Uns ist ein Thema abhandengekommen: Peak-Oil, das Ende der sicheren Ölversorgung. Kein Wunder eigentlich, denn es war nie beliebt. Trotzdem bemerkenswert, weil es durch ein anderes, sehr umstrittenes Thema ersetzt wurde, welches jetzt ständig die Schlagzeilen dominiert: der Klimawandel. Bemerkenswert ist auch, dass der Verzicht, der dem Ende der Versorgung folgen muss, beim Thema Klimakatastrophe das erklärte Ziel ist. Der Unterschied ist, dass wir wegen der Klimakrise verzichten, um die Welt zu retten, und bei Peak-Oil verzichten wir, weil es einfach nicht mehr für alle reicht. Mit Klima fühlt sich Verzichten also erheblich besser an, und die Klimaaktivisten werden das Ende der Ölversorgung als großen Sieg begreifen – und nicht als Untergang des Abendlandes.
Obwohl noch mehr Öl im Boden liegt, als bisher insgesamt gefördert wurde, liegt Peak-Oil mittlerweile hinter uns. Also der Punkt, an dem die Hälfte der Ressource verbraucht ist und das Angebot zurückgeht, während der Bedarf weiter steigt. Dabei spielt es keine Rolle, über welche Art von Ölförderung wir reden. Für Öl aus konventioneller Förderung wird der Peak um 2010 vermutet, inklusive des Öls aus unkonventionellen Quellen etwa zehn Jahre später. Konventionelle Ölförderung umfasst alle Ölfelder an Land, wo flüssiges Öl durch den Lagerstättendruck an die Oberfläche gedrückt wird. Zu dieser Kategorie wird seit dem Jahrtausendwechsel auch die Marke Brent (Nordseeöl) gerechnet, weil die Förderung in der relativ flachen Nordsee keine so große technische Herausforderung mehr darstellt. Als unkonventionelle Ölförderung gilt alles andere. Also Schieferöl, Teersande, Deep sea.
Grundsätzlich ist die Frage, wieviel Öl noch da ist, ungeeignet, um die Reichweite der Ressource abzuschätzen. Entscheidend ist, wie gut man an das Öl rankommt und welche Qualität es hat. Die Industrie ist nach dem Motto best first vorgegangen und hat die niedrig hängenden Früchte zuerst geerntet. Mit der Zeit wurde Ölförderung also immer aufwändiger, während die Qualität des Öls immer schlechter wurde.
Um die Versorgung der USA aufrecht zu erhalten, baggert man in Kanada Teersande. Das ist mit Abstand die dreckigste Art, Öl zu ernten, und auch eine der teuersten. Immer teurer wird auch die Förderung aus der Tiefsee. Jeder erinnert sich noch an den Untergang der Bohrinsel Deepwater Horizon im Jahr 2010. Das Unglück ereignete sich, als man in einer Tiefe von 1500 Metern unter dem Meeresspiegel bohrte. Die Förderung aus solchen Tiefen ist extrem riskant. Der Tiefenrekord bei Offshore-Bohrungen liegt bei 2800 Metern, wo ein Wasserdruck herrscht, der doppelt so stark ist, wie die Gewalt einer Schrottpresse auf dem Autofriedhof. Von den weltweit etwa 160 Bohrinseln sind bisher 12 als Totalschaden nach Unfällen ausgefallen.
Des Weiteren nagen die Amerikaner noch am Schiefergestein. Hier haben sich die großen Unternehmen nicht engagiert, weil sie wussten, dass so kein Geld zu verdienen ist. Also hat man einen Medienhype gestartet, um dummes Geld anzulocken. Heute sind die meisten Firmen pleite. Das Öl, das hier gewonnen wurde, ist minderwertig. Man kann daraus kaum Diesel gewinnen. Ansonsten kaufen die USA das Öl, wo sie es bekommen können – auch aus Russland wird importiert.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die US-amerikanische Ölversorgung in einer prekären Situation ist. Aber um das Problem nicht noch schlimmer zu machen, wird es nicht diskutiert. Nervöse Anleger würden sofort ihre Aktien von BP, Exxon Mobile, Statoil, Chevron und Co verkaufen, und dann bräche die Versorgung noch schneller zusammen. Außerdem gibt es da noch ganz praktische Überlegungen der Entscheider in unseren Gesellschaften. Das Einzige, was die tun können, wenn der zentrale Rohstoff unserer Zivilisation zur Neige geht, ist, den Mangel vor seiner Zeit zu organisieren. Nur dann haben sie genug Ressourcen, um den Event zu managen und ihren Machterhalt sicherzustellen. Und das geht einfach nicht, wenn die Leute im Bilde sind. Eine künstlich herbeigeführte Verknappung ist deshalb der logische Anfang vom Ende des Ölzeitalters.
