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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Hate-mails im Theater

Am 23. Febru­ar fand im Deut­schen Schau­spiel­haus Ham­burg eine Koope­ra­ti­ons­ver­an­stal­tung mit der ZEIT statt, deren Titel für sich sprach: »Gut, dass du rus­sen-has­sen­de Eman­ze dei­nen Kriegs­hetz­senf dazu gibst.« Der Unter­ti­tel erläu­ter­te: »Spra­che und Rea­li­tät im Netz des Krie­ges«. Die­se Erläu­te­rung wie­der­um spiel­te dezent auf angeb­li­che schick­sal­haf­te Ver­strickun­gen an.

Das Podi­um war so besetzt, dass kei­ne inhalt­li­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen zu erwar­ten waren; sie fan­den auch nicht statt. Als zusätz­li­cher dezen­ter Hin­weis auf die gemein­sa­me Posi­tio­nie­rung konn­te ein Foto im Hin­ter­grund die­nen, auf dem in eine ukrai­ni­sche Fah­ne das Bild einer Frau inte­griert war, die sich die Zei­ge­fin­ger der anson­sten geball­ten Hän­de so vor ihr Gesicht hält, dass eine hef­ti­ge Gemüts­be­we­gung – viel­leicht ein unter­drück­ter Schrei – zu erah­nen ist.

Für die Vor­stel­lung galt ein Ein­heits­preis von 5 € mit frei­er Platz­wahl. Dem­entspre­chend gut gefüllt war das Thea­ter, als Jörg Lau (DIE ZEIT) sei­ne Mode­ra­ti­on begann. Das Podi­um setz­te sich zusam­men aus drei Frau­en und einem Mann, die fol­gen­de Insti­tu­tio­nen ver­tra­ten: Stif­tung Wis­sen­schaft und Poli­tik, Insti­tut für Euro­päi­sche Poli­tik, Euro­pean Coun­cil on For­eign Rela­ti­ons und Uni­ver­si­tät der Bun­des­wehr München.

Statt die Äuße­run­gen des Podi­ums zu refe­rie­ren, sol­len nur eini­ge »High­lights« her­vor­ge­ho­ben wer­den. Die ihnen zuzu­ord­nen­den Namen sind in die­sem Zusam­men­hang ent­behr­lich, da zwi­schen die ein­zel­nen Bei­trä­ge inhalt­lich kein Blatt Papier pass­te: Die gesell­schaft­li­che Situa­ti­on im heu­ti­gen Russ­land wur­de ver­gli­chen mit der im Deut­schen Reich »der 1930er und 1940er Jah­re«. Wer denkt da nicht an die Unter­stel­lung, die heu­ti­ge rus­si­sche Gesell­schaft und Poli­tik sei faschi­stisch geprägt? (Die­ser Hin­weis erfolg­te spä­ter expli­zit.) Der ukrai­ni­schen Regie­rung wur­de beschei­nigt, dass die Insti­tu­tio­nen funk­tio­nier­ten, mit dem Hin­weis, Kor­rup­ti­on wer­de inzwi­schen zuneh­mend stär­ker ver­folgt. Als Argu­ment gegen den Ver­dacht, sie wür­den von der Regie­rung bezahlt, führ­ten zwei Per­so­nen auf dem Podi­um an, sie hät­ten schon lan­ge, bevor die Regie­rung gehan­delt hät­te, für die Lie­fe­rung von Pan­zern plädiert.

Das mag genü­gen, um einen Ein­druck zu vermitteln.

Die Gegen­sei­te kam kaum zu Wort, außer indi­rekt, dadurch, dass ein Podi­ums­gast sich selbst zitier­te, und zwar mit dem Begriff des »Natio­nal­pa­zi­fis­mus« (mit Bezug auf die Wagen­knech­t/­Schwar­zer-Initia­ti­ve), was sicher nicht schmei­chel­haft gemeint war.

Die Pola­ri­sie­rung der Dis­kus­si­on über den Ukrai­ne-Krieg wur­de bedau­ert; dage­gen wur­de Auf­klä­rung, »ohne die Mei­nun­gen gegen­ein­an­der zu stel­len«, emp­foh­len, was aber doch Ver­trau­en in die unan­fecht­ba­re Wahr­heit der eige­nen Posi­ti­on voraussetzt.

Die State­ments wur­den unter­bro­chen durch Blöcke von Lesun­gen: Ensem­ble-Mit­glie­der rezi­tier­ten hate-mails an die Podi­ums­mit­glie­der. Abge­se­hen davon, dass ich mich fra­ge, was die­se dazu gebracht haben mag, die­se zur Ver­fü­gung zu stel­len und sich auch noch öffent­lich anzu­hö­ren, wur­de der mög­li­che Zweck ver­fehlt, Empa­thie mit den Emp­fän­ge­rin­nen aus­zu­lö­sen. Es wur­de viel­mehr dröh­nend gelacht. Und das war viel­leicht als Gegen­ge­wicht gegen das bedrücken­de The­ma gedacht. (Immer­hin konn­ten sie ihre Befind­lich­keit anschlie­ßend darstellen.)

Seit einer Wahl-Ver­an­stal­tung mit Hel­mut Kohl im CCH Ham­burg, als sich alle Anwe­sen­den erho­ben, um das Deutsch­land-Lied zu sin­gen, habe ich mich nicht mehr so allein in einer Groß­ver­an­stal­tung gefühlt. Unter­schied immer­hin: Im Deut­schen Schau­spiel­haus erho­ben sich alle nur, um anschlie­ßend das Thea­ter ver­las­sen zu kön­nen. Immerhin.