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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Justitia schläft

Ver­stößt die Dro­hung mit Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen nicht grund­sätz­lich gegen GG Art. 1: »Die Wür­de des Men­schen ist unan­tast­bar«? Sind deutsch-ame­ri­ka­ni­sche Nukle­ar­bom­ben mit dem 1969 unter­zeich­ne­ten Atom­waf­fen­sperr­ver­trag ver­ein­bar? Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVG) in Karls­ru­he und der Euro­päi­sche Gerichts­hof für Men­schen­rech­te (EGMR) in Straß­burg hal­ten die­se Fra­gen für irrele­vant: 20 + 5 Beschwer­den von Akti­vi­stin­nen und Akti­vi­sten des zivi­len Unge­hor­sams am »Flie­ger­horst Büchel« wur­den seit 1997 (noch) nicht zur Prü­fung ange­nom­men. Grund für fünf Klä­ge­rin­nen und Unter­stüt­zer nun die bei­den Gerich­te mit einer Spur der Erin­ne­rung zu ver­bin­den – mit Mega­fon, Stra­ßen­thea­ter und auf dem Fahrrad.

Bekannt­lich lagern etwa 20 US-ame­ri­ka­ni­sche Atom­bom­ben auf dem Bun­des­wehr-Luft­waf­fen­stütz­punkt Büchel (Eifel). Frie­dens­be­weg­te sahen sich immer wie­der genö­tigt, zum Mit­tel des zivi­len Unge­hor­sams zu grei­fen. Ihre Go-In-Aktio­nen, teils mit Beset­zung eines Han­gars oder der Start­bahn, führ­ten wie­der­holt zu Ver­ur­tei­lun­gen wegen Haus­frie­dens­bruch und Sach­be­schä­di­gung, wobei die Moti­va­ti­on für die­se Aktio­nen regel­mä­ßig außer Betracht blieb. Die Ver­ur­teil­ten hat­ten dage­gen Kla­gen beim BVG ein­ge­reicht, mit der Begrün­dung, dass die Vor­ge­rich­te die Kri­te­ri­en des Recht­fer­ti­gen­den Not­stands (§ 34 StGB) und die Argu­men­ta­ti­on zur Völ­ker­rechts­wid­rig­keit der Atom­waf­fen­sta­tio­nie­rung nicht hin­rei­chend geprüft hät­ten. Deutsch­land sei laut Atom­waf­fen-Nicht­ver­brei­tungs­ver­trag u. a. ver­pflich­tet, Atom­waf­fen weder mit­tel­bar noch unmit­tel­bar anzu­neh­men. Die durch unse­re Regie­run­gen prak­ti­zier­te Atom­waf­fen-Sta­tio­nie­rung bedro­he unser aller Recht auf Leben und kör­per­li­che Unver­sehrt­heit (Art. 2 + 3 der Euro­päi­schen Menschenrechtskonvention).

Doch das BVG hat noch nie eine der Beschwer­den zur Behand­lung ange­nom­men. Das hin­der­te Lies Wel­ker am 21.9.2023 aber nicht dar­an, auch wegen ihrer Ver­ur­tei­lung eine Beschwer­de ein­zu­rei­chen. Die­ses tat sie genau einen Tag vor dem Pro­test »20 Ver­fas­sungs­be­schwer­den gegen 20 Atom­bom­ben«, womit das höch­ste Gericht nun wie­der die Chan­ce hat, sich doch noch mit dem The­ma der Grund­ge­setz- und Völ­ker­rechts­wid­rig­keit der nuklea­ren Teil­ha­be zu beschäf­ti­gen. Lies unter­strich ihren Antrag mit einer Dar­stel­lung der in Gold geklei­de­ten Justi­tia gegen­über dem Gebäu­de des BVG und hoff­te, damit das Gericht aufzuwecken.

Am Mon­tag, 25.9. wur­de auch vor dem Euro­päi­schen Gerichts­hof für Men­schen­rech­te im 80 km ent­fern­ten Straß­burg »Justi­tia auf­wecken« auf­ge­führt, da die­ses Gericht sich eben­falls noch nicht gerührt hat­te. Seit­dem gab es wenig­stens eine Ein­gangs­be­stä­ti­gung an John LaF­or­ge aus den USA, der im ver­gan­ge­nen Jahr, statt sei­ne Geld­stra­fe zu bezah­len, für 30 Tage eine Mahn­wa­che in einem deut­schen Gefäng­nis mach­te. Bereits 2021 hat­ten zwei vom BVG igno­rier­te Beschwer­de­füh­rer Kla­ge gegen die Nicht­be­hand­lung ein­ge­legt. Bis heu­te kamen zwei wei­te­re hin­zu, zusätz­lich berei­ten zwei Klä­ger einen Appell an das Gericht des Euro­pa­rats vor. Unter­stüt­zung dafür bekom­men sie von der Ver­ei­ni­gung IALANA – Inter­na­tio­na­le Rechts­an­wäl­te für die Abschaf­fung der Atom­waf­fen –, in der auch ehe­ma­li­ge Ver­fas­sungs­rich­ter Mit­glied sind.

Par­al­lel gehen die direk­ten Aktio­nen gegen die Sta­tio­nie­rung von Atom­waf­fen in Büchel und die Reak­tio­nen des Staa­tes dar­auf wei­ter: Am 8.1.2024 wer­den sie­ben Per­so­nen vor Gericht ste­hen, die am 8. Mai 2023 zum wie­der­hol­ten Mal in das Mili­tär­ge­län­de ein­ge­drun­gen sind – mit aus­drück­li­chem Bezug auf das Ende des Krie­ges 1945. Es gab Straf­be­feh­le zwi­schen 30 und 90 Tages­sät­zen, woge­gen alle Betei­lig­ten Wider­spruch ein­ge­legt haben. Die mei­sten von ihnen wol­len wie­der den Instan­zen­weg beschrei­ten und hof­fen, durch ihre Hart­näckig­keit end­lich doch das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt aufzuwecken.

Wei­te­re Infos auf der Sei­te https://buechel-atombombenfrei.jimdofree.com/