Wieso bricht Krieg immer aus?
Weshalb kreuzt eine deutsche Fregatte vor China und keine chinesische vor Deutschland?
Wieso und ab wann lohnt sich ein Krieg?
Weshalb führt niemand einen sinnlosen Krieg?
Warum muss es dennoch den sinnlosen Krieg immer wieder geben?
Wieso führt man Krieg, ohne ihn zu wollen?
Weshalb ist alles gut mit dem ius ad bellum, das man hat?
Warum hat der Feind es nie, verstößt dafür aber immer gegen das ius in bello?
Wieso gibt es bei uns Kollateralschäden und beim Feind unmenschliche Absicht?
Weshalb braucht es für den Feind einen (Sonder-)Gerichtshof und für den Freund keinen?
Warum kann ein Krieg Deutschlands kein Verbrechen (mehr) sein?
Wieso ist Folter aus der Luft nur logisch und kein Terror, wenn im Jugoslawienkrieg exekutiert?
Weshalb darf man Soldaten nicht sinnlos verheizen?
Warum dürfen sie aber auf dem Feld der Ehre ihr Leben lassen?
Wieso verherrlicht der Feind mit seinen Denkmälern Krieg?
Weshalb statten wir mit unseren den Dank des Vaterlandes ab?
Warum gibt es beim Feind keine tragischen Einzelschicksale?
Wieso keine wehrlosen Opfer unseres und unserer Freunde Handelns?
Weshalb muss beim Feind dort ausgeräuchert werden, wo ihm Pseudozivilisten beispringen?
Wieso haben auch seine Künstler/Sportler kein Recht darauf, als unpolitisch/friedfertig zu gelten?
Weshalb aber ist es patriotische Pflicht, Künstler in Blau-Gelb und Splitterwesten abzufeiern?
Warum hat der Feind nur eine Zivilgesellschaft aus Duckmäusern und Opportunisten?
Wieso rekrutiert sich unsere Gesellschaft hingegen aus Aufrechten, die selbstbestimmt und nach sorgfältigem Abwägen für Krieg sind und im Verein nun für andere Meinungen – auch Toleranz hat einmal ein Ende – leider kein Verständnis mehr haben können?
Weshalb war man kein Lumpenpazifist, wenn man gegen einen Krieg war, (weil) der verlorenging?
Warum ist man einer, solange die Hoffnung besteht, Sieg werde die Mission des Meisters aus Deutschland belohnen?
Wieso konnte man es immer – und somit auch jetzt – damals noch nicht wissen?
Weshalb sind »wir« so gut darin, »unsere« Doppelmoral beim Feind zu entdecken?
Warum nur soll des Menschen Wolfsnatur den ewig wahren Kriegsgrund abgeben?
Die Antwort weiß nur der Wind oder vielleicht Alexa? Wahrscheinlich aber werden Fragen der Sache nicht gerecht. Sie ist es ja schon. Fragen, wie die hier aufgeführten, sind rein rhetorisch, zu simpel und von »unserer Lage« schlicht überholt.
Wie seine Bündnispartner führt Deutschland einen mehr oder weniger erklärten, doch tatsächlichen Krieg auf Stellvertreterterrain. Mit diesem Krieg, den die Ukraine, wie die Taliban, bevor sie Terroristen wurden, für »uns« auskämpft, soll sich Russland dort mit seinen militärischen Mitteln, die es auszubluten gilt – und die Chancen dafür stehen angesichts der Überlegenheit der westlichen Waffenarsenale nicht schlecht –, so lange abplagen, bis es sich zu einem Diktatfrieden nach westlichem Geschmack bequemt und nur noch zu regeln ist, wie viel Gesichtswahrung ihm zugestanden wird. Entschließt sich der Feind aber, nicht aus Durchgeknalltheit, sondern aus militärischer Logik heraus, die in Deutschland zumindest manche Generäle verstehen, zum Angriff auf den Förderer und Bürgen des ukrainischen Siegeswillens selbst, so wird eben der »Ausbruch« des Dritten Weltkriegs, »Eintreten des Bündnisfalls« genannt, leider, leider unvermeidlich sein. Verteidigungsbefehlen eines vom Parlament unterstützten deutschen Kriegskanzlers wird sein Land dann auch folgen. Bis dahin begeistert sich die Dame, die für Styling einen hohen Preis zu entrichten bereit ist, schon einmal, fotogen Himmel und Hölle behüpfend, für Wunderwerke finnischer Bunkerbaukunst. Sich so spontan, ehrlich und »irgendwie witzig« zu zeigen, kommt gut an, nicht nur bei Verleihern von Faschingsorden; es ist wieder Zeit für Gefechtshumor, nun im Leopardenkostüm. An Narren kein Mangel.
