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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Gefälliger Blödsinn

Die Zahl der Rezen­sen­ten schwin­det wie deren Mög­lich­keit, Bespre­chun­gen in Print­me­di­en zu plat­zie­ren. Die Regio­nal­pres­se erwärmt sich allen­falls noch für Bücher mit regio­na­lem Bezug, die Über­re­gio­na­len ersticken an der Fül­le der meist unver­langt ein­ge­hen­den Ange­bo­te, obgleich doch in Sum­ma immer weni­ger Freie die Mei­nungs­frei­heit nut­zen, um ihre freie Mei­nung über Bücher zu äußern. Erstens weil die Aus­sicht auf Druck­le­gung gering ist und zwei­tens das Ver­hält­nis von Auf­wand und Nut­zen noch gerin­ger. Nimmt man’s mit der Lek­tü­re und deren intel­lek­tu­el­ler Ver­ar­bei­tung näm­lich ernst, sind zwei, drei Arbeits­ta­ge dahin, und dafür gibt es dann zehn oder zwan­zig Cent pro Druck­zei­le. Davon kann kei­ner existieren.

Das erklärt, wes­halb wohl die Mehr­heit der Bespre­chun­gen oft aus Zunei­gung oder gar Freund­schaft zum Autor ent­steht. Die Gefäl­lig­keit wird in unein­ge­schränk­ter Für­spra­che und hym­ni­scher Aner­ken­nung des Wer­kes sicht­bar, die Sym­pa­thie für den Autor schwingt in jeder Zei­le mit. Um aber die­sem kleb­ri­gen Ein­druck ent­ge­gen­zu­wir­ken, muss auch unbe­dingt Kri­ti­sches ein­ge­floch­ten wer­den. Aber kei­nes­falls an die Adres­se des Autors gerich­tet. Bleibt also nur der Ver­lag, der den so rüh­mens­wer­ten Text gedruckt hat.

Belieb­te Moni­ta sind Druck­feh­ler, ein feh­len­des Per­so­nen­re­gi­ster, das angeb­lich mise­ra­ble Lek­to­rat, schlech­tes Papier, die man­gel­haf­te Bin­dung, das Lay­out, die Typo­gra­phie und vor allem die unzu­rei­chen­den Bemü­hun­gen des Ver­la­ges, das her­vor­ra­gen­de Buch im welt­wei­ten Han­del zu plat­zie­ren, vor allem im ver­blie­be­nen klei­nen Buch­la­den an der Ecke … Geschenkt.

Die Vari­an­ten der­ar­ti­ger Wür­di­gun­gen wer­den durch krea­ti­ve Neu­schöp­fun­gen oder durch Rol­len­tausch ste­tig berei­chert, wie ich unlängst bemerk­te. So besprach ein Rezen­sent jetzt ein bereits vor Jah­ren erschie­ne­nes Buch und nann­te es »eine inter­es­san­te und kennt­nis­rei­che Erzäh­lung der ›Wen­de­zeit‹«, was gewiss zutraf. Doch am Ende sei­ner posi­ti­ven Anmer­kun­gen zur Publi­ka­ti­on befand er, was schlech­tes Deutsch und schlech­ter Stil zugleich war, dass alles »durch den Umstand getrübt wird, dass der Autor jah­re­lang Bild­zei­tungs­kor­re­spon­dent war – nicht unbe­dingt der Aus­bund von Seriosität«.

Da möch­te man doch glatt dem Rezen­sen­ten, der gele­gent­lich selbst Bücher ver­fasst, in die Bespre­chung sei­nes näch­sten Druck­werks nicht min­der irra­tio­nal hin­ein­schrei­ben: »Tol­les Buch, aber lei­der wird der Ein­druck durch den Umstand getrübt, dass der Autor aus Schwein­furt stammt – nomen est omen.«

Viel­leicht liegt sein Aus­zug dort bereits so lan­ge zurück, wie der von ihm bloß­ge­stell­te Buch­au­tor beim Bou­le­vard-Blatt sei­ne Bröt­chen ver­dien­te. Und zwei­tens: Was über­haupt hat das eine mit dem ande­ren zu tun?

Wie man sieht, kle­ben die West­deut­schen ihren Lands­leu­ten gern denun­zia­to­ri­sche Eti­ket­ten an. Und die haf­ten, wie wir Ost­deut­schen aus eige­nem Erle­ben wis­sen, drei­ßig Jah­re und länger.