CDU-Vertreter und andere konservative Kreise diskutieren wieder eine Dienstpflicht für alle, um dem Wort Wehrpflicht zu entgehen und gleichzeitig auch Frauen mit einbeziehen zu können. Man darf darauf hinweisen, dass eine solche Dienstpflicht eine Form der Zwangsarbeit darstellt. Es mag ja sein, dass der eine oder andere darin Erlebnisse findet, die ihm eine Sinnerfüllung geben können, was aber an dem grundsätzlichen Charakter des Zwanges wenig ändert.
Der Gemeinschaftsgedanke ist in diesem Deutschland hoch belastet. Sollen Konflikte übertüncht und Verweigerungshaltungen negativ begutachtet werden, zieht man im politischen Spiel gern die Karte Gemeinschaft, um die wahrgenommenen oder vermuteten Widerstände glatt zu bügeln. Wer sich sodann nicht für die Gemeinschaft und den damit verbundenen politischen Forderungen ausspricht, läuft Gefahr, ausgesondert zu werden.
Nach den leidigen Radikalenerlassen gegen linkes Denken und linke Organisationen seitens der altehrwürdigen SPD vor 50 Jahren fällt es schwer, an eine Revitalisierung solcher Maßnahmen zu glauben. Es reichten damals bereits Worte oder Wortwahlen in Form von Sätzen aus, um die Wucht der Aussonderungspraktiken in Gang zu setzen. Wenn heute rechte Kreise der CDU und der anderen Parteien dieses Verfahren in einem Kampf gegen rechts einbauen zu müssen glauben, bleibt die Vermutung nicht aus, es sollten Konkurrenten um Pfründe ausgeschlossen werden. Vielleicht merken einige Politiker auch nicht, wie sie instrumentalisiert werden. Übrigens lässt sich für die ferne Vergangenheit sagen, dass auch vor 1970 geschlossene präfaschistische Gesinnungen in einem hohen Prozentsatz vorhanden waren.
Wer in diesem Umfeld und in unserer Kultur wieder an eine Gemeinschaft appelliert, sollte sich gute Beispiele für gelingende oder gelungene Gemeinschaften aussuchen. Das alte Genossenschaftswesen lebte von diesen Vorstellungen, ob in Agrargenossenschaften oder im genossenschaftlichen Bankwesen. Erinnern möchte ich an die Konsumgenossenschaften, in denen bedauerlicherweise die Kontrollmechanismen schwach entwickelt waren und so Tür und Tor für einsame und wirtschaftlich schädliche Entscheidungen öffneten. Die Neue Heimat ist vor Jahrzehnten gegen die Wand gefahren worden, obwohl sie heute im Wohnungsmarkt eine hervorragende Rolle spielen könnte.
Das Vereinsleben ist in Deutschland so intakt, dass es fast mehr Vereine als Mitglieder zu geben scheint. In ihnen finden sich Gemeinschaften zusammen, die einen begrenzten Zweck erfüllen wollen, der sich ab und an allerdings in Regelungswut ergeht, wenn man die Vorschriften für Kleingartenvereine als Beispiel heranzieht. Neben den freiwilligen Gemeinschaften gibt es jetzt eine Unzahl von Zwangsgemeinschaften etwa von Wohnungseigentümern. In ihnen kann ein Tummelplatz von allerlei aggressiven Formen des Umgangs miteinander beobachtet werden.
Linke Parteien waren ebenfalls kein Hort des freundlichen Umgangs, wenn z. B. in einer Gruppe ein herausragender Gläubige den Ton angeben wollte, um die weniger Gläubigen oder noch Zweifelnden auf die richtige Schiene zu bringen. In der Vergangenheit setzte sich in ihnen schnell der Spaltpilz fest, so dass es schließlich eine Menge von K-Gruppen gab. Dies auf nur die damalige Situation zurückzuführen, wäre allzu billig. Wenn man Marx nur als Steinbruch für Formeln benutzt, sind den Spaltungen fast keine Grenzen gesetzt. Diese paar Sätze sollten mindestens zu Skepsis beitragen, denn wer sich nicht erinnert, wird sich mit immer denselben Fehlern befassen müssen.
