Verstößt die Drohung mit Massenvernichtungswaffen nicht grundsätzlich gegen GG Art. 1: »Die Würde des Menschen ist unantastbar«? Sind deutsch-amerikanische Nuklearbomben mit dem 1969 unterzeichneten Atomwaffensperrvertrag vereinbar? Das Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg halten diese Fragen für irrelevant: 20 + 5 Beschwerden von Aktivistinnen und Aktivisten des zivilen Ungehorsams am »Fliegerhorst Büchel« wurden seit 1997 (noch) nicht zur Prüfung angenommen. Grund für fünf Klägerinnen und Unterstützer nun die beiden Gerichte mit einer Spur der Erinnerung zu verbinden – mit Megafon, Straßentheater und auf dem Fahrrad.
Bekanntlich lagern etwa 20 US-amerikanische Atombomben auf dem Bundeswehr-Luftwaffenstützpunkt Büchel (Eifel). Friedensbewegte sahen sich immer wieder genötigt, zum Mittel des zivilen Ungehorsams zu greifen. Ihre Go-In-Aktionen, teils mit Besetzung eines Hangars oder der Startbahn, führten wiederholt zu Verurteilungen wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung, wobei die Motivation für diese Aktionen regelmäßig außer Betracht blieb. Die Verurteilten hatten dagegen Klagen beim BVG eingereicht, mit der Begründung, dass die Vorgerichte die Kriterien des Rechtfertigenden Notstands (§ 34 StGB) und die Argumentation zur Völkerrechtswidrigkeit der Atomwaffenstationierung nicht hinreichend geprüft hätten. Deutschland sei laut Atomwaffen-Nichtverbreitungsvertrag u. a. verpflichtet, Atomwaffen weder mittelbar noch unmittelbar anzunehmen. Die durch unsere Regierungen praktizierte Atomwaffen-Stationierung bedrohe unser aller Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 + 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention).
Doch das BVG hat noch nie eine der Beschwerden zur Behandlung angenommen. Das hinderte Lies Welker am 21.9.2023 aber nicht daran, auch wegen ihrer Verurteilung eine Beschwerde einzureichen. Dieses tat sie genau einen Tag vor dem Protest »20 Verfassungsbeschwerden gegen 20 Atombomben«, womit das höchste Gericht nun wieder die Chance hat, sich doch noch mit dem Thema der Grundgesetz- und Völkerrechtswidrigkeit der nuklearen Teilhabe zu beschäftigen. Lies unterstrich ihren Antrag mit einer Darstellung der in Gold gekleideten Justitia gegenüber dem Gebäude des BVG und hoffte, damit das Gericht aufzuwecken.
Am Montag, 25.9. wurde auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im 80 km entfernten Straßburg »Justitia aufwecken« aufgeführt, da dieses Gericht sich ebenfalls noch nicht gerührt hatte. Seitdem gab es wenigstens eine Eingangsbestätigung an John LaForge aus den USA, der im vergangenen Jahr, statt seine Geldstrafe zu bezahlen, für 30 Tage eine Mahnwache in einem deutschen Gefängnis machte. Bereits 2021 hatten zwei vom BVG ignorierte Beschwerdeführer Klage gegen die Nichtbehandlung eingelegt. Bis heute kamen zwei weitere hinzu, zusätzlich bereiten zwei Kläger einen Appell an das Gericht des Europarats vor. Unterstützung dafür bekommen sie von der Vereinigung IALANA – Internationale Rechtsanwälte für die Abschaffung der Atomwaffen –, in der auch ehemalige Verfassungsrichter Mitglied sind.
Parallel gehen die direkten Aktionen gegen die Stationierung von Atomwaffen in Büchel und die Reaktionen des Staates darauf weiter: Am 8.1.2024 werden sieben Personen vor Gericht stehen, die am 8. Mai 2023 zum wiederholten Mal in das Militärgelände eingedrungen sind – mit ausdrücklichem Bezug auf das Ende des Krieges 1945. Es gab Strafbefehle zwischen 30 und 90 Tagessätzen, wogegen alle Beteiligten Widerspruch eingelegt haben. Die meisten von ihnen wollen wieder den Instanzenweg beschreiten und hoffen, durch ihre Hartnäckigkeit endlich doch das Bundesverfassungsgericht aufzuwecken.
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