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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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In Memoriam Ludwig Baumann

Am 13. Dezem­ber 2021 wäre Lud­wig Bau­mann 100 Jah­re alt gewor­den. Er ist bekannt gewor­den durch sei­nen erfolg­rei­chen Kampf für die Reha­bi­li­ta­ti­on der Deser­teu­re der Wehr­macht und ande­re Opfer der NS-Mili­tär­ju­stiz. Die­ser Kampf begann schon in den 1980er Jah­ren, wovon Gün­ter Kne­bel, Geschäfts­füh­rer der von Bau­mann gegrün­de­ten Bun­des­ver­ei­ni­gung der Opfer der NS-Mili­tär­ju­stiz, im Rah­men eines Podi­ums­ge­sprächs im Ham­bur­ger Aba­ton-Kino (am 12.12.) berich­te­te. Die ande­ren Teil­neh­mer, Det­lef Gar­be (Lei­tung der Stif­tung Ham­bur­ger Gedenk­stät­ten), René Senen­ko (Bünd­nis Ham­bur­ger Deser­teurs­denk­mal) und Pastor i. R. Ulrich Hent­schel (Gesprächs­lei­ter), waren eben­falls mit Bau­mann bestens ver­traut. In Ham­burg gebo­ren, leb­te Bau­mann zuletzt vie­le Jah­re in Bre­men, wo er 2018 verstarb.

Sei­nen Kampf um die Reha­bi­li­tie­rung der Opfer der NS-Mili­tär­ju­stiz hat Lud­wig Bau­mann bun­des­weit geführt. Er hat mit gro­ßer Hart­näckig­keit und Kon­se­quenz Bünd­nis­part­ner gesucht und sie ggf., wie Kne­bel aus eige­ner Erfah­rung berich­te­te, nicht geschont. In einer Debat­te um die Anwen­dung des revi­sio­ni­sti­schen Gedenk­stät­ten­ge­set­zes auf die Gedenk­stät­te in Tor­gau, in des­sen Wehr­machts­ge­fäng­nis Bau­mann inhaf­tiert gewe­sen war, habe er ihm, Kne­bel, nach­träg­lich har­mo­ni­e­süch­ti­ges Ver­hal­ten vor­ge­wor­fen; man sei getrennt nach Bre­men zurück­ge­reist, und es sei eine Sen­de­pau­se von drei Mona­ten ein­ge­tre­ten. René Senen­ko bestä­tig­te die­sen Cha­rak­ter­zug Bau­manns in ande­rer Wei­se: Man habe ihn nicht »weg­lo­ben« kön­nen. Bezeich­nend war auch eine klei­ne Sequenz eines Films (Vor­stu­fe für ein Pro­jekt, des­sen Ergeb­nis im Som­mer 2022 in die Kinos kom­men soll) der Pro­du­zen­tin und Regis­seu­rin Annet­te Ort­lieb, der im Rah­men der Mati­nee gezeigt wur­de: Dar­in wird Bau­mann vom Lei­ter des Mili­tär­hi­sto­ri­schen Muse­ums der Bun­des­wehr in Dres­den gefragt, ob sich sei­ne (nega­ti­ve) Mei­nung zur Bun­des­wehr geän­dert habe. Dar­auf Bau­mann: Sie habe sich nicht ver­bes­sert. Die Beharr­lich­keit und Bestän­dig­keit Lud­wig Bau­manns, die auch von den ande­ren Podi­ums­teil­neh­mern her­vor­ge­ho­ben wur­de, war sicher ein Ergeb­nis sei­ner Lei­den im Faschis­mus: So war ihm bei­spiels­wei­se die Straf­um­wand­lung sei­ner Todes- in eine Zeit­stra­fe Mona­te lang ver­heim­licht wor­den, sodass er täg­lich mit sei­ner Hin­rich­tung rech­nen muss­te. In der Nach­kriegs­zeit war er als Vor­be­straf­ter und gesell­schaft­lich Geäch­te­ter am Leben ver­zwei­felt und der Alko­hol­sucht ver­fal­len, mit dra­ma­ti­schen Fol­gen für sich und sei­ne Fami­lie: Als er – ermu­tigt durch die erstar­ken­de Frie­dens­be­we­gung vom Beginn der 1980er Jah­re an – sich ent­schlie­ßen konn­te, sein Leben wie­der in die Hand zu neh­men, gab es dann kein Hal­ten mehr. Die Begeg­nun­gen mit jun­gen Men­schen im Rah­men sei­ner Ver­an­stal­tun­gen und der Zuspruch der Gleich­ge­sinn­ten beflü­gel­ten ihn. So wird die zunächst über­ra­schen­de Bemer­kung Det­lef Gar­bes nach­voll­zieh­bar: »Lud­wig hat das Leben geliebt.« Und, so lie­ße sich, etwas lyrisch viel­leicht, ergän­zen: »Das Leben hat ihn auch geliebt.« Das Publi­kum im Aba­ton-Kino auf jeden Fall!