In seiner Warschauer Rede vom 26. März verstieg sich US-Präsident Joseph Biden nicht nur zu der Forderung, Putin dürfe nicht länger Präsident Russlands sein. Er frohlockte auch, beklatscht vom ausgewählten Publikum, »the ruble had been reduced to rubble« – übersetzt etwa, der (russische) Rubel sei inzwischen nicht mehr wert als ein Haufen Schotter. Das stimmte schon zum damaligen Zeitpunkt nicht. Diese sprachlich nette, aber ökonomisch falsche Formel spiegelt aber ziemlich exakt die Wunschträume der Wirtschaftskrieger in den USA und Westeuropa wider, mit den als »Sanktionen« beschönigend umschriebenen Maßnahmen Russland durch einen Wirtschaftskrieg in die Knie zwingen zu können.
Daraus wird nichts. Zunehmend breitet sich daher in den Zentralen der westlichen Welt Frust aus über die Entwicklung im Wirtschaftskrieg. Am 9. April musste der Londoner Economist einräumen, der Rubel hätte sich von »seinem dramatischen Fall zum Start des Krieges in der Ukraine« inzwischen erholt und »wird zum selben Wechselkurs gegenüber dem Dollar gehandelt wie in dem Moment vor der Invasion«. Eine Woche später, am 16. April, vergleicht das Blatt das Abstimmergebnis des vom Westen angestrebten Ausschlusses Russlands vom UNO-Menschenrechtsrat mit der Abstimmung zur Verurteilung Russlands gleich nach der Invasion in die Ukraine und stellt mit Empörung fest, dass das Lager der klaren Gegner Russlands von 141 auf 93 Länder geschrumpft, das der Enthaltungen und Gegenstimmen sich aber von 40 auf 82 mehr als verdoppelt habe. »Get off the fence« – »Runter von der Zuschauertribüne« schreit das Blatt im Kommentar zu dieser Entwicklung die Repräsentanten dieser zunehmenden Abkehr von der westlichen Kriegsentschlossenheit geradezu an.
In Deutschland liegen die Nerven ähnlich blank. Die FAZ kommentierte den Auftritt des russischen Präsidenten Wladimir Putin am »Tag der Raumfahrt« mit der Überschrift »Gagarin verzweifelt gesucht«, zitierte aber im Text ohne weitere Konsequenzen einen genauso wichtigen wie richtigen Hinweis Putins: Sowohl beim Start des »Sputniks« 1957 als auch bei Juri Gagarins Weltraumflug 1961 hätten die USA und Westeuropa die damalige Sowjetunion vollständig von ihren Märkten abgeschottet – es hätte »eine komplette technologische Isolation geherrscht«. In der Tat ist es Ausdruck geschichts- und wirklichkeitsfremder westlicher Überheblichkeit, zu glauben, Länder wie Russland oder China könnten ohne westliche Technologien nur Vorschlaghämmer und Holzpantoffeln produzieren.
Sowohl die FAZ als auch der Economist werden wohl noch häufiger feststellten müssen, »dass es wenig Evidenz dafür gibt, dass die ökonomische Aktivität (Russlands) sonderlich beeinträchtigt wäre«, wie das britische Blatt am 2. April einräumte und – ebenfalls mit Verweis auf die Sowjetunion – resümierte: »Wenn überhaupt irgendeine Volkswirtschaft damit klarkommen könnte, vom Rest der Welt abgeschnitten zu werden, dann wäre es die Russlands.«
Der tiefe Frust in den westlichen Zentralen kommt zu einen von dieser Einsicht und zum anderen daraus, dass diese Isolation, die von 1949 bis 1989 gelungen war, heute nicht mehr gelingt. Das zeigen die Abstimmungen in der UNO, mehr aber noch die florierenden Wirtschaftskontakte, die Russland mit China, Indien, Pakistan, Iran, den meisten afrikanischen Staaten – kurz mehr als der Hälfte der Weltbevölkerung unterhält, allen Bestrebungen aus Washington, London oder Berlin zum Trotz.
Auch weil diese Sanktionen sich zunehmend als Flop erweisen, werden die Bemühungen, den Krieg gegen Russland bis zum letzten Ukrainer militärisch zu gewinnen, immer mehr intensiviert – mit Panzern, Raketen und demnächst vielleicht auch mit Flugzeugen, die gegen Russland in Marsch gesetzt werden.