Der Führer meldete sich 2015 zurück. Mitten in Berlin. Aus einer Rauchschwade war er plötzlich uns. »Er ist wieder da«, hieß der Film, nachdem zuvor schon das gleichnamige Buch des Autors Timur Vermes die Bestseller-Listen gestürmt hatte – das mehr als zwei Millionen verkauft und in 41 Sprachen übersetzt wurde.
Im Film lässt der Regisseur seinen Hauptdarsteller in Nazi-Uniform inmitten Berlins aus einem Kanal-Gully in die Gegenwart steigen. Adolf Hitler (gespielt von Oliver Masucci) ist selbst mehr als überrascht, als er realisiert, dass er nun plötzlich wieder am Leben ist. Und wie hat sich die Welt verändert?! Der gerade bei einem großen Privatsender namens »MyTV« gefeuerte Journalist Fabian Sawatzki (gespielt von Fabian Busch) wittert als Erster die Chance, mit diesem seltsam-faszinierenden vermeintlichen Adolf-Hitler-Imitator, der dem echten Führer verblüffend ähnlich ist, Geld zu verdienen und seinen alten Job wiederzubekommen. Es wird ihm gelingen. Dieser Hitler begeistert alle: alte Menschen erinnern sich an eine Zeit, in der nicht alles schlecht und vieles besser war, junge Leute finden ihn cool, eine »irre Type«.
Der zurückgekehrte Führer tritt seinen Siegeszug an, tingelt durch Talkshows, wird bestaunt von der Presse, bejubelt vom Boulevard und zum Hit auf YouTube. Die Führung der NPD macht er derweil beim Ortsbesuch in der Parteizentrale zur Minna, weil sie so ein verlorener Haufen sei. Wenn er bloß die SS wieder hätte! Hitlers scheinbar unaufhaltsamer Aufstieg bekommt erst dann einen Knacks, als ein Video auftaucht, das zeigt, wie er einen Hund erschießt. Hetze gegen Minderheiten, Gefasel vom Wohl des deutschen Volkes – das geht. Kein Herz für Tiere – das geht nicht, vor allem nicht mit den Grünen, die sich der neue, alte Hitler gut als Koalitionspartner vorstellen kann. Schließlich ist Naturschutz nichts anderes als Heimatschutz, und wie man die Heimat schützt, das weiß niemand besser als er.
Regisseur David Wnendt spielt scheindokumentarisch mit Menschen, denen der vermeintliche Hitler in Alltagssituationen vor die Nase gestellt wird. Die Menschen jubeln ihm zu, er stellt sich vors Brandenburger Tor und lässt sich fotografieren, geht ins Gasthaus zum Stammtisch, an dem rechte Parolen die Runde machen, Asiatische Touristen finden ihn lustig, auf Sylt oder in Passau schwadronieren ältere Herren, sie hätten nichts gegen Ausländer, aber …! Die Frau von der Imbissbude schließlich fasst zusammen, was dem Film-Publikum innerhalb von zwei Stunden an Ressentiments um die Ohren gehauen wird: Es gibt keine Demokratie, Politiker sind korrupt, Ausländer kriminell, deren Kinder eine Plage – und seine Meinung darf man auch nicht sagen. Das werde ich ändern, verspricht der freundliche Herr Hitler. Da bittet die Frau vom Imbiss um ein Selfie. »Er ist wieder da« ist über weite Strecken beängstigend komisch. Welche Idioten echt sind und welche Teile der Inszenierung, das ist nicht so ganz klar.
Sogleich fragten viele besorgt: Darf man das? Diese Frage beantwortete schon Charlie Chaplins famose Satire »Der große Diktator« 1940. Man darf! Das gilt auch acht Jahrzehnte später noch. Im Rahmen der Kunst und Unterhaltung ist es durchaus erlaubt, sich über Adolf Hitler lustig zu machen, um den Tyrannen mit den Waffen der Satire zu bekämpfen. Doch was passiert, wenn man nicht über, sondern mit Adolf Hitler lacht?
»Er ist wieder da« bietet nicht den eindimensionalen Dämonen Hitler, sondern einen nicht uncharmanten Pragmatiker, der das moderne Leben schnell adaptiert und zu seinen Zwecken nutzt. Dieser »neue« Hitler hält weitgehend an seinen menschenverachtenden Thesen fest, diese kommen aber nun als Comedy getarnt daher, ohne dabei ihre Wirkung zu verfehlen. Mit der Parodie-Figur Hitler sind die Menschen vertraut, vertrauter als mit dem echten Tyrannen, den die wenigsten noch persönlich erlebt haben. Somit begibt sich der Film auf ideologisch unwegsames Terrain, wenn er sein Publikum mit diesem – und über diesen – Adolf Hitler lachen lässt. Ein Kritiker bemerkte dazu, die toxische Komödie sei so unterhaltsam-lustig wie gleichermaßen schmerzhaft, wenn man sähe, »wie viele dem Hitler 2.0 schon wieder auf den Leim gehen«. David Wnendts Film hielt den Deutschen einen Spiegel vor.
Hitler und die Nazis: kaum ein Abend vergeht, an dem nicht irgendeine Dritte-Reich-Doku durch die Fernsehprogramme rauscht. Hitler ist eine omnipräsente Figur. Als Karikatur, als Werbefigur, als Comic. Hitler ist ein Popstar. In seinem Erregungs- und Entrüstungspotenzial wird er von keiner anderen historischen Schreckensgestalt übertroffen.
