Am 9. Dezember 1980 unterbrachen viele Radiosender ihre Programme und sendeten nur noch Musik der Beatles. Die Nachricht von der Ermordung John Lennons lief in Windeseile um den Erdball. Einen Tag zuvor, kurz vor Mitternacht, hatte der geistig verwirrte Attentäter Mark David Chapman auf offener Straße vor Lennons Wohnung im Dakota Building in New York fünf Schüsse auf ihn abgefeuert. Von seiner Frau Yoko Ono und der Polizei wurde Lennon sofort ins Roosevelt Hospital gebracht, doch jede Hilfe kam zu spät. Als sie dort eintrafen, war der Musiker bereits tot. Noch in der Nacht versammelten sich Tausende Fans vor dem Hospital und dem Dakota Building, manche in Pyjama, Bademantel und Hausschuhen – Fassungslosigkeit und Zorn in den Gesichtern. Sie weinten, meditierten oder sangen »All My Loving«.
Am nächsten Tag berichtete die Weltpresse über die Tat und würdigte in Rückblicken Leben und künstlerische Leistung von John Lennon. Die Symbolfigur der Beatgeneration musste einen hohen Preis für ihren Erfolg bezahlen. Mit den fünf Schüssen wurde die jahrelange Hoffnung auf eine Wiedervereinigung der Fab Four endgültig beendet. Yoko Ono sandte den Trauernden in aller Welt eine schlichte Botschaft: »John liebte die Menschen und betete für sie. Bitte tut dasselbe für ihn.«
Im Dezember ist das nun bereits vierzig Jahre her. Für viele Beatles-Fans aber heute noch unfassbar. Zwei Monate vorher, am 9. Oktober, wäre ihre Ikone achtzig Jahre alt geworden. Als John Winston Lennon am 9. Oktober 1940 in Liverpool geboren wurde – die Stadt erschütterten in den Tagen gerade schwere Angriffe der deutschen Luftwaffe – wurde ihm an seiner Wiege nicht gesungen, dass er einmal der wichtigste Rockmusiker und Songschreiber der 1960er Jahre werden sollte. Nach der Trennung seiner Eltern im Jahr 1942 wuchs John bei seiner Tante Mimi und seinem Onkel George auf. Als Teenager begeisterte er sich für den neu aufkommenden Rock’n’Roll, und er verehrte Elvis Presley und seine Musik. Im Alter von 16 Jahren gründete er die Band The Quarry Men.
Am 15. Juni 1956 lernten sich der 16-jährige John Lennon und der zwei Jahre jüngere Paul McCartney in der Liverpooler Wollton-Pfarrkirche kennen. Eine Begegnung, die die Popmusik revolutionieren sollte. Beide gründeten 1960 mit George Harrison die Beatles, die anschließend unter dem Namen Silver Beatles nach Hamburg tourten.
Im Jahr 1962 heiratete John Lennon seine Jugendfreundin Cynthia Powell. Ein Jahr später wurde Sohn Julian geboren. Nachdem Ringo Starr zu den Beatles gestoßen war, starteten die vier Musiker mit der ersten Single »Love Me Do« ihre unglaubliche Karriere. Zwischen 1962 und 1967 schrieben sie 230 Songs, fast jede Woche einen, und mehr als 200 Millionen Schallplatten wurden verkauft. Den ersten Höhepunkt ihres kometenhaften Aufstiegs erreichten sie 1964, als sie die ersten fünf Plätze der US-Hitlisten belegten.
Im November 1966 begegnete John Lennon der japanischen Künstlerin Yoko Ono in der Londoner Indica Gallery. Ihre Romanze bahnte sich aber erst 1968 an, und kurz darauf wurde die Ehe zwischen John und Cynthia geschieden. Bereits am 20. März 1969 heirateten John und Yoko Ono in Gibraltar. Ihre Flitterwochen zelebrierten sie mit einem medialen Ereignis, einem Bed-in-Happening. Am 30. Januar 1969 war der letzte öffentliche Auftritt der Beatles als Gruppe. Von nun an trennten sich ihre Wege immer mehr. Eine Ära ging zu Ende, die vier Liverpooler begannen ihre Solo-Karrieren. Bereits im Dezember 1970 erschien Lennons Soloalbum »John Lennon / Plastic Ono Band«, ein schonungsloser Selbstfindungstrip, aufgenommen mit Ringo Starr und dem engen Beatles-Freund Klaus Voormann. Auch sein zweites Album »Imagine« (September 1971) nahm Lennon mit alten Weggefährten wie George Harrison auf. Der Titelsong ist eine zeitlose, aber bewegende Friedenshymne – entstanden während des Vietnamkrieges – und gleichzeitig ein Liebeslied, das bis heute Millionen von Menschen in schwierigen Zeiten inspiriert und tröstet.
Im September 1971 verließen John Lennon und Yoko Ono England und zogen nach New York. Hier entstanden bis 1975 noch vier weitere Soloalben. Zwischenzeitlich kam es auch zu einer Trennung von Yoko Ono. Nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes Sean im Oktober 1975 zogen sich die beiden aus dem Musikgeschäft zurück. Fünf Jahre später versuchte John Lennon, inzwischen 40 Jahre alt, ein Hausmann und liebevoller Daddy, an alte Zeiten anzuknüpfen. Im November 1980 hatte er das Album »Double Fantasy« veröffentlicht, das je sieben Lieder von ihm und Yoko Ono enthielt. Es sollte ein Neustart werden, sogar Pläne für eine Welttournee wurden geschmiedet. Anfangs war das Album nicht so erfolgreich, wie man erwartet hatte. Drei Wochen später, nach dem tragischen Tod, wurde es von den Beatles-Fans zur Reliquie erhoben.
Pünktlich zum 80. Geburtstag von John Lennon hat der Germanist und Verlagslektor Nicola Bardola, der bereits Biografien über Yoko Ono und Ringo Starr verfasste, eine komplett überarbeitete und erweiterte Ausgabe seiner Lennon-Biografie vorgelegt. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit den Beatles und führte Gespräche mit Lennons erster Frau Cynthia und mit Klaus Voormann. Neben Zeitzeugen kommt immer wieder Lennon selbst zu Wort. In acht Kapiteln werden die wichtigsten Wendepunkte in seinem Leben beleuchtet. Dabei wird deutlich, wie sehr sich John Lennon im Lauf der Jahrzehnte entwickelt und verändert hat. Stets versucht der Autor, den ruhelosen Menschen hinter dem Ausnahmekünstler zu entdecken. Aufschlussreich ist auch die Analyse von Lennons Liedtexten, in denen viele Botschaften versteckt sind.
Bardola betont, dass die Ermordung John Lennons zwar den Neubeginn seiner künstlerischen Karriere jäh zerstörte, doch »das Datum markierte paradoxerweise auch eine Art Auftakt für den Künstler und sein Werk, das vor allem einige Jahre später durch das Internet neue Ausdrucksweisen annahm«. Im umfangreichen Anhang mit Stammbaum, Werdegang, Bibliografie und Diskografie listet der Autor daher auch zahlreiche deutsch- und englischsprachige Websites auf, die zur weiterführenden Auseinandersetzung einladen. Bardolas abschließendem Resümee »John Lennon hat Lieder erfunden, die uns im Innersten aufwühlen und unser Wesen erschüttern« ist nichts hinzuzufügen.
Nicola Bardola: »John Lennon«, Zweitausendeins, 320 Seiten, 14,90 €