Stellen Sie sich vor, Sie gehen in die Sauna, und zwar in die Frauensauna. Sie möchten, wenn Sie nackt sind und sich entspannen wollen, unter Frauen sein. Plötzlich betritt ein Mann den Raum und setzt sich zwischen den weiblichen Saunagästen auf eine der Holzbänke. Zumindest denken Sie, es handle sich um einen Mann, denn dieser Mensch hat einen dunklen Bart, beträchtliche Körperbehaarung – und einen Penis. Die Frauen in der Sauna sind irritiert, einige erschrocken Was macht ein Mann in der Frauensauna? Doch die Person erklärt Ihnen: Sie sei gar kein Mann, sondern eine Frau. Der herbeigerufene Bademeister bestätigt nach einem Blick in ein Ausweisdokument des Badegastes: Es handelt sich um eine Frau. Die Person mit Penis darf in der Frauensauna bleiben.
Stellen Sie sich vor, an einer Hochschule wird die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten ausgeschrieben, und zwar für eine Frau. So sieht es das Hochschulgesetz vor, denn die Gleichstellungsbeauftragte wird auch für die Betreuung und Begleitung von Opfern sexueller Belästigung zuständig sein. Die würden sich ungern an einen Mann wenden. Auf die Stelle bewirbst sich – ein Mann. Zumindest denken Sie, es handle sich um einen Mann, denn dieser Mensch hat eine Glatze, eine tiefe Stimme – und einen männlichen Namen. Doch die Person erklärt Ihnen: Sie sei gar kein Mann, sondern eine Frau. Und tatsächlich: Ihr Pass weist die Person als Frau aus. Sie darf sich auf die Stelle bewerben.
Stellen Sie sich vor, die 15-jährige Tochter Ihrer Freundin erklärt von einem Tag auf den anderen, sie sei ein Junge. Die Freundin ist verblüfft, denn bis dato hatte die Tochter nie ein Unbehagen mit ihrem Mädchenkörper oder ihrem Geschlecht gehabt. Doch das Mädchen beharrt auf seiner Behauptung, »im falschen Körper zu stecken« und verkündet, nun so schnell wie möglich Hormone nehmen zu wollen, um ihren Körper ihrem »wahren« Geschlecht anzupassen. Außerdem wolle sie so rasch wie möglich eine Mastektomie, also eine Brustamputation. Ihre Freundin ist verzweifelt und möchte zunächst mit einem Therapeuten abklären, was den so dringlichen Wunsch der Tochter eigentlich ausgelöst hat. Doch die Tochter weigert sich. Sie erklärt, sie sei ganz sicher, ein Junge zu sein und will ihr »richtiges« Geschlecht beim örtlichen Standesamt eintragen lassen. Falls die Mutter nicht zustimme, erklärt sie, werde sie ihren »Geschlechtswechsel« vor dem Familiengericht einklagen. Ihre Freundin will mit ihrer Tochter nicht vor Gericht ziehen und gibt ihre Erlaubnis. Die 15-Jährige gibt vor dem Standesbeamten eine Erklärung ab und nach einer Frist von drei Monaten wird der Geschlechtswechsel rechtskräftig. Die Tochter Ihrer Freundin ist ab jetzt offiziell ihr »Sohn« und trägt, so steht es auch im geänderten Personalausweis, einen Jungennamen. Jetzt, wo sie so leicht und offiziell beglaubigt zum »Jungen« wurde, will die Jugendliche, die körperlich immer noch ein Mädchen ist, das Testosteron und die Mastektomie so schnell wie möglich. Dazu braucht sie ärztliche Begleitung, aber weder Therapeut noch Endokrinologe haben ernsthafte Bedenken. Der »Junge« hat seinen Personenstand ja schon geändert und damit gezeigt, wie ernst ihm die Sache ist. Ihre Freundin googelt im Netz nach »Mastektomien für Minderjährige« und stellt fest: Es gibt Kliniken, die eine Brustamputation – nach einem »psychologischen Indikationsschreiben« – auch für unter 18-Jährige anbieten.
Ein biologischer Mann in der Frauensauna oder als Frauenbeauftragte? Ein 15-jähriges Mädchen, das mit einem einfachen Gang zum Standesamt zum »Jungen« wird? Kann nicht sein? Doch, kann es. Wenn die Ampel daran festhält, das sogenannte »Selbstbestimmungsgesetz« in seiner jetzigen Form zu beschließen. Laut Gesetzentwurf, der seit Ende Mai vorliegt, könnte jeder und jede mit einem Gang zum Standesamt seinen oder ihren Geschlechtseintrag ändern. Und zwar völlig voraussetzungslos, mit einer schriftlichen Erklärung: »Die Person hat mit ihrer Erklärung zu versichern, dass der gewählte Geschlechtseintrag ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht«, heißt es in § 2 des »Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag« (SBGG). Für den Geschlechtseintrag gibt es vier Möglichkeiten: weiblich, männlich, divers oder kein Eintrag.
