Mit dem Image ist das so eine Sache. Normalerweise entsteht es im Kopf der anderen und wird dir von außen angeheftet. Dann sind die Deutschen pünktlich, die Italiener faul und die Franzosen leidenschaftlich.
»Deine Vorfahren waren anscheinend Italiener«, meckert meine Frau am Frühstückstisch in meine philosophischen Anwandlungen hinein. Und zählt auf, was sie alles schon gemacht hat in Sachen Frühjahrsputz. Und alles ohne mich.
»Sag doch einfach, wobei ich dir helfen soll«, entgegne ich, aber mein Einwand zählt nicht. »Früher hast du so was von allein gesehen und dann auch gemacht«, behauptet sie. Ich kann mich zwar beim besten Willen nicht daran erinnern, jemals die Küchenschränke ausgewischt zu haben. Aber so ist das eben mit dem Image: Es stimmt nicht immer mit der Realität überein.
Gerade deshalb kann ein Image manchmal ziemlich schmerzen. Dummerweise lässt es sich nicht so einfach abschütteln. Mit ein bisschen Staubwischen ist der Imagewandel jedenfalls nicht erledigt. Meine Frau hält mich immer noch für einen Italiener.
Das Problem kennt auch Reiner Haseloff. Als Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt hat er sich von einer gerupften Nebelkrähe zum Retter der CDU gemausert. Dafür reichte bei der letzten Wahl ein bisschen AfD und die post-Merkelsche Alternativlosigkeit in den bürgerlichen Parteien. Von Wiederauferstehung und Volkspartei ist zwar nicht mehr die Rede. Aber Haseloff gilt seitdem trotzdem als Fels in der Brandung. Der Imagewandel ist geglückt.
Was ihm als Landeschef gelungen ist, steht Haseloff mit dem Land noch bevor. Ein Image muss her, im Idealfall ein positives. Die größte Herausforderung dabei: Den meisten Menschen fällt zu Sachsen-Anhalt erst einmal gar nichts ein. Wer nicht einmal 1.500 Follower bei Instagram hat, existiert eben überhaupt nicht. Das Land ist für viele (West-)Deutsche eine Terra incognita.
Aber wie ein berühmter Philosoph einst sagte, sind Probleme ja nur dornige Chancen. So sah man das auch in Magdeburg: Wenn Sachsen-Anhalt ein unbeschriebenes Blatt ist, kann man den Leuten vorschreiben, was sie zu denken haben. Diese Idee führte fast zwangsläufig zu dem Slogan »Land der Frühaufsteher«. Damit sollten die Sachsen-Anhalter als besonders aufgeweckt und pfiffig dargestellt wirken. Immerhin: Der frühe Vogel fängt den Wurm. Blöd nur, dass die Leute nicht kapieren wollen, dass frühes Aufstehen toll und überhaupt das Beste an Sachsen-Anhalt ist.
Das Ergebnis war etwas durchwachsen: Das Land bekam endlich mal ein Image, aber was für eins! Es fehlte eindeutig noch an Tiefe. Die kam mit den nachfolgenden Slogans »Ursprungsland der Reformation« und »Hier macht das Bauhaus Schule«. Sachsen-Anhalt zeigte sich damit als Urlaubsgebiet mit kultureller Dichte. Immerhin hat das »Reiseland Sachsen-Anhalt« mehr als 8.000 Follower bei Insta. Das ist schon nah dran an der Konkurrenz von »SchleswigHolsteinUrlaub« (19.000 Follower) und »Rheinland-Pfalz« (21.000 Follower).
Haseloff erkannte aber schnell, dass sich mit solchen Headlines kein langfristiges Image erzeugen lässt. Zu sehr an konkrete Ereignisse und Orte gebunden, zu sperrig, kurz: nicht mehrdeutig genug. Deshalb setzt seine Regierung seit 2020 auf den eingängigeren Slogan »#moderndenken«. Der ist nicht nur zeitlos, sondern auch vollkommen ortsungebunden. Die Bilanz nach zwei Jahren Instagram-Postings: etwa 2.000 Follower. Vielleicht ist die Moderne doch schon etwas zu sehr in die Jahre gekommen, um hipp zu sein.
Aber jetzt hat Haseloff die große Gelegenheit für einen nachhaltigen Mediencoup. Intel baut zwei Halbleiterwerke in Magdeburg, und schon überschlagen sich die Meldungen: größte Investition seit dem Krieg, Ansiedlung von Zulieferern, tausende Arbeitsplätze. Und der Landesvater spricht die erlösenden Worte: »Das wird über Jahrzehnte hinweg das Image unseres Bundeslandes prägen.«
Nur wie? Haseloff gibt erste Leitlinien raus. Sachsen-Anhalt liegt nicht mehr im Osten, sondern ist jetzt »ein zentrales Land in Europa«. Magdeburg wird sein Gesicht vollkommen verändern und eine wirtschaftliche Boomtown werden. Wie die VW-Hochburg Wolfsburg und die Tesla-Siedlung Grünheide. Nur digitaler.
Um eine Sache kommt Haseloff aber nicht herum: Es muss noch ein konkreter Slogan her. Intel baut zwei Halbleiterwerke für Prozessoren und Grafikchips im Magdeburger Stadtteil Eulenberg. Nichts davon ist auch nur annähernd eingängig.
»Was ist denn ein Prozessor?«, fragte meine Frau, als sie die Zeitung durchging.
»Na, das ist eben so ein Ding, das überall drin ist. Gibst du mir mal den Sportteil?«
Besser kann man ad hoc nicht erklären, worum es bei Intel geht. Wahrscheinlich fordert Haseloff deshalb auch, dass sich die Hochschullandschaft in Sachsen-Anhalt ändern soll. Damit endlich mal jemand ganz konkret sagen kann, was ein Halbleiter ist und was ein Prozessor. Dann hätte man vielleicht auch einen Ansatz für einen Slogan. Und Sachsen-Anhalt könnte endlich ein Image bekommen.