Schon 2007, als Dani Levys Film »Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler« in die Kinos kam, war die Aufmerksamkeit groß. Levy präsentierte dem Publikum die wohl komischste Hitler-Figur der Filmgeschichte, gespielt von Helge Schneider. Aus dem Schicksalskanzler der Deutschen wird ein hier grotesker Mini-Gröfaz, den der jüdische Schauspieler »Adolf Grünberg« mit allerlei Köper- und Sprechübungen auf eine Neujahrsrede 1945 vorbereiten soll, um den kriegsmüden Deutschen neue Motivation zu geben. Doch der Führer selbst ist schwach und verwirrt. Grünberg wird aus dem KZ geholt, um Hitler wieder in Form zu bringen, ihn zu motivieren und ihm als Lehrer zur Seite zu stehen. Hitler als Witzfigur, dessen Überleben in der Hand eines jüdischen Schauspielers liegt. Eine grandiose Parodie.
Keine Frage: Es gibt eine neue Leichtigkeit im Umgang mit Hitler und dem Nationalsozialismus. Nicht weil der Gegenstand seinen Schrecken verloren, sondern weil sich der Schrecken vom Gegenstand gelöst hat. Ob als Film, Buch oder Parodie-Vorlage: das tatsächlich Geschehene weicht einem historischen Mythos, der keine Widersprüche kennt. Die Gestalten, die Propaganda, die Verbrechen der Nationalsozialisten, das reale Grauen schlägt um in schaudernde Faszination, mitunter in Klamauk und trübe Comedy. So wird das NS-Deutschland vernebelt und marktgängig in die Jetzt-Zeit transferiert. Die Nazi-Ära verkommt zur beliebig ersetzbaren Chiffre des Bösen – mit einem verhängnisvollen Nebeneffekt: der Verharmlosung.
In seiner mittlerweile auch in deutscher Übersetzung vorliegenden Studie mit dem Titel »Hi Hitler!«, weist der US-amerikanische Historiker Gavriel D. Rosenfeld auf eine seit Jahren anhaltende »Normalisierungswelle« hin, eine Tendenz, die die Einzigartigkeit der NS-Verbrechen negiert. Mit dem Verschwinden von Zeitzeugen werde, so Rosenfeld, das Geschehene zunehmend aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht. Begünstigt werde diese Entwicklung durch die Informationsrevolution. Der Aufstieg digitaler Technologien und vor allem des Internets erleichtert, ja erzeuge »kontrafaktisches Denken«. Die NS-Vergangenheit löse sich zunehmend vom historischen Kontext. Adolf Hitler erlebt seit Jahren eine Normalisierung.
Galt er jahrzehntelang als Inbegriff des Bösen, erscheint er nun zunehmend als skurrile, groteske Figur. Nirgendwo wird der Wandel sichtbarer als im Internet. Wer bei Google eine einfache Bildsuche zu Hitler startet, sieht neben dokumentarischen Archivfotos, zunehmend digital veränderte humoristische Fotos. Hitlers als Witzfigur, als Lachnummer, der unter einer 70er-Jahre Discokugel als »Disco Hitler« den flotten Tänzer gibt oder in »Bedtime Hitler« im Schlafanzug auf dem Schlitten durch den Nachthimmel fährt. Es gibt zahllose Bildmakros von Hitlers-Kopf, die mit Photoshop auf die Körper von Supermodells, Popsängern und Sport-Heroes montiert wurden, und in Sprechblasen wird der einstige Führer statt mit »Heil« mit einem coolen »Hi« begrüßt.
Der Ausruf »Hi, Hitler« steht nicht nur wegen seiner Komik für eine neue Tendenz in der Darstellung der NS-Vergangenheit. Tatsache ist, unterschiedliche Genres wie das der Satire, der Fantasy und kontrafaktischer Geschichtserzählungen, tragen zur historischen und moralischen Verflachung bei. Sie laufen dadurch Gefahr, Inhalte zu Gunsten von Gags und Pointen zu opfern. Zwar geben die Produzenten stets an, hehre moralische Ziele zu verfolgen und sich der historischen Aufklärung verpflichtet zu fühlen. Es gehe darum, mit modernen visuellen Darstellungsformen vor allem jüngere Menschen anzusprechen. Für Gavriel D. Rosenfeld aber sind die satirischen Darstellungen Hitlers im Internet Teil eines größeren Wandels, der sich aktuell in der Erinnerungskultur an die NS-Zeit vollzieht: die Normalisierung und Relativierung der Vergangenheit.
Im Nachkriegs-Deutschland wollten die einstigen Volksgenossen die »dunklen Jahre« von ihrem eigenen Erleben und Mit-Tun abspalten. Hitler allein sollte es gewesen sein, verantwortlich für das Verderben der Deutschen und ihre millionenfachen Verbrechen. Wenn nicht allein, dann allenfalls eine kleine verbrecherische Nazi-Elite und ihre fanatischen Getreuen. Eine bequeme, exkulpierende Legende. So ließen sich persönliche Schuld und Scham gut entsorgen. Für die heutige Generation, ausgestattet mit jugendbedingter, nicht kontaminierter NS-Gesinnung, liefert die digitale Unterhaltungs- und Zerstreuungsindustrie nun solides Basismaterial zur Verflachung und Relativierung der Nazi-Barbarei. Mitunter im coolen Comic-Slang: »Hi, Hitler, weißt Du, wo die Nazis sind?«
Gavriel D. Rosenfeld: »Hi Hitler! Der Nationalsozialismus in der Popkultur«, Theiss Verlag, Darmstadt 2021, 512 S., 48 €.