Am 13. Dezember 2021 wäre Ludwig Baumann 100 Jahre alt geworden. Er ist bekannt geworden durch seinen erfolgreichen Kampf für die Rehabilitation der Deserteure der Wehrmacht und andere Opfer der NS-Militärjustiz. Dieser Kampf begann schon in den 1980er Jahren, wovon Günter Knebel, Geschäftsführer der von Baumann gegründeten Bundesvereinigung der Opfer der NS-Militärjustiz, im Rahmen eines Podiumsgesprächs im Hamburger Abaton-Kino (am 12.12.) berichtete. Die anderen Teilnehmer, Detlef Garbe (Leitung der Stiftung Hamburger Gedenkstätten), René Senenko (Bündnis Hamburger Deserteursdenkmal) und Pastor i. R. Ulrich Hentschel (Gesprächsleiter), waren ebenfalls mit Baumann bestens vertraut. In Hamburg geboren, lebte Baumann zuletzt viele Jahre in Bremen, wo er 2018 verstarb.
Seinen Kampf um die Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz hat Ludwig Baumann bundesweit geführt. Er hat mit großer Hartnäckigkeit und Konsequenz Bündnispartner gesucht und sie ggf., wie Knebel aus eigener Erfahrung berichtete, nicht geschont. In einer Debatte um die Anwendung des revisionistischen Gedenkstättengesetzes auf die Gedenkstätte in Torgau, in dessen Wehrmachtsgefängnis Baumann inhaftiert gewesen war, habe er ihm, Knebel, nachträglich harmoniesüchtiges Verhalten vorgeworfen; man sei getrennt nach Bremen zurückgereist, und es sei eine Sendepause von drei Monaten eingetreten. René Senenko bestätigte diesen Charakterzug Baumanns in anderer Weise: Man habe ihn nicht »wegloben« können. Bezeichnend war auch eine kleine Sequenz eines Films (Vorstufe für ein Projekt, dessen Ergebnis im Sommer 2022 in die Kinos kommen soll) der Produzentin und Regisseurin Annette Ortlieb, der im Rahmen der Matinee gezeigt wurde: Darin wird Baumann vom Leiter des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr in Dresden gefragt, ob sich seine (negative) Meinung zur Bundeswehr geändert habe. Darauf Baumann: Sie habe sich nicht verbessert. Die Beharrlichkeit und Beständigkeit Ludwig Baumanns, die auch von den anderen Podiumsteilnehmern hervorgehoben wurde, war sicher ein Ergebnis seiner Leiden im Faschismus: So war ihm beispielsweise die Strafumwandlung seiner Todes- in eine Zeitstrafe Monate lang verheimlicht worden, sodass er täglich mit seiner Hinrichtung rechnen musste. In der Nachkriegszeit war er als Vorbestrafter und gesellschaftlich Geächteter am Leben verzweifelt und der Alkoholsucht verfallen, mit dramatischen Folgen für sich und seine Familie: Als er – ermutigt durch die erstarkende Friedensbewegung vom Beginn der 1980er Jahre an – sich entschließen konnte, sein Leben wieder in die Hand zu nehmen, gab es dann kein Halten mehr. Die Begegnungen mit jungen Menschen im Rahmen seiner Veranstaltungen und der Zuspruch der Gleichgesinnten beflügelten ihn. So wird die zunächst überraschende Bemerkung Detlef Garbes nachvollziehbar: »Ludwig hat das Leben geliebt.« Und, so ließe sich, etwas lyrisch vielleicht, ergänzen: »Das Leben hat ihn auch geliebt.« Das Publikum im Abaton-Kino auf jeden Fall!