Die gute Nachricht des Jahres: Privathaushalte in Deutschland sind so reich wie noch nie! Um sechs Prozent hat das Privatvermögen der Deutschen gegenüber dem Vorjahr zugenommen, auf über neun Billionen Euro! Das ergibt für jeden Deutschen mehr als einhundert Millionen auf dem Konto! Rein rechnerisch. Ich selbst kenne allerdings keinen, der über ein solches Privatvermögen verfügt. (Wenn Sie, liebe Leserin und lieber Leser, jemanden kennen: Wir Künstler brauchen immer Geld, auch eine Spendenquittung wäre drin.) Neun Billionen Euro sind fast dreißig Mal so viel wie der Haushalt der BRD – ein Prozent Vermögenssteuer würde ausreichen, um alle wegen der Schuldenbremse gestrichenen Sozialprogramme wieder einzuführen.
Das war’s dann aber auch schon mit guten Nachrichten des Jahres. Alle anderen sind Katastrophenberichte und satirisch kaum noch zu toppen. Also lasse ich die schlimmsten einfach hier weg – Sie wissen ja selbst, wie es in der Welt aussieht, das müssen Sie nicht mehr von mir erfahren.
Ein paar Nachrichten und Vorkommnisse gab es, über die kann man geteilter Meinung sein: Julian Assange ist frei! Allerdings musste er sich erst einmal schuldig bekennen, Geheimnisverrat begangen zu haben. Darauf gab es fünf Jahre Gefängnis, die er schon lange abgesessen hatte. Und jeder andere Journalist, der Interna veröffentlicht, muss mit solcherart Urteilen rechnen. Es war überhaupt kein gutes Jahr für Journalisten: Im Jahr 2024 wurden weltweit 54 getötet, 550 sitzen in Haft. Und wer in Deutschland von der Staatsräson abwich, wurde mit Ächtung gestraft. Und mit dem Entzug von öffentlich-rechtlicher Aufmerksamkeit.
Dafür bekam Christian Lindner jede Menge davon. Wochenlange mediale Aufregung über die Manöver der FDP und seine eigenen, jede Verantwortung daran abzustreiten. Es war aber auch zu seltsam: Die FDP hatte eine Strategie! Etwas wie einen Plan! Dabei ist sie doch die Partei der planlosen, freien Marktwirtschaft. Und wenn der Politikbetrieb eine Industrie wäre, in der die unsichtbare Hand des Marktes alles richtet, haben immerhin die Wähler, die ja ansonsten völlig unsichtbar sind, am Wahltag mit ihrer Hand die Möglichkeit, die Pläne der FDP zunichtezumachen. Wird die BILD-Zeitung die FDP wieder hochschreiben? Höchstwahrscheinlich nicht. Schuldenbremse gut und schön, aber Kriegswirtschaft verlangt nun mal nach Kriegskrediten und nach strategischer Planung, und da hat die FDP ja nun gezeigt, dass sie dazu nicht brauchbar ist. Immerhin kann die FDP noch kandidieren, auch mit stark verkürzter Vorbereitungszeit. Die meisten kleinen Parteien können das nicht. Das Gute daran: Der Wahlzettel wird nicht mehr so lang.
Und die Erneuerbaren Energien erbringen nun über 50 Prozent des Verbrauchs. Das ist allerdings nicht nur auf das Wachstum von Windrad- und Solaranlagen zurückzuführen, sondern auch auf das Schrumpfen der Industrieproduktion. Und damit deshalb nicht die Profite schrumpfen, werden die lieben »Mitarbeiter« entlassen. Oder in die Rüstungsindustrie übernommen. Denn wir müssen kriegstüchtig werden! Verkündete ein gewisser Herr Pistorius, ein Jurist aus Osnabrück, der als Ersatz für die nicht so kriegstüchtige Ex-Verteidigungsministerin Christine Lämmchen, äh, Lambrecht – von der Zweit- bzw. Dritt- in die Erste Liga aufgerückt wurde. Und jetzt alles werden kann - außer Papst. Denn der mahnt zur Friedenstüchtigkeit.
Aber das ist out. Frühere Umweltschützer werden zu Panzerfäusten – äh, Panzerexperten, Stracks-Zimmerfrauen zu Raketenfans, und US-Mittelstreckenraketen müssen hier stationiert werden als letzte Hilfe gegen die Russen. VW verkauft sich an Rüstungskonzerne – hatten wir auch schon mal, der Kraft-durch-Freude-Kleinwagen war auch nur die Vorbereitung auf Hochrüstung gewesen.
Jetzt heißt es nicht mehr nur Kanonen statt Butter, jetzt heißt es Drohnen statt Honig, Raketen statt Soziales und Sondervermögen statt Kriegskredite.
Die Russen, so wollen es unsere Regierung wie die Opposition wissen, wollen uns spätestens 2029 überfallen, weil ihnen schon seit 2 Jahren die Raketen ausgehen und wir sie ruiniert haben.
Mantra-artig wiederholt man die Formel vom russischen Angriffskrieg – als wenn noch irgendjemand überzeugt werden müsste, dass Russen an sich böse sind und immer schon darauf aus waren, Europa zu überfallen. Denn sie gehören nicht zu Europa. Europa endet nämlich nicht mehr am Ural, wie wir noch gelernt haben, sondern offenbar am Dnjepr – Entschuldigung, am Dnipro. Denn nur dann haben die Ukrainer ihren Namen zu Recht. Denn U-Kraina heißt »Bei der Grenze«. Nicht diesseits oder jenseits einer Grenze, sondern bei der Grenze. Der Grenze von Europa, offenbar, denn wir wollen ja nicht die russische Darstellung übernehmen, dass es »bei der Grenze Russlands« heißt.
Egal, Europa steht auf gegen die russischen Horden! Wir werden ihnen nie verzeihen, dass wir Deutschen 1941 Russland überfallen haben, schon gar nicht, dass wir zurückgeschlagen wurden!
Dummerweise sind die Russen nicht nur einfach mehr, sondern haben offenbar auch die effizientere Rüstungsindustrie. Das macht schon Probleme bei der Logik: Einerseits sind die Russen das absolut Böse, andererseits vertraut unsere Regierung offenbar darauf, dass sie besonnen genug sind, um nicht uns zu treffen, wenn von unserem Boden aus Russland angegriffen werden kann.
Also einerseits sollen wir alle Angst haben vor einem Angriff Russlands auf Deutschland, aber andererseits keine Angst davor, einen solchen Angriff zu provozieren. Was denn nun?
Egal, wir sollten natürlich alle Angst haben. Vor einem Leben in Armut und Mangel – denn das bedeutet die Hochrüstung für neunzig Prozent der Bevölkerung.
Vorgestern wollten wir noch Russland ruinieren, gestern stellten wir uns einen Siegfrieden vor und beanspruchten die Lithium-Vorkommen der Ukraine, heute bleibt uns nur noch die Angst, dass wir alles verlieren könnten, worauf wir mal stolz waren: Frieden, Einigkeit in Europa, Demokratie, Wohlstand.
In Rumänien hat man es vorgemacht: Wenn Wahlen nicht so ausfallen, wie gewünscht, dann werden sie für ungültig erklärt. Weil Russland das Ergebnis manipuliert hätte. Wofür man keinerlei Beweise hat, sie aber auch nicht braucht, denn wir haben ja seit Jahren gelernt: Der Russe ist an allem schuld. Ist das nicht schön? Denn es kommt doch nicht darauf an, Probleme zu beseitigen, solange man nur weiß, wer daran schuld ist.