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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Geld, Soziales und die Zukunft

Jim Rogers, der »India­na Jones« der Finanz­welt, frü­her New York, jetzt Sin­ga­pur, also ein »Zocker«, macht sich Gedan­ken ums Geld und um die Zukunft. Um das Sozia­le weni­ger. Er emp­fiehlt, Geld in Myan­mar anzu­le­gen, Schwei­zer Fran­ken zu kau­fen und Trak­tor­fah­ren zu ler­nen. Denn die Zukunft gehö­re den Land­wir­ten. Hört, hört! Da haben anschei­nend selbst bei einem Guru der Finanz­olig­ar­chie irgend­wo eini­ge Glocken geklin­gelt. Natür­lich lässt ihn das nicht am System zwei­feln, bei­lei­be nicht. Ihm geht es ja gut damit. Er muss aller­dings auch ein wenig auf­pas­sen, dass es, das Geld, sein Geld, nicht weni­ger wird. Oder weni­ger ein­bringt, genau­er gesagt. Das könn­te in den USA oder in Grie­chen­land pas­sie­ren. Gedan­ken über die Fol­gen der Gen­tech­nik von Monsan­to und Genos­sen hat sich der Finanz­hai noch nicht gemacht. Denn Trak­tor­fah­ren allein reicht sicher nicht, wenn es sich um das Über­le­ben auf dem Lan­de han­delt. Wenn es um die Wurst geht, wol­len natür­lich vie­le auf’s Land – und sie wer­den fest­stel­len, dass es dort schon (lan­ge) Men­schen gibt, denen das Land gehört. Eini­ge Grund­stücke wird sicher auch India­na Jones sein Eigen nen­nen, denn er hat Geld genug, sich wel­che zu kau­fen. Das haben die mei­sten nicht – und wer denkt schon dar­an, jetzt Land zu erwer­ben? Und wer kann es?

Wie man es auch dreht und wen­det, über­all sind schon so genann­te Eigen­tü­mer vor­han­den, die einen im Not­fall wohl kaum auf ihr Land las­sen wer­den und es, im Gegen­teil, mit Zäh­nen und Klau­en ver­tei­di­gen wer­den, mög­li­cher­wei­se auch mit Hand­feu­er­waf­fen. Es könn­te sich bezahlt machen, dass man auf dem Dorf nor­ma­ler­wei­se und bereits seit Jah­ren im Schüt­zen­ver­ein behei­ma­tet ist und einen Püster besitzt. Und man ist sei­nem Eigen­tum ver­pflich­tet, auch wenn das im Grund­ge­setz etwas irre­füh­rend for­mu­liert ist. Die dor­ti­ge Auf­for­de­rung, eher eine zag­haf­te Bit­te, hat die Eigen­tü­mer (von Land oder Pro­duk­ti­ons­mit­teln) immer schon zum Lachen gereizt.

Zur­zeit ist das mit dem Geld etwas selt­sam. Die euro­päi­sche Zen­tral­bank ver­leiht Geld zu nahe­zu null Pro­zent Zin­sen, was sich die Ban­ken holen (wir kom­men da nicht direkt dran), wel­ches sie dann um eini­ges teu­rer bereit sind, an uns zu ver­lei­hen. Mit den Anlei­hen der ver­arm­ten euro­päi­schen Staa­ten läuft es ähn­lich: Mit dem bil­li­gen Geld der EZB kau­fen sich die Ban­ken und Kon­zer­ne der noch nicht ver­arm­ten euro­päi­schen Staa­ten die Anlei­hen der ande­ren und kas­sie­ren die dicken Zin­sen, die die­se zah­len müs­sen. Eine fei­ne Sache. Unter ande­ren wur­de vor allem die ehe­ma­li­ge deut­sche Kanz­le­rin für die­se Masche sehr gelobt. Die Umfra­ge­wer­te erge­ben, dass die Mehr­heit der Deut­schen, die an die­sem lukra­ti­ven Spiel­chen nicht teil­nimmt, es eher mit ihren Steu­er­gel­dern finan­ziert, die­se The­sen gut fin­det. Das lässt sich mit Logik nicht erklä­ren. Dass so vie­le arme Leu­te Par­tei­en wäh­len, die unge­niert die Rei­chen begün­sti­gen, bleibt daher für links­ori­en­tier­te Men­schen ein Rät­sel. Die mei­sten Bür­ger und Bür­ge­rin­nen haben ihre Gro­schen auf Spar­kon­ten, wo es wegen der nied­ri­gen Zin­sen und der Infla­ti­ons­ra­te nach und nach weni­ger wird. Mit Sicher­heit. Viel­leicht ist es die ver­meint­li­che Sicher­heit, die da in Sicher­heit wiegt. Aber kön­nen die Leu­te so schlecht rechnen?

