Wozu habe ich Arme? frage ich mich zum ersten Mal. Die können gar nichts! Nicht den eigenen Körper heben, der an einer Stange hängt (Klimmzug). Nicht den Körper von Stange zu Stange weiterreichen (Hangeln). Nicht mal vom Boden kriegen die den Körper hochgedrückt (Liegestütz).
Die Wahrheitsdrohne mit ihrem selbstzufriedenen Grinsen geht mir auf den Sack. Propeller wären für mich auch keine Lösung.
Als Schriftsteller könnte ich mich auf meine rechte Hand rausreden, die den Stift führt. Aber es gibt Spracheingabe. Und der linke Arm an mir bleibt komplett sinnlos. Schon ärgere ich mich über die Situation, die mir das alles klarmacht, da ahne ich einen Zusammenhang. »Training mit dem Eigengewicht«, erklärt man mir, sei, was man in diesem Fitnesspark betreibe. Mein Eigengewicht könnte mein eigentliches Problem sein, kombiniere ich. Die Arme sind unschuldig beziehungsweise von der Aufgabenstellung überfordert. Weniger sie habe ich gerade kennengelernt als das unbekannte Hängeobjekt (UHO) zwischen ihnen und meinen Beinen. Die übrigens mein Eigengewicht spielend tragen und das täglich. Mit ihnen kann ich zufrieden sein und weiß auch, warum: Mein einziger Sport ist Fahrradfahren, weil das zugleich meine Grundmobilität ist. Auto habe ich keins, Züge fallen in der Regel aus, da bleibt nur das Fahrrad, wenn man sein Ghetto mal verlassen will. Und es ist umweltfreundlich. Meine Beine retten die Welt. Und was tun meine Arme?
»Calisthenics« nennt sich, was ich gerade gemacht habe. Übersetzt heißt das ungefähr »stark und schön«. Eins bin ich schon, eins werd ich noch. Passt. Weil ich an diesen Geräten vorbeikam in einem Moment, als eine Gruppe Jugendlicher sie benutzte und sich dabei filmte, um mittels eines Promovideos zu erreichen, dass auch in ihrem Stadtteil sowas aufgestellt wird, bin ich Teil einer Botschaft geworden: Calisthenics ist für alle Generationen. »Können Sie da mal einen Klimmzug machen?«, lud ein freundlicher Schrank von einem Siebzehnjährigen mich ein. »Oder Sie hangeln«, schlug eine Blondine vor, nachdem sie meinen Versuch gesehen hatte. »Ich demonstriere, wie nötig ältere Menschen Calisthenics haben«, erläuterte ich den Jugendlichen meine Performance. Mehrere Hundebesitzer, die vorbeikamen, wurden mit mir für ein »Mehrgenerationenfoto« an den Stangen gecastet. Die Hunde bellten. Ihre Intoleranz erlaubte es ihnen nicht, ruhig dabeizustehen, während Herrchen und Frauchen sich bewegten. Denn das taten sie, da sie die mittlere Generation verkörperten, im Gegensatz zu mir als werbeunwirksam chancenlosem Altersextrem. Ab heute weiß ich: Mein Kopf ist die einzige obere Extremität an mir, die eine Funktion ausübt.
Ja natürlich, ich kann umarmen. Der Einwand gilt aber nicht. Dabei will nämlich nur mein Eigengewicht ein attraktives Fremdgewicht nächstmöglich an sich heranpressen. Es hilft nichts, mit meinem Eigengewicht werde ich mich befassen müssen. Calisthenics hat mich gekriegt. Wenn sich an meinem Eigengewicht nichts ändert, melde ich meine Arme für eine Organspende an. Als Ornamente. Weil: Schön sind sie ja.