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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Its still the oil, stupid

Uns ist ein The­ma abhan­den­ge­kom­men: Peak-Oil, das Ende der siche­ren Ölver­sor­gung. Kein Wun­der eigent­lich, denn es war nie beliebt. Trotz­dem bemer­kens­wert, weil es durch ein ande­res, sehr umstrit­te­nes The­ma ersetzt wur­de, wel­ches jetzt stän­dig die Schlag­zei­len domi­niert: der Kli­ma­wan­del. Bemer­kens­wert ist auch, dass der Ver­zicht, der dem Ende der Ver­sor­gung fol­gen muss, beim The­ma Kli­ma­ka­ta­stro­phe das erklär­te Ziel ist. Der Unter­schied ist, dass wir wegen der Kli­ma­kri­se ver­zich­ten, um die Welt zu ret­ten, und bei Peak-Oil ver­zich­ten wir, weil es ein­fach nicht mehr für alle reicht. Mit Kli­ma fühlt sich Ver­zich­ten also erheb­lich bes­ser an, und die Kli­ma­ak­ti­vi­sten wer­den das Ende der Ölver­sor­gung als gro­ßen Sieg begrei­fen – und nicht als Unter­gang des Abendlandes.

Obwohl noch mehr Öl im Boden liegt, als bis­her ins­ge­samt geför­dert wur­de, liegt Peak-Oil mitt­ler­wei­le hin­ter uns. Also der Punkt, an dem die Hälf­te der Res­sour­ce ver­braucht ist und das Ange­bot zurück­geht, wäh­rend der Bedarf wei­ter steigt. Dabei spielt es kei­ne Rol­le, über wel­che Art von Ölför­de­rung wir reden. Für Öl aus kon­ven­tio­nel­ler För­de­rung wird der Peak um 2010 ver­mu­tet, inklu­si­ve des Öls aus unkon­ven­tio­nel­len Quel­len etwa zehn Jah­re spä­ter. Kon­ven­tio­nel­le Ölför­de­rung umfasst alle Ölfel­der an Land, wo flüs­si­ges Öl durch den Lager­stät­ten­druck an die Ober­flä­che gedrückt wird. Zu die­ser Kate­go­rie wird seit dem Jahr­tau­send­wech­sel auch die Mar­ke Brent (Nord­see­öl) gerech­net, weil die För­de­rung in der rela­tiv fla­chen Nord­see kei­ne so gro­ße tech­ni­sche Her­aus­for­de­rung mehr dar­stellt. Als unkon­ven­tio­nel­le Ölför­de­rung gilt alles ande­re. Also Schie­fer­öl, Teer­san­de, Deep sea.

Grund­sätz­lich ist die Fra­ge, wie­viel Öl noch da ist, unge­eig­net, um die Reich­wei­te der Res­sour­ce abzu­schät­zen. Ent­schei­dend ist, wie gut man an das Öl ran­kommt und wel­che Qua­li­tät es hat. Die Indu­strie ist nach dem Mot­to best first vor­ge­gan­gen und hat die nied­rig hän­gen­den Früch­te zuerst geern­tet. Mit der Zeit wur­de Ölför­de­rung also immer auf­wän­di­ger, wäh­rend die Qua­li­tät des Öls immer schlech­ter wurde.

Um die Ver­sor­gung der USA auf­recht zu erhal­ten, bag­gert man in Kana­da Teer­san­de. Das ist mit Abstand die dreckig­ste Art, Öl zu ern­ten, und auch eine der teu­er­sten. Immer teu­rer wird auch die För­de­rung aus der Tief­see. Jeder erin­nert sich noch an den Unter­gang der Bohr­in­sel Deep­wa­ter Hori­zon im Jahr 2010. Das Unglück ereig­ne­te sich, als man in einer Tie­fe von 1500 Metern unter dem Mee­res­spie­gel bohr­te. Die För­de­rung aus sol­chen Tie­fen ist extrem ris­kant. Der Tie­fen­re­kord bei Off­shore-Boh­run­gen liegt bei 2800 Metern, wo ein Was­ser­druck herrscht, der dop­pelt so stark ist, wie die Gewalt einer Schrott­pres­se auf dem Auto­fried­hof. Von den welt­weit etwa 160 Bohr­in­seln sind bis­her 12 als Total­scha­den nach Unfäl­len ausgefallen.

