Hoimar von Ditfurth hatte 1985 ein Buch mit dieser Empfehlung veröffentlicht, und es landete auf den Bestsellerlisten. Das Bild vom Apfelbaum, der gepflanzt werden könnte, angesichts der Untergangserwartung, soll von Luther stammen. Die Frage, ob das stimmt, ist hier irrelevant. Denn entscheidend ist, wie wir mit den höchst negativen Prognosen unserer weiteren Entwicklung umgehen können. Schließlich können Untergangserwartungen auch lähmen, so dass man eher bereit ist, sie wieder aus dem Bewusstsein zu verbannen, denn im Alltag rufen die Pflichten des Berufes und der Familie, die nach wie vor durch Arbeit ernährt werden muss.
Ditfurth nannte drei Komplexe, die aus seiner Sicht das Überleben der Menschen bedrohten: Atomkrieg, Umweltzerstörung und Bevölkerungsexplosion. Vor dem Zerfall der Sowjetunion war die Gefahr eines Atomkrieges, selbst nur aus Versehen, sehr real. Wir kennen noch den Overkill der in den Atomwaffenarsenalen enthaltenen Vernichtungspotentiale. Anlässlich der Kuba-Krise stand die Welt schon einmal am Rande der größten Vernichtung. 1990 schien es so, als könne eine »Friedensdividende« eingefahren werden, weil eine Seite kollabiert war.
Fragen der Umweltzerstörung sind in Teilbereichen seitdem erfolgreich behandelt worden, mit Luftfiltern in großen Abgasanlagen der Industrie, mit Reinigung der in den Rhein eingeleiteten Abwässer. Das alles wurde durch Begriffe und Fakten wie das Waldsterben und jährliche Waldzustandsberichte konterkariert. Wenn dann auch einzelne Menschen angesprochen werden, es ging damals z.B. um die Vermeidung von Bleizusätzen im Benzin und eine mögliche Verteuerung der Mobilität, werden die Prozesse der Implementierung technischer Lösungen erheblich langwieriger. Wir erinnern uns noch, wie die Grünen bei Bundestagswahlen abgestraft wurden, weil sie einen höheren und stetig wachsenden Benzinpreis in ihr Programm schrieben.
Die Bevölkerungsexplosion ist keineswegs beendet, sondern hat sich seit den düsteren Prognosen und Ahnungen eines Ditfurth weiter beschleunigt. In einigen südostasiatischen Ländern werden bis 2060 rasant wachsende Zahlen von PKWs vorausgesagt, so wie schon China eine hohe PKW-Dichte zu Wege gebracht hat. Städte haben sich seitdem, also seit 1985, in immer weiterwachsende Konglomerate verwandelt, in denen man nicht mehr von 10 Mio. Menschen je Stadt, sondern von 50 Mio. sprechen muss, bei Wachstumsraten von 10 Prozent, so dass gemeinschaftliche Versuche der betroffenen Länder und Staaten mit der nötigen Infrastruktur hinterher zu kommen, fast zwangsläufig scheitern müssen.
Hoimar von Ditfurth wurde wegen des bei ihm hinein interpretierten Fatalismus gescholten. Den Chinesen wurde deren Ein-Kind-Politik als menschenrechtswidrig vorgeworfen, obwohl sie um Ernährungssicherheit bemüht waren.
Es ist hier nicht der Platz, um einzelne Maßnahmenpakete, die Ditfurth damals benannte, zu diskutieren. Jedenfalls ist aus der gedachten »Friedensdividende« von 1990 ein neuer globaler Kampf geworden, der höchste Zerstörungspotentiale in sich birgt und dessen Einhegung nicht einmal mehr versucht wird.
Als Individuum ohne nennenswerte gesellschaftliche Macht habe ich es ernst genommen und Apfelbäume gepflanzt, zunächst, den finanziellen Spielräumen gehorchend, in einem Kleingarten, danach in einem vergrößerten Hausgarten und schlussendlich in einer kleinen Streuobstwiese, die sich als Paradies für unendlich viele Kleinlebewesen, für Maulwürfe und Mäuse, Vögel und Rotwild erweist. Dem Druck von Nachbarn, die die mangelhafte Ordnung meiner Benjeshecke bemängelten, musste ich mich nicht beugen. Der Frage eines Bauern, der die Bäume sah und mich fragte, wann ich denn mit Erträgen rechnen würde, konnte ich lachend entgegnen, dass ich diese Frage nicht mehr verstünde. Inzwischen gibt es in der näheren Umgebung weitere Streuobstwiesen. Das einfache und vom Individuum beherrschbare Tun könnte sicher eine Form der Angstbewältigung sein.
Die Hoffnungen der Religionen in der Vergangenheit, auf einen gemeinsamen guten Willen zu setzen, habe ich ad acta gelegt. Denn die sich aus Glauben entwickelnden Organisationen, die wieder die Gläubigen beherrschen wollen und müssen, also die Kirchen, waren nicht zuletzt für Formen der totalitären Herrschaft ein ausgezeichnetes Muster. Thomas Hobbes nahm die Menschen als Körper und mögliche Raubtiere und verordnete Allgewalt, um die Wölfe in Schach zu halten. Aber selbst zu Hobbes Zeiten waren es kaum Individuen, die im Kampf aller gegen alle standen, sondern Gruppen und Religionsgemeinschaften mit höchsten und intoleranten Wahrheitsansprüchen.
Hoffnung? Im Sinne eines geschichtsphilosophischen Konzeptes kann ich auf keine mehr verweisen. Die Hoffnung ebenso wie die Angst werden über intensive körperliche Arbeit ausgeschwitzt. Als Lohn bleibt die Schönheit von blühenden Blumen und die Fülle leckerer Früchte hier und heute. Mein Beitrag zu Gesundung eines kleinen Landstriches ist gemessen an den mit schwersten Traktoren bearbeiteten Maisfeldern der Umgebung sehr marginal, dort sehen die Böden tot aus, sie sind soweit verdichtet, dass sie kaum einen stärkeren Regen aufnehmen können, aber wenigstens so feucht, dass Stürme die Krume nicht davontragen und auf einer Autobahn Massenkarambolagen verursachen. Oder allgemeiner und abstrakt: Der Umbau der Landwirtschaft hat noch lange nicht begonnen, so dass sich eine Ernährungskrise abzeichnet, wobei eine »Kornkammer Ukraine« nicht weiterhilft, weil auch dort mit Fungiziden, Pestiziden sowie schwersten Maschinen gearbeitet wird.
Vor einer Generation gab es eine Vielzahl von Warnungen, die denen von Ditfurth kaum nachstanden. Ich nenne hier z.B. das Buch von Eugen Drewermann, Der tödliche Fortschritt. Nennenswert ist ferner das Buch von Walter L. Bühl, Krisentheorien (Darmstadt 1988). Zitieren möchte ich aus dessen Einleitung einen Satz: »Die Krisenfurcht ist eine Erscheinung des relativen Wohlstandes, nirgendwo wird von so vielen Krisen berichtet wie in den westlichen, hochentwickelten Industriestaaten.«
Furcht ist ein schlechter Lehrmeister, und aus dem Zeitdruck, der bei Krisen angesagt wird, entsteht unter Umständen nur kurzsichtiges Handeln, das Probleme verschärft, statt sie zu mildern.