Der Ausgangs- wie Fluchtpunkt von Kontroversen um Krieg und Frieden ist die ihnen gemeinsame, als Selbstverständlichkeit vorausgesetzte Frage, worin sich »das gute Deutschland« erweise. Die dominante öffentliche Meinung zum Kriegsverlauf ist zuversichtlich: »Auf sie mit Gebrüll!« Der Soziologin Eva Illouz steht als israelischer Antifaschistin zu, unumwunden zu formulieren, was die Deutschen wohl schon sagen mögen, aber schon wieder sagen zu dürfen sich noch nicht trauen: »Ich wünsche mir den totalen Sieg.« Das war noch vor Jahren zumindest nicht flächendeckend so: »Patriotismus, Vaterlandsliebe also, fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht« (Robert Habeck, zitiert nach Wolfgang Bittner, Ausnahmezustand, 2023, S. 63).
Daneben gibt es noch mahnende Stimmen, die darauf verweisen, dass ein Pazifismus demgegenüber auch noch seine Berechtigung habe, insofern er sich auf der Höhe der Zeit bewege. Das beansprucht z. B. Franz Alt mit seinem Plädoyer für einen realistischen Pazifismus. Der Realismus besteht in der Anerkennung dessen, dass die Macht der Politik notgedrungen aus den Gewehrläufen kommen muss, der Pazifismus aus der Mahnung, mit Augenmaß zu handeln, um Verhandlungschancen zu schaffen und nicht zu verpassen. Krieg begründet sich dadurch, dass er den Frieden will, womit auch Bellizisten d’accord gehen, aber diesen kreidet Alt ein Spiel mit dem Feuer an; unbedingte Kriegsbegeisterung sei ein gefährlicher Ratgeber. Man dürfe nicht überziehen, nicht einfach Unmögliches wollen, sondern solle auf dem Boden bleiben. So geht richtiger Pazifismus heute, dem in gesittet verlaufenden Talkshows die Damen Högl und Strack-Zimmermann einiges Verständnis entgegenbringen dürften. Wie weiland die Realos der Grünen in ihren Auseinandersetzungen mit den Fundis hält die verantwortungsethische Kritik Alts einem von früher stammenden Fundamentalpazifismus dessen Flausenhaftigkeit vor. Bei der praktizierten Politik rennt er damit offene Scheunentore ein; schließlich folgt sie ständig der Stimme ihrer Vernunft.
Dass das jedoch ausbleibe, beklagen die Gesinnungsethiker: »Weißt du, wie viel Waffen stehen…?« Beim Zählen und auf dem Marsch nur und bloß für Frieden bleibt die Unterscheidung zwischen behaupteten und wirklichen Kriegsgründen auf der Strecke. Es kommt nicht in den Blick, dass Friedenszeiten auch Krieg-Ermöglichungszeiten sind. Z. B. dokumentieren »zivilgesellschaftliche« Projektentwürfe infrastrukturelle, auch länderübergreifende Maßnahmen mit Langzeitwirkung, die selbstverständlich militärische Aufmarsch- und Nachschuberfordernisse berücksichtigen und dementsprechend ausfallen (vgl. dazu Christian Bunke, »Die Achsenmacher«, junge Welt, 07.02.2023). Kriegsgründe sind – Achtung, »Rüstungsspiralen«! – »purer Wahnsinn«, von dem der Staat, entweder verblendet oder von dunklen Mächten gekapert, gefälligst zu lassen habe, weshalb es letzteren zu seinem eigentlichen guten Wesen – gut, da er ja »der unsrige« ist – zu bekehren gilt. Aktivwerden äußert sich, nicht zum ersten Mal, in Überrascht-, Enttäuscht- und Bestürztsein darüber, dass »die da oben« einfach nicht machen, was – »und allen Menschen ein Wohlgefallen« – sie sollten.
Damit ist man tatsächlich recht weit weg von der »Welt, wie sie ist«. In dieser birgt der Samthandschuh der Diplomatie nur Erfolg, wenn in ihm die eiserne Faust der Kriegsfähigkeit und -bereitschaft, Helmut Schmidts »Position der Stärke« steckt, die auch seine Amtsnachfolger unbeeindruckt gegen die vormals einigere Friedensbewegung durchgesetzt haben; wenn sich Serbien den Rambouillet-»Verhandlungen« nicht beugen mochte, so hatte es den Krieg nur sich selbst zuzuschreiben.
Unbedingt oder mit Bedenken – man kann es sich aussuchen: Wie hätten wir den Frieden denn nun gern?