Des Wei­te­ren nagen die Ame­ri­ka­ner noch am Schie­fer­ge­stein. Hier haben sich die gro­ßen Unter­neh­men nicht enga­giert, weil sie wuss­ten, dass so kein Geld zu ver­die­nen ist. Also hat man einen Medi­en­hype gestar­tet, um dum­mes Geld anzu­locken. Heu­te sind die mei­sten Fir­men plei­te. Das Öl, das hier gewon­nen wur­de, ist min­der­wer­tig. Man kann dar­aus kaum Die­sel gewin­nen. Anson­sten kau­fen die USA das Öl, wo sie es bekom­men kön­nen – auch aus Russ­land wird importiert.

Zusam­men­fas­send ist fest­zu­stel­len, dass die US-ame­ri­ka­ni­sche Ölver­sor­gung in einer pre­kä­ren Situa­ti­on ist. Aber um das Pro­blem nicht noch schlim­mer zu machen, wird es nicht dis­ku­tiert. Ner­vö­se Anle­ger wür­den sofort ihre Akti­en von BP, Exxon Mobi­le, Sta­toil, Che­vron und Co ver­kau­fen, und dann brä­che die Ver­sor­gung noch schnel­ler zusam­men. Außer­dem gibt es da noch ganz prak­ti­sche Über­le­gun­gen der Ent­schei­der in unse­ren Gesell­schaf­ten. Das Ein­zi­ge, was die tun kön­nen, wenn der zen­tra­le Roh­stoff unse­rer Zivi­li­sa­ti­on zur Nei­ge geht, ist, den Man­gel vor sei­ner Zeit zu orga­ni­sie­ren. Nur dann haben sie genug Res­sour­cen, um den Event zu mana­gen und ihren Macht­er­halt sicher­zu­stel­len. Und das geht ein­fach nicht, wenn die Leu­te im Bil­de sind. Eine künst­lich her­bei­ge­führ­te Ver­knap­pung ist des­halb der logi­sche Anfang vom Ende des Ölzeitalters.

Unse­re Poli­ti­ker haben, wie die mei­sten Men­schen, gedacht, dass es noch sehr lan­ge dau­ern wür­de, bis die Ölver­sor­gung schwä­chelt. Als Richt­schnur galt die Glocken­kur­ve von Mari­on King Hub­bert. Der für Shell täti­ge Geo­lo­ge hat­te ein Muster erkannt. Die Aus­beu­tung eines Fel­des lief lang­sam an, stei­ger­te sich dann, um nach einem Höhe­punkt (dem Peak) genau­so lang­sam abzu­fal­len, wie es sich zuvor gestei­gert hatte.

Die Erkennt­nis­se rech­ne­te Hub­bert auf alle US-Vor­kom­men hoch, um dar­aus zu schlie­ßen, dass die USA Anfang der 70er Jah­re mit einer Ölkri­se rech­nen müss­ten. Die Aus­sa­ge wur­de all­ge­mein belä­chelt und igno­riert. 1974 kam dann der Ölschock, und von nun an war Hub­berts Glocken­kur­ve das Maß der Ölför­de­rung. Aber das Modell von Hub­bert lässt sich eben doch nicht auf die glo­ba­le Ölför­de­rung anwen­den, weil es die Ener­gie­bi­lanz ver­nach­läs­sigt. Denn man muss Ener­gie inve­stie­ren, um fos­si­le Ener­gie­trä­ger zu ern­ten. Es gibt also einen Ern­te­fak­tor: 1960 muss­te man für ein Kg Öl, wel­ches 8 kWh Ener­gie ent­hält, 0,87 kWh inve­stie­ren. So blie­ben der Wirt­schaft, die ja das Öl arbei­ten lässt und mit einem Teil des Gewinns die Bereit­stel­lung finan­ziert, 7,13 kWh übrig. 2012 muss­ten bereits 6,57 kWh inve­stiert wer­den, und nur 1,43 kWh stan­den den End­kun­den zur Ver­fü­gung. Es muss also immer mehr Auf­wand betrie­ben wer­den, und das führt logi­scher­wei­se zu einem Kol­laps des Systems, wenn der Ern­te­fak­tor nega­tiv wird.

