Pedro Sánchez, der stets links blinkt, um rechts zu überholen, bekam auch am 10. November wieder einmal keine absolute Mehrheit im spanischen Parlament. Seine Partido Socialista Obrero Español (PSOE) erlangte von den 350 Sitzen nur 120. Mit der Neuwahl wollte der politische Narziss nicht weiter auf die Linksstimmen von Unidas Podemos, aber vor allem nicht auf die Stimmen der katalanischen Parteien angewiesen sein. Diese Parteien hatten es aber Sánchez im Juni 2018 ermöglicht, einen Misstrauensantrag gegen die von Mariano Rajoy geführte Regierung und seine Partido Popular (PP) zu gewinnen. Bereits im April 2019 wollte Sánchez mit der Ciudadanos regieren, hätte sogar mit diesem Bündnis eine stabile Mehrheit gehabt. Nur der Wunschpartner verweigerte sich.
Die Wahl im November brachte im spanischen Parteienspektrum eine deutliche Verschiebung. Die PSOE verlor drei Sitze und die Linkspartei Unidos Popular sieben. Der große Verlierer aber, mit dem Sánchez im Frühjahr noch eine Koalition beginnen wollte, ist die rechtsliberale Ciudadanos – sie muss auf 47 ihrer zuvor 57 Mandate verzichten. Nach der Wahlniederlage trat ihr Vorsitzender Albert Rivera sofort zurück, legte auch sein Mandat als Abgeordneter nieder und verkündete seinen Rückzug aus der Politik.
Die PP konnte in der Wählergunst zulegen und entsendet jetzt 89 Abgeordnete ins Parlament. Der große Gewinner aber ist die profaschistische VOX, die 28 Sitze hinzugewann und nun mit 52 Abgeordneten im Parlament vertreten ist. Damit ist sie drittstärkste Partei.
Der Aufstieg der VOX nahm den Anfang bei den vorgezogenen Regionalwahlen in Andalusien am 2. Dezember 2018, bei der linke Parteien ihre seit 1982 bestehende Mehrheit verloren. Mit zwölf Abgeordneten zog VOX ins andalusische Parlament in Sevilla ein und ist seitdem an der bürgerlichen Regierung von PP und Ciudadanos beteiligt. Inzwischen ist die Partei in Regional- und Kommunalparlamenten vertreten, auch im Europäischen Parlament. Die Eskalation des Katalonienkonflikts, der gewaltsame Protest nach der Verurteilung der zwölf Sezessionisten wie zu Franco-Zeiten, aber auch die Umbettung des Diktators Franco brachten VOX Wählerstimmen. So wurde der Ruf auf der VOX-Wahlparty »Puigdemont ins Gefängnis« zum Slogan der Wahlfeier.
Im spanischen Parlament sind aktuell 15 Parteien vertreten, haben 120 Sitze oder auch nur einen.
Zwei Tage nach der Parlamentswahl im November vollzog Pedro Sánchez eine Kehrtwende: Er will nun doch mit Unidas Podemos (UP) koalieren. Was über sechs Monate lang nicht ging, war plötzlich binnen 48 Stunden möglich. Völlig überraschend einigten sich am 12. November der amtierende spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez und Pablo Iglesias, Generalsekretär der UP, auf einen vorläufigen Koalitionsvertrag. Vor den Fernsehkameras von TVE1, Telecinco, Antena 3, Televisión de Catalunya – TV3 und LaSexta umarmten sich die neuen Verbündeten, die noch vor kurzem ihre Feindschaft offen – auch im Fernsehen – zur Schau stellten. Der Sinneswandel ist vor allem eine Kampfansage gegen die rechtsextreme VOX. Für Pablo Iglesias ist angesichts des VOX-Vormarsches die Zusammenarbeit der progressiven Kräfte eine historische Notwendigkeit. Im Koalitionsvertrag sollen mehrere Ministerien für Unidas Podemos vorgesehen sein, für Iglesias die Funktion des Vizepräsidenten.
Pedro Sánchez kündigte an, dass er in den nächsten Tagen für seine Wiederwahl zum Ministerpräsidenten Unterstützung bei weiteren Parteien suchen werde. Die Sozialisten bringen es mit UP derzeit auf 155 der 350 Sitze im spanischen Parlament, doch die Koalition kann auch auf die neue Linkspartei Más País (drei Abgeordnete) und die gemäßigten Nationalisten von der PNV im Baskenland (sieben Abgeordnete) zählen. Ob Ciudadanos dabei ist, wird sich zeigen. Deren zehn Abgeordnete weigern sich bislang, ihr Veto gegen eine Linksregierung aufzuheben. Es gibt noch Linksparteien in Katalonien und im Baskenland, die sich zu einer Linksregierung bekennen könnten.
Opposition und Wirtschaftskreise kritisieren derweil den vorläufigen Koalitionsvertrag. Der Vorsitzende der Partido Popular, Pablo Casado, bedauert, dass sich Pedro Sánchez für eine Koalition mit einer radikalen Partei entschieden habe. Der spanische Arbeitgeberverband CEOE bläst ins gleiche Horn, eine Linksregierung sei kontraproduktiv für die Wirtschaft.
Abwarten: Am 3. Dezember wird sich Pedro Sánchez als Ministerpräsident zur Wahl stellen.