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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Ja, eigentlich schon

Man will es ein­fach nicht glau­ben, aber eigent­lich hat­te ich vor, eine Glos­se über unser Bob­be­le und sei­nen Lon­do­ner Gru­sel-Knast zu schrei­ben; doch dann woll­te ich nicht der Scha­den­freu­de bezich­tigt wer­den. Eigent­lich hat­te ich mich dann zu einer Glos­se über Mei­ster Petz ent­schlos­sen, der seit eini­gen Tagen in Bay­ern gesich­tet wur­de. Aber dann war ich mir nicht sicher, ob die­ser neue Pro­blem­bär wie­der eine die­ser Fake News ist.

Eigent­lich, ja eigent­lich … ist eines die­ser ver­damm­ten unschein­ba­ren Füll­wör­ter, von denen es in unse­rer Umgangs­spra­che nur so wim­melt. Der Ger­ma­nist spricht von Modal­par­ti­keln, jene unde­kli­nier­ba­ren Wört­lein wie eben, auch, doch, halt, etwa, noch … Die Liste lie­ße sich belie­big fort­set­zen. Doch das Wört­chen »eigent­lich« ist nicht nur ein­fach ein nutz­lo­ses Füll­wort. Es ist das Lieb­lings­wort der Unent­schlos­se­nen, denn es lässt ihnen immer ein Hin­ter­tür­chen offen.

»Ich habe den Hoch­zeits­tag ver­ges­sen« oder »Ich habe wie­der mit dem Rau­chen begon­nen«. Das klingt doch bru­tal, unver­zeih­lich, cha­rak­ter­los. Dage­gen: »Eigent­lich woll­te ich den Hoch­zeits­tag nicht ver­ges­sen« oder »Eigent­lich woll­te ich mir das Rau­chen abge­wöh­nen«. Klingt das nicht schuld­los, nach gutem Wil­len und wid­ri­gen Umständen?

Auch die Medi­en, die Pres­se und sogar die Poli­ti­ker haben die­ses »eigent­lich« bereits für sich ver­ein­nahmt. »Eigent­lich sehen wir kei­nen Grund, unse­ren poli­ti­schen Kurs zu ändern.« Wenn wir das hören, wis­sen wir bereits, dass das genaue Gegen­teil ein­tre­ten wird. »Eigent­lich« in der Bedeu­tung von »grund­sätz­lich«. Aber was bedeu­ten schon Grund­sät­ze, die Pra­xis und das Leben sehen doch anders aus. Vor­ha­ben und Wirk­lich­keit sind eben doch zwei Paar Schu­he. Das Wört­chen »eigent­lich« ist also ein pri­ma Mit­tel, um unse­re Prin­zi­pi­en zu umge­hen. Ja, was woll­te ich eigent­lich mit die­ser Glos­se sagen?