Unsere Politiker haben, wie die meisten Menschen, gedacht, dass es noch sehr lange dauern würde, bis die Ölversorgung schwächelt. Als Richtschnur galt die Glockenkurve von Marion King Hubbert. Der für Shell tätige Geologe hatte ein Muster erkannt. Die Ausbeutung eines Feldes lief langsam an, steigerte sich dann, um nach einem Höhepunkt (dem Peak) genauso langsam abzufallen, wie es sich zuvor gesteigert hatte.
Die Erkenntnisse rechnete Hubbert auf alle US-Vorkommen hoch, um daraus zu schließen, dass die USA Anfang der 70er Jahre mit einer Ölkrise rechnen müssten. Die Aussage wurde allgemein belächelt und ignoriert. 1974 kam dann der Ölschock, und von nun an war Hubberts Glockenkurve das Maß der Ölförderung. Aber das Modell von Hubbert lässt sich eben doch nicht auf die globale Ölförderung anwenden, weil es die Energiebilanz vernachlässigt. Denn man muss Energie investieren, um fossile Energieträger zu ernten. Es gibt also einen Erntefaktor: 1960 musste man für ein Kg Öl, welches 8 kWh Energie enthält, 0,87 kWh investieren. So blieben der Wirtschaft, die ja das Öl arbeiten lässt und mit einem Teil des Gewinns die Bereitstellung finanziert, 7,13 kWh übrig. 2012 mussten bereits 6,57 kWh investiert werden, und nur 1,43 kWh standen den Endkunden zur Verfügung. Es muss also immer mehr Aufwand betrieben werden, und das führt logischerweise zu einem Kollaps des Systems, wenn der Erntefaktor negativ wird.
Das Gesamtergebnis lässt sich nicht mehr als Glockenkurve darstellen, sondern als steile Klippe. Das Ölzeitalter wird ein schnelles dramatisches Ende finden, wie das bei allen komplexen Systemen passiert, wenn sie kollabieren.
Die Großmächte haben die Situation rund ums Öl natürlich im Blick. Vereinfacht gesagt, gewinnt jene Macht, die als letzte in der Lage ist, einen modernen Krieg zu führen, wobei Diesel und Kerosin unverzichtbar sind.
Als die USA 2003 den Irak militärisch besiegt hatten, richteten sie sofort im Norden des Landes eine kurdische Sicherheitszone ein. Danach haben sie das irakische Militär, die Polizei und die Dienste aufgelöst. In unseren Medien wurde gefragt, warum die USA das tun, immerhin bestand die reale Gefahr eines Bürgerkrieges. Aber niemand wagte diese Frage zu beantworten. Die Amerikaner wollten, dass der Irak zerfällt. Das war der Plan.
Das Völkerrecht verbietet, dass nach einem Krieg der Sieger die Bodenschätze des Besiegten plündert. Also brauchten die Amerikaner jemanden, der das für sie tun konnte und fanden die Kurden. Sie sorgten dafür, dass eine radikale Gruppe entsteht, welche dann die Stadt Mossul angegriffen und erobert hat. Das war der Islamische Staat. Die USA haben dabei keinen Finger gerührt, um der irakischen Regierung bei der Verteidigung ihrer Stadt zu helfen. Später, als die Kurden die Kräfte von ISIS angriffen, haben die USA den Kurden mit ihrer Air Force geholfen. So konnten die Kurden Mossul einnehmen – und nebenbei das Ölfeld befreien, und nun hatten die USA über ihre Verbündeten die Kontrolle über das irakische Öl gewonnen. Nur nutzt es nichts, das Feld zu kontrollieren, wenn man das Öl nicht abtransportieren und verkaufen kann. Also brauchten die Kurden einen Hafen, idealerweise am Mittelmeer.
