Über das Ende der Zivilisation nachzudenken führt zu der Frage: Und was dann? Die Klimawandeldebatten und die Bedrohung ein drohendes globales Inferno durch Einsatz von Atomwaffen weisen auf die suizidalen Triebkräfte des kapitalistischen Gesellschaftssystems. In monotheistischen Religionen wird auf ein besseres Leben nach dem Tod verwiesen, wenn das Gute das Böse besiegt hat. Diese Tröstung ist gleichzeitig eine apokalyptische Matrix (Schmidt-Salomon). Dagegen sucht eine wachsende Mehrheit der Menschen weltweit nach Alternativen zu der herrschenden Ausbeuter-Politik, die den Profit über die Grundbedürfnisse alles Lebendigen auf unserem noch blauen, aber teils rauchgeschwärzten Planeten stellt.
Diesen Prozess des Umdenkens untersucht Bruno Kern in seinem aktuellen Buch »Das Märchen vom grünen Wachstum – Plädoyer für eine solidarische und nachhaltige Gesellschaft« und gibt kritische Antworten. Der Gründer des ökosozialistischen Netzwerks begründet, wie eine Zivilisation nur durch radikale Änderung des Lebensstils überleben kann.
Aber was können wir selber tun gegen die Wegwerf- und Überfluss-Gesellschaft, gegen Mobilität auf fossiler Energiebasis? Welche Hoffnungen können wir auf regenerative Energien setzen? Auch diese sind nicht unendlich und setzen voraus, dass wir weniger konsumieren. Zum Beispiel sei auch »der Einsatz von Wasserstoff für die Aufrechterhaltung unseres Maßes an Mobilität … völlig illusorisch«. Mit wissenschaftlichen Fakten belegt der Autor das. Nico Paech ist vielen als Postwachstumsökonom bekannt. Seine Schlüsselaussage »Allein Lebensstile können nachhaltig sein« ergänzt Kern damit, dass er solchen Bottom-up-Ansatz zur Überwindung unseres wachstumsgetriebenen Kapitalismus als Gesamtstrategie für aussichtslos hält. Wie wir auf übergreifende makroökonomische Strukturen auf dem langen Weg zu einer nachhaltigen und solidarischen Gesellschaft angewiesen sind, wird analysiert. Spannend war die Lektüre für mich auch durch viele Einzelthemen (unter anderem solarthermische Kraftwerke/Desertec, ökologischer Fußabdruck der Elektroautos, bedingungsloses Grundeinkommen, welche heutigen Probleme der Marxismus-Leninismus nicht sehen konnte) und Zitate (zum Beispiel von Walden Bello, Vandana Shiva, Erich Fromm, Mohssen Massarrat, Ernst Ullrich von Weizsäcker). Den Abschluss bilden sieben Thesen unter der Überschrift »Konsumverweigerung als politische Strategie?« Hier werden Kriterien für Bedürfnisse hinterfragt. Die Weiter-so-Ideologie mit der Absicherung »unseres Wohlstands« wird Perspektiven eines guten Lebens, einer Philosophie des Buen Vivir gegenübergestellt. Auf die Überwindung eigener Ohnmachtserfahrungen angesichts der politischen, sozialen und ökologischen Realitäten wird eingegangen. Für mich ist dies ein kleines Handbuch für die fast alltäglichen Diskussionen.
Bruno Kern: »Das Märchen vom grünen Wachstum – Plädoyer für eine solidarische und nachhaltige Gesellschaft«, Rotpunktverlag, 240 Seiten, 13 €