Skepsis soll hier zu mehr Distanz beitragen und helfen, wieder ein dialektisches Denken zu befördern, welches sich dem einfachen Entweder-Oder entgegenstellen kann. In den alten Texten der marxistischen Philosophie hatte man auf die Dialektik zwischen Individuum und Gemeinschaft intensiv hingewiesen, denn selbst in einem durchgeplanten Produktionssystem bedarf es der Neuererbewegung, die sich gegen zu starke beharrende Kräfte durchsetzen sollte. Aber genug der linken Nabelschau. Der Vorschlag, sich auf die UN-Charta für eine Sammlung linker Kräfte zu berufen, ist sympathisch, aber nicht tragfähig. Höchste Werte, auch in der Form hochangesehener Rechtsgrundsätze zwingen den Streit herauf, weil, wie in jedem Gerichtsverfahren, Situationen und Kontexte zuallererst interpretiert werden müssen, um sie mit den Rechtssätzen in Verbindung bringen zu können. Recht ist als Orientierungsgeber erst in der Folge von richterlichen Entscheidungen wirksam, in denen Einzelfälle beurteilt werden. Rechtssätze allgemeinster Form sagen nichts darüber, wie im Einzelfall zu entscheiden ist. Wie man in der Bundesrepublik erleben kann, werden Gesetze, soweit verständlich für die politische Gemeinschaft, gern über das Verfassungsgericht konkretisiert. Aber das ist nur die erste Stufe. Das Gerangel um die richtige Interpretation geht dann auf weitere Stufen über. Rechtssätze teilen hier das Schicksal der hohen Werte, die über konkrete Entscheidungen in Konfliktlagen nichts aussagen und es dem rhetorischen und politischen Geschick überlassen, wie man sie mit Inhalten füllt. Wir erleben zurzeit gerade wieder, wie mit Sätzen und einseitigen Beschreibungen, mit Vermutungen und Lügen gearbeitet wird, um Entscheidungen größter Tragweite zu fällen.
Gänzlich in kriegerischen Zeiten, wo eine ganze Gesellschaft samt Gesundheitssystem auf Kriegstüchtigkeit getrimmt werden soll, wo ein Operationsplan für Deutschland entsteht, möglicherweise auch Listen für unliebsame Bürger geschrieben werden, denn Präventivhaft ist zumindest in Bayern bereits eine Möglichkeit, ist ein Appell an die Gemeinschaft nur mit Vorbehalt zu genießen. Denn die Herrschenden haben mehr Bataillone auf ihrer Seite, können auf die Definitionsmacht der Medien vertrauen, so dass sie selbst den Papst propagandistisch in die Ecke stellen können. Der Papst schafft es nicht mehr, die Gemeinschaft der Gläubigen hinter sich zu bringen. Politiker mit religiösem Background wie Friedrich Merz oder Frau Strack-Zimmermann distanzieren sich als gläubige Katholiken vom Appell des Papstes, der ihre Sicht der Verhältnisse nicht teilt und dies öffentlich sagt. Eine Glaubensgemeinschaft, in der der Gemeinschaftsgedanke einen hohen Wert darstellt, ist momentan dabei, zu zerfallen. Unsere demokratischen Parteien sind auf dem Wege, den Krieg zu verselbständigen, Verhältnisse umzukehren, Rüstungskosten heraufzuschrauben und, damit das auch Früchte trägt, eine Dienstpflicht zu installieren, Bunker zu bauen, eine Heimatschutztruppe patrouillieren zu lassen. Aus einer Bunkermentalität heraus, aus einem versteinerten autistischen Denken (Senghaas) erwächst keine Friedenshoffnung.
Eine Linke muss sich deshalb organisieren und selbst wieder lernen, eine politische Lage in eigene Worte zu fassen und nicht im Narzissmus der kleinsten Differenz steckenzubleiben.