Deshalb musste der syrische Präsident Assad ganz dringend weg. ISIS übernahm es, auch Syrien ins Chaos zu stürzen, und die Kurden wurden in unseren Medien zu den heldenhaften Kämpfern gegen Terror und Diktatur – und für Freiheit und Demokratie. Ihre Offensive war sehr erfolgreich, und wir sahen, wie ihr Gebiet sich immer weiter westlich gen Mittelmeer ausdehnte. In den Medien tauchten schon regelmäßig Karten auf, die den entstehenden kurdischen Staat Rojava skizzierten. Ein kurdischer Staat mit Öl und umgeben von Feinden. Die Kurden würden das Öl an ihre Verbündeten verkaufen und von den Petrodollars sofort Waffen einkaufen, um sich zu verteidigen. Kein schlechter Plan.
Aber da war die Türkei, die eine solche Entwicklung niemals akzeptieren konnte. Offiziell zwar ein Verbündeter der USA, arbeitete Erdogan nun gegen sie. Er stellte seine eigene Truppe auf – und diese den Kurden in den Weg. Der Anschluss ans Mittelmeer war nun unmöglich. Die Amerikaner waren fuchsteufelswild und versuchten Erdogan deshalb 2016 zu entmachten, aber sie verfehlten ihr Ziel. Dabei hatten sie an alles gedacht. Sie hatten sogar die Ukraine zum richtigen Zeitpunkt in Brand gesteckt, um ein mit Syrien verbündetes Russland zu beschäftigen, damit Putin sich nicht einmischt. Auch das hat nicht funktioniert. Die USA hatten ihren Krieg um irakisches Öl in Syrien verloren.
Doch so schnell geben die Amerikaner nicht auf. Sie halten bis heute mit sehr wenigen Kräften die syrischen Ölquellen besetzt und erlauben den Kurden die Ausbeutung der irakischen Felder. Die syrischen Ölfelder sind nicht so wesentlich, denn schon vor dem Krieg war deren Produktivität so weit abgesunken, dass Syrien von einem Öl-exportierenden Land, zu einem importierenden wurde. Die Situation ist kritisch für die USA. Sie haben zwar Stützpunkte sowohl in der Türkei als auch im Irak, aber beide Länder sind alles andere als zuverlässig. Als Basis für einen erneuten Angriff steht ihnen eigentlich nur noch Israel zur Verfügung.
Als die USA ihre Ölversorgung schon auf prekäre Quellen stützten, war Russland noch in der komfortablen Lage, billiges konventionelles Öl zu fördern. Sie konnten es sich sogar leisten, die USA zu demütigen, indem sie ihnen Öl verkauften, während die USA so taten, als wären sie Dank Fracking Exportweltmeister. Seit der Eskalation des Bürgerkrieges in der Ukraine ist Russland allerdings in echten Schwierigkeiten. Sie verkaufen immer noch Öl an die USA, aber nun demütigen sie sich selbst, weil sie Geld brauchen, um den Krieg zu finanzieren.
Die Saudis haben angefangen, billiges russisches Öl in der Größenordnung von 100.000 Barrel täglich einzukaufen, und verwenden dieses selbst, während sie ihr eigenes Öl zu wesentlich höheren Marktpreisen verkaufen. Auch die VAE haben den Import russischen Öls verdreifacht. Dasselbe Bild in Indien. Man kauft hier erheblich mehr russisches Öl seit dem Krieg, um dieses an Deutschland weiterzureichen. Dieser Handel hat sich seit Anfang 2023 verdreifacht. Die Deutschen kaufen diese Öle, genauso wie sie das Öl aus Kasachstan kaufen, obwohl sicher ist, dass es sich in Wirklichkeit um russisches Öl handelt, oder zumindest mit diesem verschnitten ist. Sie haben keine andere Wahl, wenn sie den Zusammenbruch der Dieselversorgung verhindern wollen.
Wir haben also eine Situation, in der sich die Russland sanktionierenden Westmächte gegenseitig von der billigen russischen Quelle verdrängen wollen, die Russen aber selbst nicht davon profitieren können obwohl sie erheblich mehr Öl verkaufen als vor 2022. Gewinn machen nur die Zwischenhändler, wie Indien und Kasachstan, sowie die VAE und Saudi-Arabien.
Die USA hatten vor, Russland wirtschaftlich ausbluten zu lassen, und im Grunde gelingt dies auch, wenn auch sehr viel langsamer als gedacht. Es ist einfach so, dass Russland gezwungen ist, seine Rohstoffe für einen unproduktiven Krieg zu verschwenden. Dass die europäischen Partner dabei ebenfalls verbluten, dürften die USA eingeplant haben.