Der österreichische Wahlkampf und das Ergebnis erinnern an die Komödie »Pension Schöller«. Die PolitikerinnenPolitiker halten die WählerinnenWähler für IdiotinnenIdioten, und die WählerinnenWähler halten die PolitikerinnenPolitiker für IdiotinnenIdioten, und es ist schwer zu sagen, wer mehr im Recht ist.
Aus der Wahlkampfzitatenliste des österreichischen Nationalratswahlkampfes: Mit »vollkommen verblödet« kommentierte die Schauspielerin Christiane Hörbiger eine Abwahl von Kanzler Kurz. – Werner Kogler, der Grüne, kritisiert die Neos, die mit der Kurz-ÖVP koalieren wollen: »Mit dieser Schnöseltruppe geht es sicher nicht.« Eine leidenschaftliche Kritik lieferte der ÖVP-Fraktionsvorsitzende August Wöginger: »Es kann ja nicht sein, dass unsere Kinder nach Wien fahren und als Grüne zurückkommen. Wer in unserem Hause schläft und isst, hat auch die Volkspartei zu wählen.«
Das Ergebnis der Wahl, an der sich etwa 25 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung nicht beteiligten: ÖVP 37,5 Prozent, SPÖ 21,2 Prozent, FPÖ 16,2 Prozent, Grüne 13,9 Prozent, NEOS 8,1 Prozent. Peter Pilz blieb mit seiner Liste JETZT mit 1,9 Prozent auf der Strecke. Die »Sonstigen« erreichten 1,3 Prozent. Die KPÖ ist deutlich unter einem Prozent geblieben.
Die österreichische Sozialdemokratie hat ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 1945 eingefahren, und die jetzige Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner versuchte noch nach Verkündigung der ersten sicheren Ergebnisse am Wahlabend mit einem »Weiter so« und »die Richtung stimmt« eine am Boden liegende Sozialdemokratie zu motivieren. Einzig in Wien blieb die SPÖ stärkste Kraft, verfehlte aber das Ergebnis der Nationalratswahl 2017, wo sie noch 34,5 Prozent erzielte. Der bisherige Geschäftsführer Thomas Drozda trat zurück und wurde durch Christian Deutsch ersetzt, der als Wahlkampfmanager auch Verantwortung für das miserable Wahlergebnis zu tragen hat. Nicht nur die Jugendorganisationen der SPÖ rebellieren, wie so oft, und verlangen radikale Änderungen des Parteikurses. Es verwundert nicht, dass dabei mehr Mitbestimmung der Mitgliedschaft gefordert wird. Dass man mit der Kurz-ÖVP nicht koalieren will, hat einen gewissen Beigeschmack, denn mit der SPÖ haben auch die Grünen und die neoliberalen NEOS immer wieder im Wahlkampf verkündet, man wolle eine weitere Kurz-ÖVP-Koalition mit der nationalreaktionären FPÖ verhindern.
Sebastian Kurz tritt nun als Koalitionsbastler an. Die FPÖ, die nicht nur den Ibiza-Skandal verarbeiten musste, sondern auch eine Spesenaffäre ihres ehemaligen Vorsitzenden Strache, verkündete am Wahlabend, nicht für eine Weiterführung der Koalition zur Verfügung zu stehen. Strache hat in der Zwischenzeit verlautbart, er werde nie wieder für politische Arbeit zur Verfügung stehen. Seine FPÖ-Mitgliedschaft ruht. Straches Frau, Philippa Strache, erreichte für die FPÖ ein Nationalratsmandat und sitzt nach Parteiausschluss jetzt als fraktionslose Abgeordnete im Parlament.
Dass die Kurz-ÖVP vor allem Stimmenzuwächse aus dem reaktionär-nationalistischen Lager verzeichnen durfte, es waren etwa eine Viertelmillion Stimmen, lässt nichts Gutes erwarten.
Die ehemals christlich-konservative ÖVP hat sich unter Sebastian Kurz zu einer schaumgebremsten Filiale der FPÖ entwickelt. Ob die Grünen unter Aufgabe wichtiger Punkte ihrer Wahlversprechungen mit der Kurz-ÖVP koalieren? Das hat bisher in einigen Bundesländern funktioniert und, wie sollte es anders sein, vor allem der Kurz-ÖVP geholfen.
Spitzenreiter konservativer Gesinnung blieb das Land Salzburg, 46,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler gaben insgesamt der Kurz-ÖVP ihre Stimme.
Hand in Hand mit vielen Medien ist die österreichische Politik – und nicht nur sie – auf dem Weg, jene konservative Revolution zu verwirklichen, die dem Teil der Bevölkerung, der abhängig beschäftigt ist, weitere Verschlechterungen zumutet. Außenpolitik, Europäische Union, der Skandal der Einführung eines 12-Stundentages waren kein Thema für die Mehrheit der wahlwerbenden Parteien im Nationalratswahlkampf. Sebastian Kurz ist der »starke« Mann, den sich wohl viele Wahlberechtigte in Österreich gewünscht haben. Die Kurz-ÖVP, das bestätigt die Stimmenwanderung von der FPÖ zu ihr, wird grenzwertig rechts bleiben und werden. Tragisch. Harte Zeiten brechen an – für Kranke, Behinderte, Arbeitslose, Alleinerziehende, zukünftige Alte und sonstige Leute, die aus irgendeinem Grund nicht mehr die volle Leistung bringen können. Ob da die Grünen den Koalitionspartner und Erfüllungsgehilfen spielen wollen?
Sebastian Kurz hat inzwischen vom Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen den Regierungsbildungsauftrag bekommen. Mit allen im Nationalrat vertretenen Parteien wurden erste Gespräche geführt, und die Wunschkoalition der »meinungsbildenden« Medien ist eine ÖVP-Grünen-Koalition. Bei der SPÖ dürfte die jetzige Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner demontiert werden, denn die SPÖ versinkt in Grabenkämpfen. Bei der Landtagswahl im Bundesland Vorarlberg (13.10.2019) erreichte die ÖVP mehr als 43 Prozent, die Grünen kamen auf fast 20 Prozent. Die SPÖ hielt ihre bescheidenen 9 Prozent, während die FPÖ auf 13 Prozent heruntergewählt wurde (-10 Prozent). Schuld daran war nicht die Ibiza-Affäre, sondern die Parteigeldverschwendung der Familie Strache, die derzeit staatsanwaltlich untersucht wird. Dazu eskaliert, wegen Sperrung zweier FPÖ-Facebook-Seiten der Straches durch die Partei, der Streit um die Macht bei den Reaktionärnationalen. Straches Seite hatte knapp 800.000 Fans.
Wahl in Österreich: Die Bierpartei Österreichs bekam 4856 Stimmen, das gelang der Christlichen Partei Österreichs, der Allianz der Patrioten, der Sozialistischen Linkspartei und der Liste GILT gemeinsam nicht, sie blieben unter diesem Ergebnis.
Wahlen (nicht nur) in Österreich: Was die Politik verdaut, das kriegt das Volk auf den Tisch.