Erwachsene geben die Erklärung selbst ab, bei Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren müssen die Erziehungsberechtigten zustimmen. Tun sie das nicht, »ersetzt das Familiengericht die Zustimmung, sofern dies nicht dem Kindeswohl entgegensteht«. Auch bei Kindern kann der Geschlechtseintrag schon geändert werden. Eltern können ihren Sohn beim Standesamt zur Tochter erklären (und umgekehrt), und das ohne eine einzige Konsultation eines Psychologen oder einer Ärztin. Und: Der Geschlechtseintrag kann einmal jährlich korrigiert werden.
Das heißt: Das SBGG würde die Kategorie Geschlecht, die eine juristische, biologische und soziale Realität ist, de facto abschaffen. Die Antwort auf die Frage »Was ist eine Frau?« würde also künftig lauten: »Eine Frau ist jeder, der sich zur Frau erklärt.«
Obwohl dies enorme gesellschaftliche Auswirkungen hätte, hat die Gesellschaft von diesem geplanten Gesetz bisher nur sehr wenig gehört. Die zuständigen Ministerien, das federführende Frauenministerium und das Justizministerium kommunizieren nur spärlich, was sie da eigentlich vorhaben. Angeblich, so heißt es, beträfe das Gesetz nur die in der Tat sehr kleine Gruppe transsexueller Menschen, denen man den Geschlechtswechsel erleichtern wolle. Das jedoch ist, wie die eingangs geschilderten Beispiele zeigen, schlicht falsch.
Richtig ist, dass das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen die Reform des Transsexuellengesetzes eingefordert hat. Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1981 und sah vor, dass Menschen vor dem Geschlechtswechsel zwei unabhängige psychologische Gutachten beibringen müssen, die bestätigen, dass der Wunsch nach einem Geschlechtswechsel ernsthaft und dauerhaft ist. Außerdem wurden die Menschen zu einer geschlechtsangleichenden Operation verpflichtet. Sie mussten dauerhaft unfruchtbar sein und sich, sofern verheiratet, scheiden lassen, weil sie ansonsten in einer – damals noch verbotenen – gleichgeschlechtlichen Ehe gelebt hätten.
Den OP-Zwang hat Karlsruhe im Jahr 2011 wegen der hohen gesundheitlichen Risiken für unzulässig erklärt, statt des Scheidungszwangs gibt es heute die Ehe für alle. Nicht angetastet hat das Bundesverfassungsgericht jedoch die Gutachtenpflicht. Zweimal hat das Gericht erklärt, dass der Gesetzgeber für einen Geschlechtswechsel »einen auf objektivierte Kriterien gestützten Nachweis zu verlangen« könne, »um beliebige Personenstandswechsel auszuschließen«. Es sei wichtig, »dem Personenstand Dauerhaftigkeit und Eindeutigkeit zu verleihen«. Genau dies aber würde mit dem »Selbstbestimmungsgesetz« abgeschafft.
Die Karlsruher RichterInnen hatten die Gefahr erkannt, die Frauen- und Justizministerium geflissentlich ignorieren: Der Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlung, erklärte Karlsruhe, könne auch eine »Lösungsschablone für psychotische Störungen, Unbehagen mit etablierten Geschlechtsrollenbildern oder für die Ablehnung einer homosexuellen Orientierung sein«.
Gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen müsste dem Gesetzgeber also eigentlich daran liegen, sollte man jedenfalls meinen, dass sehr genau hingeschaut wird, was hinter dem Transitionswunsch steckt. Gerade Mädchen stecken in engen Rollenkorsetts, auch und gerade heutzutage: Mit Photoshop bearbeitete Influencerinnen pushen die Barbiefizierung der rosa Mädchenwelt in nie gekannte Ausmaße, unmenschliche Schönheits- und Schlankheitsideale sorgen für ein Körpergefühl im Dauerkrisenmodus und was die Kardashians nicht schaffen, erledigt die omnipräsente Pornografie, bei der schon elfjährige Mädchen sehen, wofür ihre Körper zur Verfügung stehen sollen. Dass Mädchen vor diesen unerfüllbaren Ansprüchen kapitulieren und sich stattdessen ins andere, »starke« Geschlecht definieren, ist naheliegend. Und sie tun es, das zeigen die Zahlen in der gesamten westlichen Welt, erschreckend häufig. Statistiken aus England und Schweden belegen, dass die Genderambulanzen bei den Mädchen Zuwächse von bis zu 4.000 Prozent verzeichnen. In Deutschland, so ergab eine Recherche des Spiegel, sind inzwischen acht von zehn Jugendlichen, die die Genderambulanzen stürmen, Mädchen. Warum das so ist?
