Dass Christa Wolf und Sarah Kirsch einmal eng befreundet waren, wissen die, die sich für die Hintergründe von Christa Wolfs »Sommerstück« (1989) interessierten. An diese Zeit erinnert auch Sarah Kirschs »Allerlei-Rauh« (1988). Etwas unterscheiden sich die Darstellungen des gemeinsam erlebten Sommers, und es wurde spekuliert, dass es mit der Freundschaft nicht mehr ganz so sei.
Jetzt wird alles mit dem Briefwechsel zwischen beiden genau dokumentiert, und den Leser erwarten dabei einige Überraschungen. Begonnen hatte alles in den frühen sechziger Jahren damit, dass sich Sarah Kirsch mit ihren Gedichten dem Lyrikspezialisten und Lektor Gerhard Wolf, dem Ehemann von Christa Wolf, anvertraute. Die Kontakte zwischen den Ehepaaren (S. K. war damals mit Rainer Kirsch verheiratet) wurden enger. Es ging um Alltag, Politik, Kollegen, Projekte … Sarah Kirsch berichtet der Freundin so manchen Alltags- und Liebeskummer, aber auch neue Freuden. Sie mochten sich, die so oft verzweifelte und sich Stimmungen hingebende Sarah und die gefestigtere, in ihrer Familie ruhende Christa. Sie halfen und berieten sich und genossen den später beschriebenen Sommer 1975 zusammen im Mecklenburgischen Meteln. Sie wollten beide, dass sich nach Kirschs Übersiedlung in den Westen nichts ändert, denn sie waren ja keine anderen. Dennoch werden die Briefthemen allgemeiner, begrenzter. Man wollte einander nicht verlieren, und dabei ging es oft nur noch um Krankheiten, Familie, Gartenerfahrungen und den Alltag der zurückgezogen in der reinen Natur lebenden Sarah Kirsch und der zwischen Mecklenburg und Berlin pendelnden Christa Wolf. Als es dann mit der Wende eminent politisch wird, gerät die anfänglich erneute Annäherung zu einem abrupten Ende des Briefwechsels. Sarah Kirsch scheint kein Verständnis für das politische Engagement Christa Wolfs aufbringen zu wollen.
Dass Christa Wolf mittendrin im politischen Geschehen war, bezeugt das andere Buch des Suhrkamp Verlags. Der Dokumentarist Thomas Grimm hat 2008 Gerhard und Christa Wolf ausführlich interviewt und nun dies zusammen mit Texten, von denen im Gespräch die Rede ist, veröffentlicht. Das ist ein wertvolles Dokument, das gerade jetzt in Zeiten des 30sten Maueröffnungsjubiläums so manches Urteil über damals geraderückt und unverblümt Wolfs Erlebnisse und Ansichten wiedergibt. Heute fast vergessen sind damalige Initiativen wie die vielfältigen Runden Tische, die Resolutionen und Aufrufe, Untersuchungsausschüsse, die Bemühungen um eine neue Verfassung … Hoffnungen erwiesen sich als Illusionen und die Wolfs waren meistens dabei.
Sarah Kirsch/Christa Wolf: »›Wir haben uns wirklich an allerhand gewöhnt.‹ – Der Briefwechsel«, hrsg. von Sabine Wolf unter Mitarbeit von Heiner Wolf. Suhrkamp Verlag. 456 Seiten, 32 €; Christa Wolf: »Umbrüche und Wendezeiten«, hrsg. von Thomas Grimm unter Mitarbeit von Gerhard Wolf. Suhrkamp Verlag. 141 Seiten, 12 €