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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Kein Durchgang nirgends

Das Schlimm­ste nicht, aber schlimm genug, ist das, was sich Pre­mie­ren­fei­er nennt. Nach dem Stück gibt es kurz ein gro­ßes Gedrän­gel an Bar und Würst­chen­stand, der Vor­rat ist begrenzt, ein paar Wor­te, und dann beginnt die Bumm-Bumm-Musik. Spä­te­stens dann kann man das Hör­ge­rät abschal­ten, weil kei­ne sinn­vol­le Unter­hal­tung mehr mög­lich ist. Nun, der Inten­dant weiß war­um: Die Leu­te haben ohne­hin nichts zu sagen, und über das Stück ist alles schnell gesagt. Man kann es nicht emp­feh­len, auch, wenn es ein paar erhel­len­de Sät­ze über das Thea­ter unse­rer Zeit ent­hält. Aber jeder sich bil­den­de Gedan­ke nach einem klu­gen Satz wird durch das anschlie­ßen­de Spek­ta­kel schnel­ler als jede Kip­pe zer­tre­ten. Die Schau­spie­ler, die zit­tern und ren­nen, als stün­den sie vor Selenskis Aus­he­bungs­be­hör­de, kom­men auch nach dem Ende nicht zur Ruhe, sie kas­pern auch wäh­rend des übli­chen Bei­falls weiter.

Das Stück nennt sich »Das Por­tal« und ihm zugrun­de liegt die net­te Idee: ein Stück über das Thea­ter selbst. Regie und Büh­ne ver­ant­wor­tet der etwas über­schätz­te Her­bert Frit­sch, der die Fri­sche ver­gan­ge­ner Stücke ins Abge­stan­de­ne ver­län­gert, wie auch die eine oder ande­re Fol­lo­we­rin (in Berlin).

Soll man schrei­ben, dass wenn man nichts mehr zum Sagen hat, spricht man über sich selbst? Das wäre in Stutt­gart sicher­lich nicht ganz falsch. (Wo schwarz-grü­ne Fäul­nis über der Stadt liegt und sich tief in den Boden ein­ge­fres­sen hat.)

Was sind das für Leu­te, die das alles klag­los über sich erge­hen las­sen, »die sich selbst die­se Zeit noch ver­trei­ben müs­sen, da selbst die­se Zeit ver­säumt hat, sie zu ver­trei­ben«, sie blei­ben ein­fach und machen wei­ter, wei­ter, weiter.

Wenn Spre­chen und Den­ken, wie Karl Kraus meint, eins sind, dann sehen wir hier ein per­ma­nent sabo­tier­ten Gedan­ken­fluss, mal ein biss­chen rea­li­stisch, »natu­ra­li­stisch« (es don­nert, dann don­nert es auch usw.), dann wil­des Geschrei und Zucken, wie man es sich nur bei schwerst Anfalls­kran­ken vor­stel­len kann.

Ich schlie­ße mit dem »tief­sten Kom­pa­ra­tiv von Leid, vor dem alle Kriegs­ly­rik ver­geht: »‘s ist lei­der Krieg …« (Karl Kraus: Die Sprache)

Das Por­tal von Nils-Mom­me Stock­mann, Regie Her­bert Frit­sch, Schau­spiel Stutt­gart, Pre­mie­re 19.1.24.