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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Kein Frieden mit der AfD

»Seht ihn hier reden von der Zei­ten­wen­de. /​ ’s ist Sozia­lis­mus, was er euch ver­spricht. /​ Doch hin­ter ihm, seht Wer­ke eurer Hän­de: /​ Gro­ße Kano­nen, stumm auf euch gericht’.« Die­ser Vier­zei­ler von Bert Brecht steht in sei­ner »Kriegs­fi­bel«, und zwar unter einem Foto vom 10. Dezem­ber 1940 mit Reichs­kanz­ler Adolf Hit­ler als Red­ner in einem Krupp-Werk. Er spricht zu den Arbei­tern. Kei­ne Geheimrede.

An eine Geheim­re­de muss erin­nert wer­den, die Hit­ler am 10. Novem­ber 1938 vor Chef­re­dak­teu­ren der Inlands­pres­se gehal­ten hat: »Die Umstän­de haben mich gezwun­gen, jahr­zehn­te­lang fast nur vom Frie­den zu reden. Nur unter der fort­ge­setz­ten Beto­nung des deut­schen Frie­dens­wil­lens und der Frie­dens­ab­sich­ten war es mir mög­lich, dem deut­schen Volk Stück für Stück die Frei­heit zu errin­gen und ihm die Rüstung zu geben, die immer wie­der für den näch­sten Schritt not­wen­dig war.« Gemeint waren die Erobe­run­gen ohne krie­ge­ri­sche Gewalt, die Wie­der­ge­win­nung des Saar­lan­des, Öster­reich, der Anschluss der sude­ten­deut­schen Gebie­te und dann der Rest-ČSR. Noch heu­te lie­ben es die Rech­ten, den »Frie­dens­wil­len« zu betonen.

Schon im Febru­ar 1933 gab es zwei wich­ti­ge Geheim­re­den Hit­lers, am 3. und 20. des Monats. Den Gene­rä­len wur­de Krieg ver­spro­chen, den Wirt­schafts­bos­sen auch – durch Hoch­rü­stung, durch Wehr­pflicht, Zwangs­dien­ste. Die Gene­rä­le brach­ten ein Kon­zept mit: In sechs Jah­ren hoch­ge­rü­stet und kriegs­be­reit zu sein. Die Kon­zern­her­ren brach­ten das Geld mit, das pro­fi­ta­bel ange­legt war. Und nach fünf­ein­halb Jah­ren dann die Geheim­re­de vor den Chef­re­dak­teu­ren. Der Krieg begann neun Mona­te darauf.

Das war die Zei­ten­wen­de. Dazu hat­ten auch wir eine Rede »unse­res« Kanz­lers. Sie wur­de kurz nach dem rus­si­schen Kriegs­be­ginn vom 24. Febru­ar 2022 im Bun­des­tag gehal­ten. Es wur­de kein Sozia­lis­mus ver­spro­chen, son­dern eine »wer­te­ba­sier­te Welt­ord­nung«. Die Wer­te wel­cher Klas­se? Die Rüstungs­kon­zer­ne jeden­falls waren begei­stert. Einer ihrer Lob­by­isten ist der SPD-Vor­sit­zen­de Lars Kling­beil mit Wahl­kreis in der Regi­on, in der Rhein­me­tall Waf­fen pro­du­ziert. Er ver­lang­te: »Nach knapp 80 Jah­ren der Zurück­hal­tung habe Deutsch­land heu­te eine neue Rol­le«, die dar­in bestehe, eine auch mili­tä­ri­sche »Füh­rungs­macht« zu sein. Mit Russ­land sei kein Frie­den möglich.

Die ärme­re Mehr­heit der Bevöl­ke­rung ist nicht begei­stert von die­ser Zei­ten­wen­de. Sie hat zu zah­len für den Krieg, für Infla­ti­on. Die Kano­nen sind wie­der »auf euch gericht‘«.

Gegen die Poli­tik der Ampel befin­den sich die Par­tei Die Lin­ke und die AfD in Oppo­si­ti­on. Doch nur die AfD wird zumeist als »Frie­dens­par­tei« wahr­ge­nom­men. Völ­lig zu Unrecht. Die AfD-Bun­des­tags­frak­ti­on hat jetzt laut jun­ge Frei­heit klar­ge­stellt: »Wir ste­hen fest an der Sei­te unse­rer Bun­des­wehr und set­zen uns dafür ein, sie zu stär­ken.« Man habe sich nicht ein­sei­tig auf die Sei­te Russ­lands geschla­gen, son­dern ver­tre­te »deut­sche Inter­es­sen«. Die gewal­ti­gen Zah­lun­gen für die Rüstung wer­den von der AfD unter­stützt, die Wie­der­ein­füh­rung der Wehr­pflicht wird geplant. Der Mili­ta­ris­mus schrei­tet mit die­ser AfD voran.

