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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Kein Staatsgeld mehr für die Kirche?

Wenn man Men­schen – ganz gleich, ob gläu­big oder ungläu­big – ver­sucht, die soge­nann­ten »Staats­lei­stun­gen« an die Kir­chen zu erklä­ren, trifft man auf Kopf­schüt­teln. Kaum jemand weiß davon. Es geht dabei nicht um staat­li­che Zah­lun­gen, etwa für den Betrieb von Kin­der­gär­ten, Kran­ken­häu­sern, Pfle­ge- und Senio­ren­hei­men, die ohne­hin fast voll­stän­dig von öffent­li­chen Haus­hal­ten (also von allen Steu­er­zah­len) an Cari­tas oder Dia­ko­nie gelei­stet wer­den. Nein, die Kir­chen bekom­men das Geld als – salopp for­mu­liert – »Aus­gleich­zah­lun­gen« auf­grund der Säkularisation

Anfang des 19. Jahr­hun­derts. Zur Zeit der napo­leo­ni­schen Krie­ge wur­den die geist­li­chen Ter­ri­to­ri­en und Kir­chen­gü­ter des »Hei­li­gen Römi­schen Reichs« säku­la­ri­siert, das heißt, sie wur­den der Hoheit der welt­li­chen Lan­des­für­sten unter­stellt. Der Staat ver­pflich­te­te sich im Gegen­zug gegen­über den Kir­chen dazu, sie für ihre Ver­lu­ste zu ent­schä­di­gen. Kon­kret zah­len alle Bun­des­län­der – mit Aus­nah­me von Ham­burg und Bre­men – damit etwa teil­wei­se Gehäl­ter des Kle­rus, dar­un­ter von Bischö­fen und Pfar­rern. Gro­ße Antei­le gehen in soge­nann­te »Bau-Dota­tio­nen«, also Gel­der für den Erhalt von Kirchen.

Dabei wur­de schon vor gut hun­dert Jah­ren in die Wei­ma­rer Reichs­ver­fas­sung die Pflicht auf­ge­nom­men, die­se Lei­stun­gen abzu­lö­sen. Das Grund­ge­setz über­nahm die­se Vor­ga­be in Arti­kel 140. Doch bis heu­te ist nichts pas­siert. Der Staat zahlt, die Kir­che kas­siert. Ein per­ma­nen­ter Ver­fas­sungs­bruch. Und so erhal­ten die bei­den gro­ßen Kir­chen in Deutsch­land jedes Jahr Hun­der­te Mil­lio­nen Euro vom Staat. Rund 618 Mil­lio­nen Euro waren es zuletzt. Auch die­je­ni­gen Steu­er­zah­ler zah­len für die Kir­chen, die nichts damit zu tun haben – und das wer­den Jahr für Jahr mehr. Im ver­gan­ge­nen Jahr tra­ten allein aus der katho­li­schen Kir­che rund 402.000 Men­schen aus, die evan­ge­li­sche Kir­che ver­lor 2023 mehr als 380.000 Mit­glie­der. Immer weni­ger Mit­glie­der, den­noch kon­stan­te Ein­nah­men. Ver­gli­chen mit den Ein­nah­men der Kir­che aus der Kir­chen­steu­er – rund 6,52 Mil­li­ar­den Euro im Jahr 2023 – sind die »Staats­lei­stun­gen« nur eine Neben­ein­kunft der Kirche.

Doch damit soll es nun ein Ende haben. Eine inter­frak­tio­nel­le Fach­grup­pe von SPD, FDP und Grü­nen arbei­tet einem Bericht der Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Zei­tung zufol­ge an einem Gesetz­ent­wurf, um die Staats­lei­stun­gen an die Kir­chen zu been­den. Im Herbst soll – wie 2021 im Koali­ti­ons­ver­trag ver­ein­bart – nun end­lich ein Gesetz­ent­wurf vor­ge­legt wer­den. »Es geht dar­um, die finan­zi­el­len Ver­flech­tun­gen zwi­schen dem Staat und den Kir­chen zu kap­pen«, sagt der reli­gi­ons­po­li­ti­sche Spre­cher der SPD-Bun­des­tags­frak­ti­on, Lars Castel­luc­ci, der FAZ. Die Län­der soll­ten selbst wäh­len, ob sie den Kir­chen Geld zah­len wol­len, oder ihnen Grund­stücke, Wald oder Wert­pa­pie­re über­trü­gen. Doch die Län­der leh­nen das Vor­ha­ben rund­um ab.

