Das Schlimmste nicht, aber schlimm genug, ist das, was sich Premierenfeier nennt. Nach dem Stück gibt es kurz ein großes Gedrängel an Bar und Würstchenstand, der Vorrat ist begrenzt, ein paar Worte, und dann beginnt die Bumm-Bumm-Musik. Spätestens dann kann man das Hörgerät abschalten, weil keine sinnvolle Unterhaltung mehr möglich ist. Nun, der Intendant weiß warum: Die Leute haben ohnehin nichts zu sagen, und über das Stück ist alles schnell gesagt. Man kann es nicht empfehlen, auch, wenn es ein paar erhellende Sätze über das Theater unserer Zeit enthält. Aber jeder sich bildende Gedanke nach einem klugen Satz wird durch das anschließende Spektakel schneller als jede Kippe zertreten. Die Schauspieler, die zittern und rennen, als stünden sie vor Selenskis Aushebungsbehörde, kommen auch nach dem Ende nicht zur Ruhe, sie kaspern auch während des üblichen Beifalls weiter.
Das Stück nennt sich »Das Portal« und ihm zugrunde liegt die nette Idee: ein Stück über das Theater selbst. Regie und Bühne verantwortet der etwas überschätzte Herbert Fritsch, der die Frische vergangener Stücke ins Abgestandene verlängert, wie auch die eine oder andere Followerin (in Berlin).
Soll man schreiben, dass wenn man nichts mehr zum Sagen hat, spricht man über sich selbst? Das wäre in Stuttgart sicherlich nicht ganz falsch. (Wo schwarz-grüne Fäulnis über der Stadt liegt und sich tief in den Boden eingefressen hat.)
Was sind das für Leute, die das alles klaglos über sich ergehen lassen, »die sich selbst diese Zeit noch vertreiben müssen, da selbst diese Zeit versäumt hat, sie zu vertreiben«, sie bleiben einfach und machen weiter, weiter, weiter.
Wenn Sprechen und Denken, wie Karl Kraus meint, eins sind, dann sehen wir hier ein permanent sabotierten Gedankenfluss, mal ein bisschen realistisch, »naturalistisch« (es donnert, dann donnert es auch usw.), dann wildes Geschrei und Zucken, wie man es sich nur bei schwerst Anfallskranken vorstellen kann.
Ich schließe mit dem »tiefsten Komparativ von Leid, vor dem alle Kriegslyrik vergeht: »‘s ist leider Krieg …« (Karl Kraus: Die Sprache)
Das Portal von Nils-Momme Stockmann, Regie Herbert Fritsch, Schauspiel Stuttgart, Premiere 19.1.24.