Ende Januar wurde in Mettmann, einer kleinen Stadt zwischen Düsseldorf und Wuppertal, von Gunter Demnig vor einem Haus in der Gruitenerstraße einer seiner Stolpersteine verlegt, der dreiundzwanzigste in dieser Stadt. Er habe inzwischen in 26 Ländern 91.000 solcher Gedächtnissteine verlegt. Diesmal war es ein Stein für Karl Vögtel, einen 1902 geborenen KPD-Genossen, der nach Buchenwald verschleppt worden war, das Lager überlebte und in dem Haus in Mettmann nach 1945 bis zu seinem Tod 1972 gelebt hat. Es kamen neben der Bürgermeisterin auch Repräsentanten der Initiative »Kinder des Widerstandes« (kinder-des-widerstandes.de). Das Besondere an dieser Ehrung: Die Enkelin Karl Vögtels, Katinka Poensgen, war aus Frankfurt angereist, um von ihren Recherchen zum Leben ihres Großvaters zu erzählen, mit dem sie als Kind noch manche Spaziergänge unternommen hatte. Poensgen stellte eine 89 Seiten starke Broschüre vor, mit zahlreichen Fotos und in sehr ansprechender Aufmachung. Mit dabei: die Regionalgruppe Rhein-Ruhr des Netzwerks »Lebenslaute«, die die Veranstaltung bei nasskaltem Winterwetter musikalisch umrahmte. Sie sangen »Unsterbliche Opfer«, eine russische Trauerhymne von Ikonnikow, sowie das Buchenwald-Lied.
Wie kann, wie soll man ein solches Lied heute singen? Die Gruppe von »Lebenslaute« hatte sich entschlossen, das Tempo nicht zu marschmäßig zu nehmen und die Stimmen zu dämpfen, um der Trauer über das Schreckliche Ausdruck zu verleihen.
Karl Vögtel stammte aus Mannheim, wo er das Schlosserhandwerk erlernte. Seine spätere Frau Luise Lockemann war Schneiderin. Karls Hobby war das Motorradfahren. Es gibt ein wunderschönes Foto mit dem Motorradclub »Solidarität«, in dem er mit seinen Freunden von der KPD Mitglied war. 1928 heirateten Karl und Luise, aber nur standesamtlich: Luise war bereits 1919 aus der Kirche ausgetreten, Karl 1927. Beide hatten die Meisterprüfung in ihrem Fach abgelegt, aber nur Luise hatte (selbstständig) stetig Arbeit: Karl verlor sie immer wieder, teils aufgrund der wirtschaftlichen Lage, einmal aber, bei der Firma Bopp & Reuter, »wegen Differenzen mit der Betriebsleitung«. Bei dieser Firma war er »Lit.-Obmann«, d. h. für die Verbreitung der Schriften der Partei zuständig, in der er seit 1926 Mitglied war. Fotos der Gestapo von 1938 zeigen einen kraftvollen, entschlossen wirkenden Mann.
Doch zunächst führte ihr politisches Engagement (oder die schlechte wirtschaftliche Lage) Luise und Karl in die Sowjetunion.…
Quelle: Katinka Poensgen, Mannheim - Taganarog (Asowsches Meer) - Buchenwald - Mettmann. Tagebuch einer Recherche, hg. Kinder des Widerstands, Oberhausen 2022.