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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Geteiltes Leid

Im April 1943 wirft sich Myr­tek Sta­nowitsch, Anfang 20, wegen Dro­hun­gen des Nazi-Orts­grup­pen­lei­ters, er wer­de gemel­det und folg­lich erschos­sen, bei Metz vor einen Zug. Der pol­ni­sche Kriegs­ge­fan­ge­ne und »Fremd­ar­bei­ter« im Saar­land hat­te wohl einst Elek­tri­ker gelernt. Sein Ver­ge­hen: »Ras­sen­schan­de«. Sta­nowitsch hat näm­lich Ali­ne Söther geschwän­gert, gebo­ren am 10. Sep­tem­ber 1923. Die Land­wirt­schafts­hel­fe­rin und Toch­ter eines ein­hei­mi­schen, wenn auch kom­mu­ni­sti­schen Berg­manns liebt ihn, heißt es. Aber es ist ver­bo­ten. Und bald nach dem Unglück und der Geburt ihrer Toch­ter Rita (die zu den Groß­el­tern kommt) wird Söther nach Ravens­brück ver­schleppt, wo sie 1945 mit erst 21 Jah­ren umkommt, angeb­lich durch Typhus. In Wahr­heit sei sie, kurz vor der Befrei­ung des KZs, von SS-Scher­gen erschos­sen wor­den, behaup­tet die Saar­brücker Zei­tung 2015. In die­sem Jahr wur­de in Söthers Hei­mat­dorf Beckin­gen ein Platz nach ihr benannt.

Zwar erwähnt die Lokal­pres­se anläss­lich der Platz­ein­wei­hung auch eine Enke­lin Söthers, sogar nament­lich, doch mein Ver­such, mit die­ser ins Gespräch zu kom­men, schei­tert. Ich fürch­te aller­dings, die Enke­lin hät­te eben­falls kei­ne Ein­zel­hei­ten über das Tem­pe­ra­ment, die Wün­sche und die Lie­be der Berg­manns­toch­ter gewusst. Sol­che Opfer, Berg­manns­töch­ter und rad­bre­chen­de Elek­tri­ker, sind der Welt mei­stens nicht son­der­lich wich­tig. Dafür gibt es über den DDR-Berg­mann Adolf Hen­necke Lite­ra­tur in För­der­turm­hö­he. Über Söthers Gelieb­ten Sta­nowitsch scheint die Nach­welt noch nicht ein­mal einen Tee­löf­fel voll zu wis­sen. Hat er aber Glück, wird er im Saar­land noch als zukünf­ti­ger Held aus­ge­gra­ben, weil er immer­hin kein Rus­se war.

Es liegt mir frei­lich fern, Sta­nowitsch beleg­los zu ver­klä­ren. Zum Bei­spiel könn­te ja gearg­wöhnt wer­den, er habe Söther glatt im Stich gelas­sen – und gleich auch noch mit einem Kind. Neben­bei spricht der noch heu­te belieb­te »Schie­nen­sui­zid« auch nicht unbe­dingt für Sta­nowitsch. Ob die bei­den eine Flucht oder einen soge­nann­ten Paar­selbst­mord erwo­gen, wis­sen wir nicht. Bei­des wäre kaum ver­blüf­fend gewe­sen, weil auf Söthers »Ver­ge­hen« schließ­lich bekann­ter­ma­ßen KZ stand.

Ich sel­ber wäl­ze die Fra­ge, wie ich mich im Ernst­fall am besten umbrin­gen könn­te, seit Jah­ren um und um. Mit Ali­ne hät­te ich viel­leicht sogar mei­ner Höhen­angst getrotzt. Man erklimmt nach Schich­ten­de gemein­sam den erwähn­ten För­der­turm, nimmt sich oben bei der Hand und macht am besten die Augen zu. Viel­leicht noch ein letz­ter Kuss – und dann auf Wiedersehen!

Was denn ein Ernst­fall wäre? Na, ich den­ke etwa an die Grün­dung eines grü­nen BDM (Bund Deut­scher Mädels) durch des­sen zukünf­ti­ge Gene­ral­se­kre­tä­rin Anna­le­na Baerbock.