Der ein­deu­tig auf Nazi­li­nie lie­gen­de Freund der AfD Jür­gen Elsäs­ser äußert sich zu den »deut­schen Inter­es­sen« – er nennt sie »Selbst­be­frei­ung der Deut­schen« – in sei­ner Zeit­schrift Com­pact ganz offen: »Mit jedem Kilo­me­ter, den die rus­si­schen Trup­pen nach Westen vor­rücken, wird Uncle Sam schwä­cher – und damit sei­ne Besat­zungs­herr­schaft über die BRD. Ver­lie­ren die Amis Kiew, müs­sen sie auch aus Ber­lin und Ram­stein abziehen.«

Trotz der ein­deu­ti­gen krie­ge­ri­schen Hal­tung der Ultra­rech­ten wie AfD und Tei­len der Par­tei »die­Ba­sis« – einer Par­tei mit anti­jü­disch-anti­ame­ri­ka­ni­schen Posi­tio­nen, die im Imp­fen laut Spie­gel die »größ­te Gefahr für die Mensch­heit« sieht – sehen man­che Lin­ke in den rech­ten Par­tei­for­ma­tio­nen eine Frie­dens­be­we­gung mit einer gro­ßen Anhän­ger­schaft, die man gewin­nen müs­se. So man­cher sagt: Wer AfD wählt, ist nicht allein dadurch schon ein Nazi, son­dern viel­leicht sogar auch ein Friedensfreund.

In Umfra­gen liegt die AfD bei 17 Pro­zent (in Ost­deutsch­land bei 26). Doch gin­ge es den Wäh­lern der AfD um den Frie­den, soll­ten sie doch eher die Par­tei Die Lin­ke wäh­len, wenn die auch wenig frie­dens­kämp­fe­risch agiert. Das Haupt­mo­tiv der AfD-Wäh­ler scheint die frem­den­feind­li­che Aus­rich­tung der Ultra­rech­ten zu sein. Die Kämp­fer gegen Flücht­lings­un­ter­künf­te wer­den zahl­rei­cher und ihre Aktio­nen hef­ti­ger. Und das sind gewiss kei­ne Friedensaktionen.

Die Wäh­ler der Nazis 1933 woll­ten sicher­lich auch weni­ger einen Nazis­mus und kei­nen Krieg. Ihnen gefiel der anti­ka­pi­ta­li­sti­sche Anti­se­mi­tis­mus, das Ver­spre­chen für Arbeits­plät­ze, und die Frie­dens­re­den des »Füh­rers« kamen gut an. Sie woll­ten wie die AfD-Wäh­ler heu­te kei­nen Krieg. Jene, die heu­te die AfD wäh­len, wol­len auch kei­nen Krieg, sind zwar Unter­stüt­zer von Frem­den­feind­lich­keit, gar von Ras­sis­mus, aber nicht im jedem Fall Nazis. Sie ken­nen das Mili­tär­pro­gramm der AfD nicht. Sie fin­den die Behaup­tun­gen der AfD über den Krieg aktu­ell gut und die Aus­sa­gen gegen die Migran­ten ohnehin.

Und so wäh­len sie Weg­be­rei­ter der Nazis und haben in Höcke einen Nazi­füh­rer, der die »Lebens­glut, die sich unter vier­zig Jah­ren kom­mu­ni­sti­scher Bevor­mun­dung erhal­ten hat und der auch der schar­fe Wind des nach­fol­gen­den kapi­ta­li­sti­schen Umbaus nichts anha­ben konn­te, wie­der als ein leben­di­ges Feu­er her­vor­schla­gen las­sen« will.

Der Schlei­er der Fried­fer­tig­keit der AfD wirkt in Tei­len der Öffent­lich­keit. Wir müs­sen ihn wegreißen.

Es ist fahr­läs­sig zu sagen: Die Wäh­ler der AfD sind eher harm­los. Es ist gefähr­lich zu sagen, die Frie­dens­be­we­gung müs­se sich den Rech­ten öff­nen, dann wer­de sie wach­sen. Wach­sen wer­den die Mili­ta­ri­sten und Ras­si­sten. Es war ein Feh­ler der Frie­dens­be­we­gung, sich zu stark auf den Punkt der Bekämp­fung des Mili­ta­ris­mus zu kon­zen­trie­ren und dabei wei­te­re Erfor­der­nis­se, wie das Wir­ken gegen die Frem­den­feind­lich­keit und den Ras­sis­mus, zu ver­nach­läs­si­gen und bei­spiels­wei­se die Soli­da­ri­tät mit den im Mit­tel­meer vom Ertrin­ken bedroh­ten Men­schen kaum noch zu the­ma­ti­sie­ren. Es war ein Feh­ler der Anti­fa­schi­sten, die Frie­dens­be­we­gung zu ver­nach­läs­si­gen. »Auf­ste­hen gegen Ras­sis­mus« ist eine gute Bewe­gung, die viel bewirkt hat. Auf­ste­hen gegen den Krieg muss hin­zu­kom­men – und Auf­ste­hen fürs Kli­ma ohne­hin. Quer­fron­ten hin zu AfD und »die­Ba­sis« wie sie in Unse­re Zeit und sogar auf Frie­dens­rat­schlä­gen befür­wor­tet wur­den, müs­sen tabu bleiben.

»Nie wie­der Faschis­mus, nie wie­der Krieg« muss die gemein­sa­me Losung sein und bleiben.

Die VVN-BdA star­tet eine Kam­pa­gne: Höcke ist ein Nazi. Und die­ser Höcke strebt an die Spit­ze der AfD. Von einem Miss­erfolg in die­sem Stre­ben ist nicht aus­zu­ge­hen. Vie­le Men­schen in Ost­deutsch­land stär­ken die Höcke-AfD. Man muss ihnen end­lich klar machen, was das bedeutet.

Die anti­fa­schi­sti­schen Per­sön­lich­kei­ten in West und beson­ders in Ost soll­ten sich auf­raf­fen unmiss­ver­ständ­lich zu sagen: Leu­te, lasst die Fin­ger von der AfD. Nur dann unter­nehmt ihr etwas für den Frie­den und fürs Sozia­le, wenn ihr die­se Par­tei stoppt.