Das Gesamt­ergeb­nis lässt sich nicht mehr als Glocken­kur­ve dar­stel­len, son­dern als stei­le Klip­pe. Das Ölzeit­al­ter wird ein schnel­les dra­ma­ti­sches Ende fin­den, wie das bei allen kom­ple­xen Syste­men pas­siert, wenn sie kollabieren.

Die Groß­mäch­te haben die Situa­ti­on rund ums Öl natür­lich im Blick. Ver­ein­facht gesagt, gewinnt jene Macht, die als letz­te in der Lage ist, einen moder­nen Krieg zu füh­ren, wobei Die­sel und Kero­sin unver­zicht­bar sind.

Als die USA 2003 den Irak mili­tä­risch besiegt hat­ten, rich­te­ten sie sofort im Nor­den des Lan­des eine kur­di­sche Sicher­heits­zo­ne ein. Danach haben sie das ira­ki­sche Mili­tär, die Poli­zei und die Dien­ste auf­ge­löst. In unse­ren Medi­en wur­de gefragt, war­um die USA das tun, immer­hin bestand die rea­le Gefahr eines Bür­ger­krie­ges. Aber nie­mand wag­te die­se Fra­ge zu beant­wor­ten. Die Ame­ri­ka­ner woll­ten, dass der Irak zer­fällt. Das war der Plan.

Das Völ­ker­recht ver­bie­tet, dass nach einem Krieg der Sie­ger die Boden­schät­ze des Besieg­ten plün­dert. Also brauch­ten die Ame­ri­ka­ner jeman­den, der das für sie tun konn­te und fan­den die Kur­den. Sie sorg­ten dafür, dass eine radi­ka­le Grup­pe ent­steht, wel­che dann die Stadt Mos­sul ange­grif­fen und erobert hat. Das war der Isla­mi­sche Staat. Die USA haben dabei kei­nen Fin­ger gerührt, um der ira­ki­schen Regie­rung bei der Ver­tei­di­gung ihrer Stadt zu hel­fen. Spä­ter, als die Kur­den die Kräf­te von ISIS angrif­fen, haben die USA den Kur­den mit ihrer Air Force gehol­fen. So konn­ten die Kur­den Mos­sul ein­neh­men – und neben­bei das Ölfeld befrei­en, und nun hat­ten die USA über ihre Ver­bün­de­ten die Kon­trol­le über das ira­ki­sche Öl gewon­nen. Nur nutzt es nichts, das Feld zu kon­trol­lie­ren, wenn man das Öl nicht abtrans­por­tie­ren und ver­kau­fen kann. Also brauch­ten die Kur­den einen Hafen, idea­ler­wei­se am Mittelmeer.

Des­halb muss­te der syri­sche Prä­si­dent Assad ganz drin­gend weg. ISIS über­nahm es, auch Syri­en ins Cha­os zu stür­zen, und die Kur­den wur­den in unse­ren Medi­en zu den hel­den­haf­ten Kämp­fern gegen Ter­ror und Dik­ta­tur – und für Frei­heit und Demo­kra­tie. Ihre Offen­si­ve war sehr erfolg­reich, und wir sahen, wie ihr Gebiet sich immer wei­ter west­lich gen Mit­tel­meer aus­dehn­te. In den Medi­en tauch­ten schon regel­mä­ßig Kar­ten auf, die den ent­ste­hen­den kur­di­schen Staat Roja­va skiz­zier­ten. Ein kur­di­scher Staat mit Öl und umge­ben von Fein­den. Die Kur­den wür­den das Öl an ihre Ver­bün­de­ten ver­kau­fen und von den Petro­dol­lars sofort Waf­fen ein­kau­fen, um sich zu ver­tei­di­gen. Kein schlech­ter Plan.

Aber da war die Tür­kei, die eine sol­che Ent­wick­lung nie­mals akzep­tie­ren konn­te. Offi­zi­ell zwar ein Ver­bün­de­ter der USA, arbei­te­te Erdo­gan nun gegen sie. Er stell­te sei­ne eige­ne Trup­pe auf – und die­se den Kur­den in den Weg. Der Anschluss ans Mit­tel­meer war nun unmög­lich. Die Ame­ri­ka­ner waren fuchs­teu­fels­wild und ver­such­ten Erdo­gan des­halb 2016 zu ent­mach­ten, aber sie ver­fehl­ten ihr Ziel. Dabei hat­ten sie an alles gedacht. Sie hat­ten sogar die Ukrai­ne zum rich­ti­gen Zeit­punkt in Brand gesteckt, um ein mit Syri­en ver­bün­de­tes Russ­land zu beschäf­ti­gen, damit Putin sich nicht ein­mischt. Auch das hat nicht funk­tio­niert. Die USA hat­ten ihren Krieg um ira­ki­sches Öl in Syri­en verloren.

