Die etwa 1500 Werke umfassende Kunstsammlung der Berliner Volksbank verfügt über besonders reiche Bestände aus der Nachkriegskunst. So war eine Ausstellung über die Charlottenburger Bohème und ihre Exponenten, zu denen Hans Laabs, aber auch Hans Uhlmann, Werner Heldt, Ludwig Gabriel Schrieber, Jeanne Mammen, Heinz Trökes, Alexander Camaro und andere gehörten, längst fällig. Die Entwicklung von Laabs, der 1945 als 30-Jähriger in das ausgebombte Berlin kam, steht stellvertretend für dessen Freunde, die in dessen Atelier in der Ludwigkirchstraße unter dem Dach zusammenkamen, in der Galerie Rosen am Kurfürstendamm eine Begegnungsstätte moderner Kunst fanden, die Gründung der Hochschule für Künste in der Bundesallee erlebten und im Juli 1949 selbst das Künstlerkabarett »Die Badewanne« ins Leben riefen. Alles das machte die »Charlottenburger Bohème« aus, einen Surrealismus, der dem eines Salvador Dalí voraus hatte, dass er eben ein kritischer Realismus war, aus der Phantasie und der Bizarrerie des damaligen Lebens geboren, wie ein damaliger Mitstreiter bezeugte. Ja, das Überleben setzte damals surrealistische Prioritäten, und die Absurdität war handgreiflich lebensnotwendig. Aber dieser Berliner Surrealismus ging nur kurze Zeit, bevor ihn das währungsreformierte westdeutsche Wirtschaftswunder von der Bildfläche verdrängte. Das war dann auch der Zeitpunkt, dass Laabs, der Nonkonformist, Westberlin verließ und mehr als 30 Jahre auf die Baleareninsel Ibiza übersiedelte, hier den strahlenden Eindruck der Sonne, des Lichts, die mediterrane Klarheit erlebte, bevor er Mitte der 80er Jahre nach Berlin zurückkehrte und 2004 – 89jährig – starb.
Jörn Merkert, der einstige Direktor der Berlinischen Galerie, die einen Großteil der Werke von Hans Laabs, auch aus seiner Sammlung zu den Künstlerfreunden, besitzt, hat sein Künstlertum als »artistisches Vagabundentum« bezeichnet. Tatsächlich bilden Gegenständlichkeit und Abstraktion im Werk von Laabs ein konstruktives Mit- und Gegeneinander – und das ist wohl auch der Grund dafür, dass seine Bilder in leuchtender Farbigkeit zeitunabhängig blieben, weder dem Berliner Neo-Surrealismus noch dem zeitgenössischen Informel zuzurechnen sind. 1949 entstand sein »Knabenbildnis«, ein schmächtiger, aufrecht stehender Junge, der unverwandt den Betrachter anschaut – haben wir es hier mit einem versteckten Selbstbildnis des Künstlers zu tun? Dieser Bildtyp taucht öfters bei Laabs auf. Neben Figurendarstellungen, die keine Porträts darstellen, aber eine genaue Gestimmtheit vermitteln, werden in der Ausstellung Stillleben, ins Sinnbildliche übersetzte Naturerlebnisse, genauer Seestücke von Laabs gezeigt, in denen Himmel, Wasser und Strand ineinander übergehen und eine ungeheure Weite den Betrachter umfängt. Neben den Werken des heiteren Melancholikers Laabs ziehen die schwermütigen, herb verschlossenen Werke Werner Heldts, der das trostlose Antlitz des zerstörten Berlin in Traumbilder der Leere und Sehnsucht verwandelt, Camarros poetische Szenen aus der Welt des Theaters und Varietés, Trökes surrealistische Gemälde und Uhlmanns schwerelos wirkende Metallplastiken – sollte man eher Raumzeichen sagen? –, aber auch seine frischen, wie spielerisch wirkenden, in den Farben allerdings zurückhaltenden Aquarelle in den Bann.
»Bohème in Charlottenburg – Hans Laabs und Freunde«, Stiftung Kunstforum der Berliner Volksbank, Kaiserdamm 105, 14057 Berlin, tägl. 10 – 18 Uhr, bis 7. Juli. Begleitpublikation.