»Es wäre dem deut­schen Staats­auf­bau ange­mes­se­ner, ein zustim­mungs­pflich­ti­ges Gesetz vor­zu­le­gen«, lässt der Chef der Staats­kanz­lei in Sach­sen-Anhalt, Rai­ner Robra, eben­falls in der FAZ ver­laut­ba­ren und warnt vor einem Allein­gang auf Bun­des­ebe­ne. »Ange­sichts der knap­pen Kas­sen wäre es klü­ger, die Ablö­sung der Staats­lei­stun­gen wei­ter zurück­zu­stel­len«, rät der CDU-Poli­ti­ker, denn die­ses eher vage Bun­des­ge­setz käme zur »Unzeit«. Aus sei­ner Par­tei kommt noch ein ande­rer Vor­schlag. Gün­ter Krings, der rechts­po­li­ti­sche Spre­cher der Uni­ons­frak­ti­on im Bun­des­tag, möch­te dem­nach nicht die Staats­lei­stun­gen, son­dern statt­des­sen die ent­spre­chen­de Vor­ga­be aus dem Grund­ge­setz zu strei­chen. Er ist der Mei­nung, dass sich »das Staat-Kir­che-Ver­hält­nis seit 1919 auch ohne Ablö­sung der Staats­lei­stun­gen gut ein­ge­spielt« habe. Daher stel­le sich die Fra­ge, ob der Ver­fas­sungs­auf­trag noch zeit­ge­mäß sei und durch eine Ände­rung des Grund­ge­set­zes nicht abge­schafft wer­den könne.

Gut ein­ge­spielt? Hier spricht ein Kir­chen-Lob­by­ist. Krings ist evan­ge­lisch und enga­giert sich zum Bei­spiel im Evan­ge­li­schen Arbeits­kreis der CDU, auch ist er Mit­glied der Kreis­syn­ode Glad­bach-Neuss. Sein Cre­do: Alles so las­sen, wie es ist.

Seit dem Inkraft­tre­ten des Grund­ge­set­zes erge­ben sich kumu­liert Zah­lun­gen an die Kir­chen von weit über 20 Mil­li­ar­den Euro. Hin­zu kom­men voll­stän­di­ge staat­li­che Zah­lun­gen für kirch­li­che Trä­ger­schaf­ten von Kran­ken­häu­sern, Kin­der­gär­ten und Pfle­ge­ein­rich­tun­gen. Auch für Restau­rie­run­gen kirch­li­cher Immo­bi­li­en sowie für den Denk­mal­schutz kommt Geld aus der Staats­kas­se. Dar­über hin­aus genie­ßen die Kir­chen umfang­rei­che Steu­er- und Abga­ben­pri­vi­le­gi­en. Mit einem soli­den Finanz­pol­ster, das die gesetz­li­che Kir­chen­steu­er den Kir­chen garan­tiert, dür­fen die Glau­bens­ver­wal­ter auch in Zukunft rech­nen – trotz rasan­tem Mitglieder-Schwund.

Die jähr­li­chen mil­lio­nen­schwe­ren Aus­gleichs­zah­lun­gen – eine end­lo­se Geschich­te. Eine frag­wür­di­ge Alli­anz von Staat und Kir­che, die aus der Zeit gefal­len ist. Kle­ri­ka­le Besitz­stand­wah­rer und ihre poli­ti­schen Ver­bün­de­ten wol­len dar­an fest­hal­ten. Die Ampel-Regie­rung soll­te dem per­ma­nen­ten Ver­fas­sungs­bruch ein Ende set­zen. Es ist überfällig.

Vom Autor erscheint dem­nächst: HEIMATKUNDE. Fal­sche Wahr­hei­ten. Rich­ti­ge Lügen, Edi­ti­on Faust, Frankfurt.