Wenn man ins Kino geht und etwas lernt, etwas erfährt, was man noch nicht wusste, ist das ein Gewinn. Den Rest, den man schon kennt, nimmt man gerne mit, wenn er unterhaltsam serviert wird. Und beim Name-Dropping steht ein Sigmund Freud immer noch ganz oben. (Vgl. die Filmkritik in der FAZ, die vor allem aus einem solchen besteht, dazu noch etwas Aplomb, und fertig ist das »kommunistische« Feuilleton, das mehr Platz benötigt als die Korruption in der Familie Netanjahu.)
Vom »Skandal Freud« ist im Film eigentlich nur noch das Verhältnis zu seiner Tochter übriggeblieben, das uns zeigt, dass alles Analysieren nichts nützt, wenn es den Meister oder dessen Tochter (selbst) betrifft. Ausnahmen bestätigen auch hier die (eigene) Regel.
Da sind wir bei dem, was ich gelernt habe: Dymphna, die Schutzheilige der Irren, die nun aber psychisch Kranke genannt werden, was freilich deren soziale und medizinische Situation nur unwesentlich verbessert. Und Momos, der Gott der Satire, dem auch der Schreiber dieser Zeilen sein Opfer darbringt.
Das Kino am Bundesplatz war am Samstag (28.12.) gefüllt zur Hälfte vermutlich mit jenen, die Dymphna huldigen, und die Psychoanalyse (PSA) schon im unbequemen Stuhl/Sessel, oder veraltet klassisch: auf der Couch, kennengelernt haben, wenn sie nicht in billigere Sphären abgeschoben wurden (Gruppenelend mit Spielzeug), oder eben echte Bildungsbürger sind, die sich so ein Thema nicht entgehen lassen können. Nun das Thema: Gott gegen das Elend der Welt ist gar nicht neu, es ist so alt wie dieser Gott und das von ihm Geschaffene oder zur Bewährung Verurteilte. Freilich, nur weil ein Thema schon extensiv diskutiert wurde, muss es nicht langweilig sein, ist es hier auch nicht, auch wenn die Argumente ins letzte Jahrhundert gehören, und wir nur feststellen müssen, dass sich weder die Wissenschaft Psychoanalyse noch die aufklärende Vernunft durchsetzen konnten. Genauer vielleicht, sind wir keinen Schritt weiter (z. B. Missbrauchsskandale), eher einen zurück. So ist dieser Film eine Reise zurück, aber auch ein nicht eingelöstes Versprechen. Damit das aber nicht zum bedenklichen Nachdenken anregt, gibt es zum Glück diese Vater-Tochter Beziehung, die alle Analyse wieder über den Haufen wirft und den problematischen Menschen offenbart, der durchaus zur Rettung der Religion herangezogen werden kann. Also 1:1? Gegen eine derart fluide Theologie des C. S. Lewis ist nicht leicht anzukommen, trotz der kitschigen Rehe im Wald, die unser Antagonist halluziniert. Das Bild vertritt die Klimakatastrophe im Kino, und Anna Freud und ihre Freundin die schon in die Jahre gekommene Emanzipation der Homosexualität.
Was fehlt ist der Kampf der PSA um Anerkennung und mit Einstein um ein neues Verständnis von Wissenschaft und Vernunft. (Auch hier haben wir einen Rückschritt gemacht, auch in beider Verhältnis zum Krieg.) Denn hier wird, indem die Vorgeschichte fehlt, der Krieg legitimiert. Der (gegen Nazi-Deutschland) war zu dieser Zeit bitter notwendig, aber eben ohne Vorgeschichte legitimiert er sich selbst als ein Kampf Gut gegen Böse, wobei tatsächlich hier mehr schwarzbraun (und Imperialismus) die vorherrschende Farbe war. Wer das nicht versteht, ersetze das Schwarzbraun durch Grautöne.)
Nach so einem Film in ein französisches Lokal, in der Nähe gelegen, einzukehren, zeigt, dass wir zur bildungsbürgerlichen Seite der Kinopublikums gehören! Online reserviert, eine Plage nicht nur wegen der Mails, die dann kommen, sondern auch, weil das Restaurant leider überbucht ist, man kennt das von Flügen. Für das Warten wird ein Crémant auf Kosten des Hauses angeboten, geht ganz schnell, heißt es, während man im dem (zu) engen Lokal auf seinen zukünftigen Tisch starrt, und es dessen Nutzern ungemütlich macht. Man steht also eng an die WC-Türe gedrückt und wartet. Immerhin ist das winzige Klo für beide Geschlechter freigegeben und muss auch so genutzt werden. Die Tische sind so eng wie möglich gestellt, der langgestreckte Raum erinnert an eine umgebaute Wohnung. Damit sich das Ganze rechnet, muss das wohl so sein, zumal der Wein und die Speisen durchaus günstig sind. Die Speisekarte besteht aus einer Schiefertafel (immer noch besser als ein Tablet oder am schlimmsten: QR-Code), wobei das Beste, weil eigentlich Gewünschte (Muscheln), leider schon durchgestrichen ist. Es ist etwas laut im Lokal, was manche für urig, echt usw. halten, aber für einen Besuch nach einem Kinofilm eher abträglich ist, vor allem für ältere Menschen, die noch zuhören wollen, das aber nicht mehr ganz gut können.
Was also nehmen wir mit nach Hause? Das wäre ein Film: Dymphna trifft auf Momos, das könnte doch etwas werden!
PS: Der als Entschädigung für die Überbuchung versprochene Crémant wurde dann leider vergessen.