Viel­leicht geht es um das Sozia­le? Oder die sozia­le Sicher­heit? Die da vom herr­schen­den System schein­bar gebo­ten wird. Genau­er gesagt: gebo­ten wur­de. Immer schon ein­ge­schränkt gebo­ten wur­de, aber immer­hin. Man­cher fragt: Kön­nen das die Rei­chen, die Rech­ten und die Kir­chen nicht viel­leicht doch bes­ser als die Sozis oder gar die Lin­ken? Bei den Grü­nen weiß man im Moment so gar nicht, wor­an man ist: etwas Kon­ser­va­ti­ves, etwas Neo­li­be­ra­lis­mus, eini­ge lin­ke Aus­rut­scher und manch­mal sogar Erin­ne­run­gen an die Öko­lo­gie – und mit wem die koalie­ren kön­nen, sieht man ja lei­der. Und Krieg machen kön­nen die auch. Man­che Leu­te schlie­ßen sogar noch Rie­ster­ren­ten ab, obwohl jetzt schon fest­steht, dass man ihnen das geschenk­te staat­li­che Geld und ihr eige­nes dem­nächst, wenn’s gebraucht wird, wie­der weg­nimmt. Und beim Arzt und Apo­the­ker: zuzah­len. In etli­chen grö­ße­ren Städ­ten stei­gen die Mie­ten so stark, dass sie für zuneh­mend vie­le Men­schen unbe­zahl­bar wer­den. Nee, sozi­al kann das doch wohl nicht sein. Manch­mal mur­ren die Leu­te sogar oder demon­strie­ren mit dem DGB in Ber­lin, macht­voll, wie es in den Gewerk­schafts­blät­tern hieß. Aber es kam nichts nach, und die »Gegen­sei­te« tat die Sache mit einem Ach­sel­zucken ab. Papier­ti­ger, mögen die ent­schei­den­den Her­ren und Damen in den Chef­eta­gen gedacht haben. Dann gibt es noch attac, eine Bewe­gung, in der sich Lin­ke und Rech­te tref­fen, auch die demon­strie­ren; außer­dem gibt es noch die occu­py-Bewe­gung, die von der Poli­zei abge­räumt wird. Dem Volk ist das egal, das Land bleibt ruhig. Die sozia­len Unter­schie­de, nicht nur bedingt durch Ver­mö­gens­un­ter­schie­de, ver­stär­ken sich. Das Land bleibt ruhig, auch wenn mit dem Ver­fas­sungs­schutz ver­ban­del­te Neo­na­zis zehn Men­schen erschie­ßen. Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten, die gegen Neo­na­zis auf die Stra­ße gehen, will man die Immu­ni­tät abspre­chen. Und ein System­wech­sel? Da schüt­teln sich die mei­sten, auch die­je­ni­gen, die etwas davon hät­ten. Dabei hat Karl Marx doch in vie­len Din­gen recht!