Doch so schnell geben die Ame­ri­ka­ner nicht auf. Sie hal­ten bis heu­te mit sehr weni­gen Kräf­ten die syri­schen Ölquel­len besetzt und erlau­ben den Kur­den die Aus­beu­tung der ira­ki­schen Fel­der. Die syri­schen Ölfel­der sind nicht so wesent­lich, denn schon vor dem Krieg war deren Pro­duk­ti­vi­tät so weit abge­sun­ken, dass Syri­en von einem Öl-expor­tie­ren­den Land, zu einem impor­tie­ren­den wur­de. Die Situa­ti­on ist kri­tisch für die USA. Sie haben zwar Stütz­punk­te sowohl in der Tür­kei als auch im Irak, aber bei­de Län­der sind alles ande­re als zuver­läs­sig. Als Basis für einen erneu­ten Angriff steht ihnen eigent­lich nur noch Isra­el zur Verfügung.

Als die USA ihre Ölver­sor­gung schon auf pre­kä­re Quel­len stütz­ten, war Russ­land noch in der kom­for­ta­blen Lage, bil­li­ges kon­ven­tio­nel­les Öl zu för­dern. Sie konn­ten es sich sogar lei­sten, die USA zu demü­ti­gen, indem sie ihnen Öl ver­kauf­ten, wäh­rend die USA so taten, als wären sie Dank Frack­ing Export­welt­mei­ster. Seit der Eska­la­ti­on des Bür­ger­krie­ges in der Ukrai­ne ist Russ­land aller­dings in ech­ten Schwie­rig­kei­ten. Sie ver­kau­fen immer noch Öl an die USA, aber nun demü­ti­gen sie sich selbst, weil sie Geld brau­chen, um den Krieg zu finanzieren.

Die Sau­dis haben ange­fan­gen, bil­li­ges rus­si­sches Öl in der Grö­ßen­ord­nung von 100.000 Bar­rel täg­lich ein­zu­kau­fen, und ver­wen­den die­ses selbst, wäh­rend sie ihr eige­nes Öl zu wesent­lich höhe­ren Markt­prei­sen ver­kau­fen. Auch die VAE haben den Import rus­si­schen Öls ver­drei­facht. Das­sel­be Bild in Indi­en. Man kauft hier erheb­lich mehr rus­si­sches Öl seit dem Krieg, um die­ses an Deutsch­land wei­ter­zu­rei­chen. Die­ser Han­del hat sich seit Anfang 2023 ver­drei­facht. Die Deut­schen kau­fen die­se Öle, genau­so wie sie das Öl aus Kasach­stan kau­fen, obwohl sicher ist, dass es sich in Wirk­lich­keit um rus­si­sches Öl han­delt, oder zumin­dest mit die­sem ver­schnit­ten ist. Sie haben kei­ne ande­re Wahl, wenn sie den Zusam­men­bruch der Die­sel­ver­sor­gung ver­hin­dern wollen.

Wir haben also eine Situa­ti­on, in der sich die Russ­land sank­tio­nie­ren­den West­mäch­te gegen­sei­tig von der bil­li­gen rus­si­schen Quel­le ver­drän­gen wol­len, die Rus­sen aber selbst nicht davon pro­fi­tie­ren kön­nen obwohl sie erheb­lich mehr Öl ver­kau­fen als vor 2022. Gewinn machen nur die Zwi­schen­händ­ler, wie Indi­en und Kasach­stan, sowie die VAE und Saudi-Arabien.

Die USA hat­ten vor, Russ­land wirt­schaft­lich aus­blu­ten zu las­sen, und im Grun­de gelingt dies auch, wenn auch sehr viel lang­sa­mer als gedacht. Es ist ein­fach so, dass Russ­land gezwun­gen ist, sei­ne Roh­stof­fe für einen unpro­duk­ti­ven Krieg zu ver­schwen­den. Dass die euro­päi­schen Part­ner dabei eben­falls ver­blu­ten, dürf­ten die USA ein­ge­plant haben.