blei­ben? Ja und nein, sagt er, die pum­pen nur an die hun­dert­tau­send Kubik­me­ter aus dem See, hat der Club per Exper­ti­se nach­wei­sen las­sen, das sei­en kei­ne zehn Pro­zent von der Jah­res­men­ge, die sonst ent­nom­men wer­de. Macht gera­de mal 3,7 Zen­ti­me­ter beim Pegel aus. Den Rest holen sich die Dür­re und die men­schen­ge­mach­ten Kli­ma­ver­än­de­run­gen. Seit 2018 zieht sich der See zurück, inzwi­schen an die drei­ßig Meter. Hit­ze, Ver­dun­stung, kaum Regen …

Vor Jah­ren sah ich ver­stö­ren­de Bil­der vom Aral-See. Frü­her so groß wie Bay­ern und der viert­größ­te Bin­nen­see der Welt, inzwi­schen bedeck­te er nur noch die hal­be Flä­che. Der Pegel war um fast zwan­zig Meter gesun­ken. Exper­ten kom­men­tier­ten, es han­de­le sich um eine der größ­ten men­schen­ge­mach­ten öko­lo­gi­schen Kata­stro­phen welt­weit. Das war irgend­wo in Mit­tel­asi­en, also weit weg.

Nun nicht mehr.

Außer Coro­na gibt es noch ande­re Pro­ble­me. Weiterhin.