Das wäre eine der Fragen, die sich Frauenministerin Lisa Paus (Grüne) stellen müsste, aber sie tut es nicht, denn: Sie kennt die Statistiken nicht, wie sie auf einer Pressekonferenz mit verblüffender Offenheit erklärte.
Auf dieser Pressekonferenz, bei der Paus gemeinsam mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im Juni 2022 die »Eckpunkte« des geplanten Gesetzes vorstelle, erstaunte die Frauenministerin auch mit einer weiteren Aussage. Auf die Frage eines Journalisten, wie sie denn das Sicherheitsgefühl von Frauen gewährleisten wolle, wenn jeder Mann sich voraussetzungslos zur Frau erklären und so in geschützte Frauenräume wie Frauensaunen, Frauenduschen oder Frauenumkleiden eindringen könne, antwortete Paus: »Transfrauen sind Frauen. Deshalb sehe ich hier keinen weiteren Erörterungsbedarf.«
Erörterungsbedarf hatten jedoch viele andere. »Eine riesige Welle von Menschen« habe »Probleme und Bedenken geäußert«, gab Justizminister Buschmann in der FAZ zu. Auch viele Feministinnen protestierten lautstark, darunter auch die EMMA, die schon früh und seither immer wieder auf die Gefahren des Gesetzes aufmerksam gemacht hatte.
Immerhin – der Justizminister begriff schließlich, dass es keine gute Idee wäre, das biologische Geschlecht qua Gesetz grundsätzlich für irrelevant zu erklären. Und so sorgte Buschmann dafür, dass immerhin an einigen Stellen im Gesetzentwurf Ausnahmen von der Selbstbestimmungs-Regel gelten sollen: Beim Schulsport und bei Sporttests kann die Bewertung »unabhängig vom aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden«. Bei Gesundheitsleistungen zählt das biologische Geschlecht. Transfrauen können also zum Beispiel an der Prostatakrebs-Vorsorgeuntersuchung teilnehmen.
Bei einem Sexualstraftäter, der sich zur Frau erklärt, können »die Persönlichkeitsrechte und Sicherheitsinteressen anderer Strafgefangener seiner Verlegung in ein Frauengefängnis gegebenenfalls entgegenstehen«, heißt es nun im Entwurf. Frauenumkleiden, Frauenduschen, Frauensaunen? Personen können »nach einer Änderung des Geschlechtseintrags nicht lediglich unter Berufung auf den Eintrag im Personenstandsregister zum Beispiel den Zugang zu geschlechtsspezifischen Toiletten oder Umkleideräumen verlangen«, steht jetzt im Referentenentwurf. Das ist immerhin eine Anerkennung des Problems, eine Lösung ist es nicht. Denn das Gesetz macht das grundsätzliche Problem zur Einzelfallentscheidung und wälzt diese ab: auf den Bademeister, das Fitness-Studio, das Frauenhaus. Und natürlich auf die betroffenen Frauen, die zum Beispiel in der Dusche zunächst mit dem biologischen Mann konfrontiert sind und sich beschweren müssen. Ob und wie das zuständige Personal reagiert, ist fraglich. Doch sowieso hat Ferda Ataman, die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, ihr Veto gegen die in den Entwurf geschriebene Einschränkung eingelegt. »Eine Person nur wegen ihres Aussehens abzuweisen, ist und bleibt unzulässig«, erklärte sie. Schließlich begehre hier ja kein Mann den Zugang zum geschützten Frauenraum, »sondern eine Frau«.
Information: Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Heftes war noch vorgesehen, dass das Kabinett am 19. Juli den Referentenentwurf verabschiedet und so zu einem Gesetzentwurf macht. Nach der am 4. August endenden Sommerpause ginge das Ganze dann in den Bundestag bzw. den Bundesrat.
Lese-Tipp: Herausgegeben von Alice Schwarzer und Chantal Louis ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch das Buch »Transsexualität: Was ist eine Frau? Was ist ein Mann? – Eine Streitschrift« (kiwi-Taschenbuch) erschienen.