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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Im Geist Voltaires

Dem wohl wich­tig­sten Kopf der euro­päi­schen Auf­klä­rung begeg­net man oft in Ber­lin-Bran­den­burg. Das kommt daher, dass Vol­taire eine Zeit­lang zum Hof­staat von Fried­rich dem Gro­ßen gehör­te. Und auch in Frank­furt am Main ist sein Name ins öffent­li­che Bewusst­sein gemei­ßelt: Seit 1962 macht dort der »Club Vol­taire« Furo­re. Das ist eine »links­al­ter­na­ti­ve kul­tu­rel­le Ein­rich­tung«, wie Wiki­pe­dia aus­weist, und die älte­ste mit die­ser Bezeich­nung, denn es kon­sti­tu­ier­ten sich – wäh­rend und nach der 1968er Stu­den­ten­be­we­gung – in eini­gen west­deut­schen Städ­ten wei­te­re Clubs die­ses Namens.

Urhe­ber und Mit­or­ga­ni­sa­tor des Frank­fur­ter »Club Vol­taire« war Hei­ner Hal­ber­stadt, den kurz zuvor die SPD, der er 1946 bei­getre­ten war, raus­ge­wor­fen hat­te. Wegen kom­mu­ni­sti­scher Betä­ti­gung. Spä­ter trat er der Par­tei wegen der Ost­po­li­tik von Wil­ly Brandt wie­der bei, doch Mit­te der neun­zi­ger Jah­re war der Rie­men end­gül­tig run­ter. Damit kam er jedoch nur sei­nem neu­er­li­chen Aus­schluss zuvor. Hal­ber­stadt schloss sich der PDS an und saß für sie eine Legis­la­tur im Frank­fur­ter Stadt­par­la­ment. Seit 2007 arbei­te­te er rebel­lisch und reni­tent, wie von ihm erwar­tet, in Ber­lin im Älte­sten­rat beim Par­tei­vor­stand der Lin­ken mit, er tat dies, solan­ge sei­ne Gesund­heit es ihm erlaubte.

In allen Gre­mi­en, auch in die­sem, fiel er mit sei­ner gerad­li­ni­gen Hal­tung auf. Wegen sei­ner Erfah­rung, wegen sei­ner Prin­zi­pi­en­fe­stig­keit, wegen sei­ner Aus­dau­er und Auf­rich­tig­keit. Als Anti­fa­schist ent­zog er sich dem Mili­tär­dienst, indem er gegen Ende des Krie­ges als 17-Jäh­ri­ger unter­tauch­te, als Pazi­fist half er GIs, zu deser­tie­ren, die nicht in Viet­nam ver­heizt wer­den woll­ten. Er war bei Oster­mär­schen und Sozi­al­pro­te­sten dabei und hol­te kri­ti­sche Köp­fe in den Club – aus den USA Leu­te von Black Pan­ther und Künst­le­rin­nen wie Joan Baez, aus der DDR Anna Seg­hers und Chri­sta Wolf. Oft saß der Ver­fas­sungs­schutz im Publi­kum – den Treff­punkt in einer Sei­ten­stra­ße der »Fress­gass«, unweit der Alten Oper, hat­ten vie­le im Visier, die arg­wöh­nisch ver­folg­ten, wie im Gei­ste Vol­taires Auf­klä­rung über Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart betrie­ben wur­de. Oder dass dort hei­mat­ver­trie­be­ne Fran­zo­sen, Alge­ri­er, Spa­ni­er und, nach dem faschi­sti­schen Putsch 1973, auch Chi­le­nen will­kom­men waren und soli­da­ri­sche Unter­stüt­zung fanden.

Hal­ber­stadt war die See­le, oder wie die Frank­fur­ter Rund­schau schrieb, das »lin­ke Gewis­sen« der Stadt. Er rühr­te die Trom­mel für ein lin­kes Bünd­nis, solan­ge es ging. Nun ist Hei­ner Hal­ber­stadt mit 92 Jah­ren in Frank­furt am Main ver­stor­ben. Nicht nur bei den Oster­mär­schen sah man die Lücke, die er hinterließ.