Wenn man sich so manches Profil in den Sozialen Netzwerken ansieht, etwa bei X oder auf Instagram, dann wird man fast geblendet vom Nationalstolz des Users oder der Userin. Das drückt sich nicht nur in kurzen Statements wie »stolzer Deutscher« oder »#Bozkurts« aus, sondern vor allem darin, dass es von Nationalflaggen im Profil nur so wimmelt. Davon mag man geschmacklich halten, was man will. Mich stört dieser nationale Eifer aber vor allem deshalb, weil er Ab- und Ausgrenzung unter den Menschen fördert. Wir brauchen in dieser krisengebeutelten Zeit jedoch genau das Gegenteil. Wir brauchen mehr Zusammenhalt und Solidarität – auch über Ländergrenzen hinweg. Das gilt umso mehr, als aktuell die Konflikte zwischen Nationalstaaten zunehmen. Es ist wenig hilfreich, sich das Freund-Feind-Schema direkt ins Social-Media-Profil zu laden. Kurzum: Dieser Flaggenwirbel wirkt aufdringlich. Genauso aufdringlich wie AfD-Politiker Björn Höcke, wenn er seine Deutschlandflagge in der Talkshow herausholt.
Mein Wunsch an all die Nationalstaatler in den Sozialen Netzwerken lautet daher: Weg mit den Flaggen. Schluss mit Abgrenzung und übertriebenem Nationalstolz auf Social Media. Das würde die Atmosphäre und hoffentlich auch den Diskurs verbessern.
Doch damit nicht genug. Wenn man schon – Stichwort: Keine Flagge zeigen – kritisch über die Verwendung von Nationalflaggen nachdenkt, sollte man auch den strafrechtlichen Schutz dieser Flaggen und damit insbesondere Paragraf 104 des Strafgesetzbuches in die Überlegungen einbeziehen. Der Paragraf wurde 2020 geändert und dient – laut Gesetzgeber – dem Schutz gleich zweier Rechtsgüter: dem Ansehen ausländischer Staaten und den deutschen Interessen an guten Beziehungen zu ebendiesen Staaten. Kritisch dabei ist: Durch die Änderung im Jahr 2020 wurde seine Reichweite mit Blick auf den Schutz von Flaggen ausländischer Staaten zwar vergrößert, gleichzeitig aber die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Nach Paragraf 104 Absatz 1 Satz 2 des Strafgesetzbuches wird nunmehr bestraft, »wer öffentlich die Flagge eines ausländischen Staates zerstört oder beschädigt und dadurch verunglimpft«. Der Rechtsanwalt Mayeul Hiéramente schrieb dazu Folgendes: »Der Gesetzgeber hat mit § 104 Abs. 1 S. 2 StGB einen verfassungsrechtlich zweifelhaften Tatbestand geschaffen.« Recht hat er. Denn machen wir uns nichts vor: So besteht die Gefahr, dass auch nonverbale Kritik an einem Staat und damit eine Form des politischen Protests, etwa gegen eine Diktatur, kriminalisiert wird. Das ist bedenklich.