Im vergangenen Jahr, als Franziska Giffey, die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, im Fadenkreuz des moralischen Rigorismus stand, attestierte eine Journalistin oder ein Journalist – ich weiß nicht mehr, wer, wann, wo – ihr wohlwollend, sie habe »ursozialdemokratische Politik umgesetzt«: mehr Geld für Verbesserungen in Kindertagesstätten, mehr Geld für Familien, vor allem ärmere.
Sie orientiere sich nicht an gutverdienenden Großstadtintellektuellen, sondern an Menschen mit mittleren und kleineren Einkommen. Wie schon zu ihrer Zeit als Bezirksstadträtin für Bildung, Schule, Kultur und Sport und dann von 2015 bis 2018 als Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln.
Mitte Januar habe ich Franziska Giffey erlebt, wie sie als Gastrednerin auf dem Neujahrsempfang der SPD-Bürgerschaftsfraktion im Festsaal des Hamburger Rathauses die rund 1100 Zuhörerinnen und Zuhörer begeisterte, mit allen Charakteristika, die ihr in dem erwähnten Kommentar zugeschrieben worden waren.
Sie redete so, dass man sie verstand, pragmatisch, vernünftig, lösungsorientiert, strahlte Realitätssinn und Optimismus aus, zeigte sich freundlich, den Menschen zugewandt. Für ihre »Charme-Offensive« erhielt sie »tosenden Applaus« (Hamburger Abendblatt).
Auf dem Heimweg grübelte ich, welches der vorgenannten Attribute ich der neuen Doppelspitze der SPD zuschreiben würde. Ich grübele noch immer.