Wir müssen kriegstüchtig werden. Wir müssen wehrhaft sein. Und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen. (Boris Pistorius, deutscher Verteidigungsminister)
Wenn ich mir die Mühe machen würde, jede unsägliche Äußerung der Regierung in Deutschland meiner vollen Aufmerksamkeit zu unterziehen, würden die Schmerzen im Kopf neue unerträgliche Höhen erklimmen. Doch die Aussage »Wir müssen kriegstüchtig werden« hat sogar auf dieser Negativ-Skala eine einsame Spitze erreicht.
Dieser Satz ist ja eingebettet in einen schon vorbereiteten Resonanzraum, in welchen u. a. der Vorsatz, Russland ruinieren zu wollen, einen geistigen Rahmen abgesteckt hat. Diese Aussage beinhaltet ja, dass rund 140 Millionen Russen und Russinnen ruiniert werden sollen. Es schließt alle ein, also vom Kind bis ins hohe Alter. Welches Menschenbild hinter solchen und anderen Aussagen stehen mag, und welche Erwartungen daran geknüpft waren und sind, mag jeder für sich selbst entscheiden. Aber die blecherne Marschmusik hin zu mehr Militärausgaben gibt eine Richtung vor, der gefolgt werden soll.
Wir alle kennen den Begriff der Tüchtigkeit (eine tüchtige Person etc.). Doch was ist kriegstüchtig? Diese Frage ist ja nicht unwichtig, wenn es uns doch scheinbar alle angeht, denn – Geschichte droht sich in einer Farce zu wiederholen – in diesem Zusammenhang werden ja offenkundig keine Klassen mehr gekannt! Angelehnt an einen Filmtitel über den Wiener Major Kottan aus den frühen 1980ern: »Dem Tüchtigen gehört die Welt«, stellte ich mir die bange Frage: Soll bald dem Kriegstüchtigen die Welt gehören? Der angesprochene Film war eine Krimiparodie, doch die Mächtigen meinen es offenkundig sehr ernst mit ihren Aussagen.
Ich formuliere es mal anders: Wir sollen also eine Ertüchtigung durchführen, hin zum Kriege. Mit Clausewitz formuliert, eine Ertüchtigung hin zu jenem Akt der Gewalt, der den Gegner zur Erfüllung des eigenen Willens zwingt. Das müsste einschließen, dass da wenigstens ein Gegner (bestimmt ein ganz böses Unrechtsregime!) schon bekannt sei. Und diese Hinwendung zur Ertüchtigung, selbstverständlich unter der Knute von Befehl und Gehorsam, kann sich nicht mit Missklängen von schnöden Diskussionen um, zum Beispiel, soziale Themen oder gar den immer größer werdenden Spalt zwischen wenigen Reichen und sehr vielen Armen ablenken lassen. Solche Fantastereien wären irgendwie eine Zersetzung des anvisierten Zieles.
Man stelle sich mal dieses Szenario vor: Sozialer Unmut, nur weil manche Superreiche immer reicher werden – auch durch Krieg –, und im Gegenzug kollabiert das soziale System. So etwas wäre doch mit der Zielsetzung der Kriegstüchtigkeit absolut unvereinbar, also auch jegliche Form von aufkommendem Protest gegen diese soziale Ungerechtigkeit. Auch Streiks würden dann wirklich die große amorphe Wir-Gemeinschaft stören, aufgrund des Unwillens, das große Ganze zu betrachten. Mensch muss die Letzte Generation und deren Aktionen nicht mögen, und der Schreiber dieser Zeilen ist kein Fan, aber sind wir uns alle ganz sicher, dass diese doch recht überzogene Kriminalisierungs-Maschinerie nicht auch zukünftig gegen sozialen Protest insgesamt angewendet werden könnte?
Ich weiß ja nicht, wie Sie es für sich sehen, liebe Leserin, lieber Leser, aber ich halte mich, ohne jedes innere Bedauern, nicht für tüchtig genug, die Ziele des Herrn Pistorius zum Erfolg zu geleiten.