Die Zahl der Rezensenten schwindet wie deren Möglichkeit, Besprechungen in Printmedien zu platzieren. Die Regionalpresse erwärmt sich allenfalls noch für Bücher mit regionalem Bezug, die Überregionalen ersticken an der Fülle der meist unverlangt eingehenden Angebote, obgleich doch in Summa immer weniger Freie die Meinungsfreiheit nutzen, um ihre freie Meinung über Bücher zu äußern. Erstens weil die Aussicht auf Drucklegung gering ist und zweitens das Verhältnis von Aufwand und Nutzen noch geringer. Nimmt man’s mit der Lektüre und deren intellektueller Verarbeitung nämlich ernst, sind zwei, drei Arbeitstage dahin, und dafür gibt es dann zehn oder zwanzig Cent pro Druckzeile. Davon kann keiner existieren.
Das erklärt, weshalb wohl die Mehrheit der Besprechungen oft aus Zuneigung oder gar Freundschaft zum Autor entsteht. Die Gefälligkeit wird in uneingeschränkter Fürsprache und hymnischer Anerkennung des Werkes sichtbar, die Sympathie für den Autor schwingt in jeder Zeile mit. Um aber diesem klebrigen Eindruck entgegenzuwirken, muss auch unbedingt Kritisches eingeflochten werden. Aber keinesfalls an die Adresse des Autors gerichtet. Bleibt also nur der Verlag, der den so rühmenswerten Text gedruckt hat.
Beliebte Monita sind Druckfehler, ein fehlendes Personenregister, das angeblich miserable Lektorat, schlechtes Papier, die mangelhafte Bindung, das Layout, die Typographie und vor allem die unzureichenden Bemühungen des Verlages, das hervorragende Buch im weltweiten Handel zu platzieren, vor allem im verbliebenen kleinen Buchladen an der Ecke … Geschenkt.
Die Varianten derartiger Würdigungen werden durch kreative Neuschöpfungen oder durch Rollentausch stetig bereichert, wie ich unlängst bemerkte. So besprach ein Rezensent jetzt ein bereits vor Jahren erschienenes Buch und nannte es »eine interessante und kenntnisreiche Erzählung der ›Wendezeit‹«, was gewiss zutraf. Doch am Ende seiner positiven Anmerkungen zur Publikation befand er, was schlechtes Deutsch und schlechter Stil zugleich war, dass alles »durch den Umstand getrübt wird, dass der Autor jahrelang Bildzeitungskorrespondent war – nicht unbedingt der Ausbund von Seriosität«.
Da möchte man doch glatt dem Rezensenten, der gelegentlich selbst Bücher verfasst, in die Besprechung seines nächsten Druckwerks nicht minder irrational hineinschreiben: »Tolles Buch, aber leider wird der Eindruck durch den Umstand getrübt, dass der Autor aus Schweinfurt stammt – nomen est omen.«
Vielleicht liegt sein Auszug dort bereits so lange zurück, wie der von ihm bloßgestellte Buchautor beim Boulevard-Blatt seine Brötchen verdiente. Und zweitens: Was überhaupt hat das eine mit dem anderen zu tun?
Wie man sieht, kleben die Westdeutschen ihren Landsleuten gern denunziatorische Etiketten an. Und die haften, wie wir Ostdeutschen aus eigenem Erleben wissen, dreißig Jahre und länger.