Es waren auch in der DDR nicht die vielen angeblich angstfreien und mutigen Menschen, die von einem verknöcherten System mehr menschliche Veränderungen verlangten, als dieses in der Lage oder bereit gewesen ist, mit Reformen zu ermöglichen. Es war eine verschwindende Minderheit, die trotz ihrer Ängste ins Handeln kam. Die vielen Angstfreien und Mutigen traten erst in Erscheinung, als die Repressionen nachließen. Hier beginnt bereits die Fälschung in der Geschichtsschreibung. Und die verschwindende Minderheit wollte rechtsstaatliches Handeln auch und gerade von den Regierenden sowie einen achtsamen Umgang mit der Mitwelt. Sie wollte keinen Wohlstand auf Kosten anderer Länder und künftiger Generationen.
Seit 1999 gibt es keinen einzigen Tag ohne Kriegsbeteiligung von Bundeswehrmitgliedern. Diese 20 Jahre Dauerkriege sind eine Folge unseres politischen Einsatzes in der DDR! Ohne Zusammenbruch des Ostblocks gäbe es keine Osterweiterung der NATO und keine so dummfreche Kriegstreiberei jenseits des Völkerrechts durch die uns Regierenden und das Militär.
Ich habe in der DDR trotz meiner Ängste widersprochen, gefordert, gestritten und mich exponiert. In Anbetracht dieser 20 Jahre Kriegsgeschichte schäme ich mich heute dafür. Hätte eine verschwindende Minderheit, zu der ich damals zählte, nicht so deutlich widersprochen, würden heute nicht schon wieder Autobahnen nach Osten für Kriegsgerät ertüchtigt und Panzer an die russische Grenze geschickt.
Was sollte ich an dieser Situation feiern können?
Unser, mein Widerspruch damals hat zu den heutigen Kriegstreibereien mit beigetragen, dies gilt es zunächst zu erkennen. Die Kriegstreibereien verstoßen zu großen Teilen gegen das Völkerrecht und unser Grundgesetz. Trotzdem unternimmt die Justiz seit 20 Jahren nichts, um staatliches Handeln an gültiges Recht zurückzubinden. Die Justiz wird in dem Zusammenhang immer erst tätig, wenn es darum geht, die staatlichen Rechtsbrüche vor unseren Eingriffen zu schützen. Unsere gewaltfreien Interventionen in staatliche Unrechtspraxis werden von der Justiz kriminalisiert. Unsere vor über 30 Jahren erhobene Forderung nach rechtsstaatlichem Handeln hat zu einer entgegengesetzten Praxis geführt.
Was sollte ich an dieser Situation feiern können?
Große Teile des Landkreises Stendal werden für Kriegsvorbereitungen missbraucht. Genannt seien hier nur der Truppenübungsplatz Klietz und die Colbitz-Letzlinger Heide. Dort werden Milliardenbeträge auf Umwelt zerstörende Weise für Kriegsübungen vergeudet, und gleichzeitig zählt unser Landkreis zu den ärmsten der BRD. Dadurch gehen Kinder aus Stendal morgens ohne Frühstück hungrig in die Schulen.
Was sollte ich an dieser Situation feiern können?
Wir waren in der DDR eine verschwindende Minderheit, die letztendlich tiefgreifende Änderungen angestoßen hat. Nur sind unsere damaligen Ziele nicht im Ansatz erreicht. Die Wende ist noch nicht zu Ende, weil wir dem Frieden in Gerechtigkeit und der Achtung vor der Mitwelt seit dem Ende der DDR nicht näher gekommen sind.
Was sollte ich an dieser Situation feiern können?
Wenn Minderheiten tiefgreifende Änderungen anstoßen konnten, dann ist auch heute noch nicht alles verloren, dann können auch heute Minderheiten unsere damals formulierten Ziele erstreiten. Unser widerständiges Handeln in der DDR verpflichtet uns, heute ebenfalls zu widerstehen, wenn wir uns nicht selbst verraten wollen. Angesichts des 30sten Wendegedenkens gibt es einiges einzugestehen, sehr viel zu tun und im Verhältnis dazu leider nur wenig zu feiern!