Soweit bleibt für die Herr­schen­den das Sozia­le in Ord­nung. Vor allen Din­gen bleibt die Ord­nung in Ord­nung, in der die Herr­schen­den eher eine klei­ne Grup­pe sind, eine Art Olig­ar­chie, bestehend aus Ver­tre­tern der Kon­zer­ne, gewis­ser Ver­bän­de, eini­gen Poli­ti­kern und der Ber­tels­mann-Stif­tung. Was oder wen wir da wäh­len, ist völ­lig egal, solan­ge die »gro­ßen Vier« (von denen eine Par­tei sehr klein ist) wei­ter­hin die mei­sten Stim­men abräu­men und sie nebst der Macht unter sich auf­tei­len. Krie­ge füh­ren kann man dann auch, ohne dass sich die Mehr­heit des Vol­kes dar­an stört. Die Krie­ge kosten zwar viel Geld (wie viel wis­sen wir nicht so genau), sind aber bis­her eher weit weg. Erst wenn Rake­ten auf unse­rem Boden ein­schla­gen (mög­li­cher­wei­se wel­che, die in unse­rem Bünd­nis­sy­stem pro­du­ziert wur­den), wird es eini­gen mul­mig wer­den. Doch dann grei­fen die Sicher­heits­exper­ten ein und wer­den uns, auch vor uns selbst, schüt­zen. Außer­dem plant die Nato bereits den führ­ba­ren Atomkrieg.

So kön­nen wir ganz beru­higt sein. Aller­dings machen uns die Flücht­lings­strö­me, ver­ur­sacht durch Krie­ge und unser Wirt­schafts­sy­stem, doch nach­denk­lich. Die dadurch bei man­chen Men­schen ent­stan­de­nen Äng­ste wer­den von rechts­extre­men poli­ti­schen Strö­mun­gen aus­ge­nutzt. Das ist gefähr­lich für unse­re Demokratie.

Bleibt noch die Fra­ge nach der Zukunft. Die ist schwer zu beant­wor­ten, wenn man nicht zum Wahr­sa­ger mutie­ren will. Man kann Fol­ge­run­gen zie­hen, man kann Erfah­run­gen aus­wer­ten, man kann Erkennt­nis­se wei­ter­den­ken. Dann wird klar, dass auch der beste Streik gegen eine über­flüs­si­ge Auto­fa­brik (welt­weit wer­den jähr­lich ca. 30 Mil­lio­nen Autos zu viel gebaut) in hie­si­gen Brei­ten oder im Nach­bar­land uns und den Arbei­tern nichts brin­gen wird. Er wird das System schüt­zen und stüt­zen (egal, ob die Arbei­ter den Kampf gewin­nen oder ver­lie­ren), da man sich an die Spiel­re­geln hält, da man nicht José Sara­ma­go, den por­tu­gie­si­schen Lite­ra­tur­no­bel­preis­trä­ger gele­sen hat, der schon vor 30 Jah­ren schrieb, dass man nur etwas ver­än­dern kön­ne, wenn man die Regeln bräche.

Wir soll­ten uns aller­dings lang­sam etwas Neu­es aus­den­ken. Wir brau­chen nicht unbe­dingt mehr Schorn­stei­ne oder Reak­to­ren oder noch mehr Autos. Es geht auch mit ande­ren Ideen, mit klu­gen alter­na­ti­ven Kon­zep­ten und Stra­te­gien, die sogar bereits exi­stie­ren und par­ti­ell prak­ti­ziert wer­den. Ein Begriff dafür ist »buen vivir«, das gute ein­fa­che Leben. Doch das setzt »Degrowth« vor­aus, ein sich Los­lö­sen von stän­di­gem Wachs­tum, das auf der begrenz­ten Erde logi­scher­wei­se nicht mög­lich ist. Das der­zeit gül­ti­ge Wirt­schafts­sy­stem zer­stört die Welt, unse­re Lebens­grund­la­gen, und ist nach dem ent­spre­chen­den Arti­kel unse­res Grund­ge­set­zes nur eine der Mög­lich­kei­ten. Etwas Neu­es hat irgend­wie mit Zukunft zu tun, sonst haben wir keine.

Ob Jim Rogers, der »India­na Jones« der Finanz­welt, auch dar­über mal nachdenkt?