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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Gendersprache

Sol­da­ten wer­den getö­tet, Leh­rer unter­rich­ten, Rich­ter spre­chen Recht – über­all auf der Welt ver­steht man die­se Spra­che, weil sie knapp und ver­nünf­tig ist. Nie­mand käme auf die Idee dar­über zu dis­ku­tie­ren, nie­mand fühlt sich diskriminiert.

Doch wir Deut­schen machen eine gesell­schaft­li­che Debat­te dar­aus: Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten ver­lie­ren ihr Leben, Leh­re­rin­nen und Leh­rer sind betrof­fen, Rich­te­rin­nen und Rich­ter haben ent­schie­den – als ob es in Zei­ten von Coro­na, Ukrai­ne­krieg und wach­sen­der Infla­ti­on nichts Wich­ti­ge­res gäbe!

Kei­ner will in Abre­de stel­len, dass auch Frau­en in die­sen Beru­fen tätig sind und da, wo ihre Ver­dien­ste eine Rol­le spie­len, soll­ten sie her­aus­ge­stellt werden.

Hier aber sind Amts­be­zeich­nun­gen gemeint! Die Poli­zistin ver­haf­tet nicht in der Rol­le der Frau, son­dern in der Funk­ti­on des Poli­zi­sten, und wenn dabei etwas schief­geht, wird der Amts­trä­ger zur Rechen­schaft gezo­gen, unab­hän­gig vom Geschlecht. Erst, wenn es auf­grund geschlechts­spe­zi­fi­scher Merk­ma­le, bspw. einer zar­te­ren kör­per­li­chen Kon­sti­tu­ti­on, zu Kom­pli­ka­tio­nen kommt, der Dieb ent­wi­schen konn­te, wird das im Dienst­be­richt erwähnt: »Der Dieb ent­kam, weil Wacht­mei­sterin Mül­ler ihn nicht fixie­ren konnte.«

Das­sel­be trifft auf vie­le Beru­fe zu.

Doch plötz­lich sol­len gan­ze Lite­ra­tu­ren umge­schrie­ben wer­den, weil »Frau« sich benach­tei­ligt, unter­re­prä­sen­tiert fühlt. (Wann fängt man eigent­lich an von »Ärz­tin­nen« zu schrei­ben, da es bis vor 100 Jah­ren prak­tisch kei­ne gab, Bücher aber schon vor­her gedruckt wurden?)

Nicht genug mit den Berufs­be­zeich­nun­gen. In alle Berei­che des gesell­schaft­li­chen Lebens erstreckt sich das wie beses­sen anmu­ten­de Bestre­ben der Eman­zi­pa­ti­ons­be­we­gung, den mas­ku­li­nen Wort­bil­dungs­suf­fix »-er« (gram­ma­ti­sches Geschlecht »der«) um das femi­ni­ne »-in« zu erweitern.

Aus »Machern« wer­den »Mache­rin­nen«, aus »Erzeu­gern« »Erzeu­ge­rin­nen«, aus »Ver­ur­sa­chern« »Ver­ur­sa­che­rin­nen«.

Dabei geht es bei der Beschrei­bung die­ser Per­so­nen­grup­pen um etwas Ande­res: Ein »Macher« ist eine Per­son, die etwas in die Wege lei­tet oder »pro­du­ziert«, genau wie der »Erzeu­ger«. Ein »Ver­ur­sa­cher« impli­ziert als ein­zi­ge Vor­stel­lung die einer Per­son, die für eine Hand­lung oder Tat ver­ant­wort­lich ist, steht dabei doch das nega­ti­ve Resul­tat im Mit­tel­punkt. Wer­de ich vom Genuss Sal­mo­nel­len befal­le­ner Eier krank, wird die Fir­ma zur Rechen­schaft gezo­gen, unwich­tig, ob sie von einem Mann oder einer Frau geführt wird.

Bei einem »Ver­kehrs­teil­neh­mer« oder »Rad­fah­rer« denkt man in erster Linie an Men­schen, die sich mit einem Ver­kehrs­mit­tel auf der Stra­ße oder dem Rad­weg bewe­gen, nicht an »Frau« oder »Mann«. Und »der« Kun­de ist ein durch Bezah­lung am Waren- oder Dienst­lei­stungs­be­zug teil­neh­men­der Kon­su­ment. Män­ner und Frau­en bezah­len das Glei­che, außer beim Friseur.

Völ­lig hyste­risch wird es, wenn aus dem »Schnee­mann« eine »Schnee­frau« gemacht wer­den soll, aus dem »Seuf­zer« eine »Seuf­ze­rin«, aus dem »Lacher« die »Lache­rin«. Die Bedeu­tung der Wör­ter ist eine ganz ande­re, wen­det man das Ver­än­de­rungs­be­dürf­nis der Sprach­ver­än­de­rer (oder Sprach­ver­än­de­rerinnen?) kon­se­quent an.

Wis­sen denn die Sprach­re­vo­luz­zerinnen nicht, dass die mei­sten deut­schen Sub­stan­ti­ve aus den Infi­ni­ti­ven der Ver­ben abge­lei­tet wur­den, dass es Jahr­hun­der­te wäh­ren­de Sprach­ent­wick­lun­gen waren, bis sich die heu­ti­gen Sprach­for­men gebil­det haben? »Der Stecker«, der in die Steck­do­se muss, kommt von »stecken«, und »der Krat­zer«, den man sich beim Spie­len oder Arbei­ten zuge­fügt hat, von »krat­zen«. DEM ist es völ­lig schnup­pe, ob er einer Frau oder einem Mann zuge­fügt wird.

»Man kann aus dem ‹Schnee­mann› doch neu­tral einen Schnee­mensch machen«, schlug eine beson­ders Schlaue bei einem Gespräch über die­ses The­ma vor und lächel­te gewinnend.

Wenn nur »der Schnee­mensch« nicht schon mit der Bedeu­tung von Yeti belegt wäre, mei­ne Liebe!

Unab­hän­gig davon ruft die per­ma­nen­te Erwäh­nung bei­der Geschlech­ter in Infor­ma­ti­ons­sen­dun­gen oder Druckerzeug­nis­sen nach kur­zer Zeit bei Lesern oder Hörern »Gäh­nen« her­vor, da der Satz künst­lich in die Län­ge gestreckt wird und die Sprachef­fi­zi­enz dar­un­ter leidet.

Es ist ein Kreuz, was die Jahr­hun­der­te des Patri­ar­chats aus oder mit den Frau­en gemacht haben. Gro­ßes Unrecht ist gesche­hen, viel Unter­drückung. Jetzt, da sich das im zivi­li­sier­ten Teil die­ser Welt end­lich ändert, Frau­en in füh­ren­de Posi­tio­nen kom­men, wird über­trie­ben. Es kommt zu Über­re­ak­tio­nen, denen wie­der­um begeg­net wer­den muss, damit das Boot »Kul­tur« nicht zur ande­ren Sei­te umschlägt.