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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Freud und Lewis

Wenn man ins Kino geht und etwas lernt, etwas erfährt, was man noch nicht wuss­te, ist das ein Gewinn. Den Rest, den man schon kennt, nimmt man ger­ne mit, wenn er unter­halt­sam ser­viert wird. Und beim Name-Drop­ping steht ein Sig­mund Freud immer noch ganz oben. (Vgl. die Film­kri­tik in der FAZ, die vor allem aus einem sol­chen besteht, dazu noch etwas Aplomb, und fer­tig ist das »kom­mu­ni­sti­sche« Feuil­le­ton, das mehr Platz benö­tigt als die Kor­rup­ti­on in der Fami­lie Netanjahu.)

Vom »Skan­dal Freud« ist im Film eigent­lich nur noch das Ver­hält­nis zu sei­ner Toch­ter übrig­ge­blie­ben, das uns zeigt, dass alles Ana­ly­sie­ren nichts nützt, wenn es den Mei­ster oder des­sen Toch­ter (selbst) betrifft. Aus­nah­men bestä­ti­gen auch hier die (eige­ne) Regel.

Da sind wir bei dem, was ich gelernt habe: Dymph­na, die Schutz­hei­li­ge der Irren, die nun aber psy­chisch Kran­ke genannt wer­den, was frei­lich deren sozia­le und medi­zi­ni­sche Situa­ti­on nur unwe­sent­lich ver­bes­sert. Und Momos, der Gott der Sati­re, dem auch der Schrei­ber die­ser Zei­len sein Opfer darbringt.

Das Kino am Bun­des­platz war am Sams­tag (28.12.) gefüllt zur Hälf­te ver­mut­lich mit jenen, die Dymph­na hul­di­gen, und die Psy­cho­ana­ly­se (PSA) schon im unbe­que­men Stuhl/​Sessel, oder ver­al­tet klas­sisch: auf der Couch, ken­nen­ge­lernt haben, wenn sie nicht in bil­li­ge­re Sphä­ren abge­scho­ben wur­den (Grup­pen­elend mit Spiel­zeug), oder eben ech­te Bil­dungs­bür­ger sind, die sich so ein The­ma nicht ent­ge­hen las­sen kön­nen. Nun das The­ma: Gott gegen das Elend der Welt ist gar nicht neu, es ist so alt wie die­ser Gott und das von ihm Geschaf­fe­ne oder zur Bewäh­rung Ver­ur­teil­te. Frei­lich, nur weil ein The­ma schon exten­siv dis­ku­tiert wur­de, muss es nicht lang­wei­lig sein, ist es hier auch nicht, auch wenn die Argu­men­te ins letz­te Jahr­hun­dert gehö­ren, und wir nur fest­stel­len müs­sen, dass sich weder die Wis­sen­schaft Psy­cho­ana­ly­se noch die auf­klä­ren­de Ver­nunft durch­set­zen konn­ten. Genau­er viel­leicht, sind wir kei­nen Schritt wei­ter (z. B. Miss­brauchs­skan­da­le), eher einen zurück. So ist die­ser Film eine Rei­se zurück, aber auch ein nicht ein­ge­lö­stes Ver­spre­chen. Damit das aber nicht zum bedenk­li­chen Nach­den­ken anregt, gibt es zum Glück die­se Vater-Toch­ter Bezie­hung, die alle Ana­ly­se wie­der über den Hau­fen wirft und den pro­ble­ma­ti­schen Men­schen offen­bart, der durch­aus zur Ret­tung der Reli­gi­on her­an­ge­zo­gen wer­den kann. Also 1:1? Gegen eine der­art flui­de Theo­lo­gie des C. S. Lewis ist nicht leicht anzu­kom­men, trotz der kit­schi­gen Rehe im Wald, die unser Ant­ago­nist hal­lu­zi­niert. Das Bild ver­tritt die Kli­ma­ka­ta­stro­phe im Kino, und Anna Freud und ihre Freun­din die schon in die Jah­re gekom­me­ne Eman­zi­pa­ti­on der Homosexualität.

Was fehlt ist der Kampf der PSA um Aner­ken­nung und mit Ein­stein um ein neu­es Ver­ständ­nis von Wis­sen­schaft und Ver­nunft. (Auch hier haben wir einen Rück­schritt gemacht, auch in bei­der Ver­hält­nis zum Krieg.) Denn hier wird, indem die Vor­ge­schich­te fehlt, der Krieg legi­ti­miert. Der (gegen Nazi-Deutsch­land) war zu die­ser Zeit bit­ter not­wen­dig, aber eben ohne Vor­ge­schich­te legi­ti­miert er sich selbst als ein Kampf Gut gegen Böse, wobei tat­säch­lich hier mehr schwarz­braun (und Impe­ria­lis­mus) die vor­herr­schen­de Far­be war. Wer das nicht ver­steht, erset­ze das Schwarz­braun durch Grautöne.)

Nach so einem Film in ein fran­zö­si­sches Lokal, in der Nähe gele­gen, ein­zu­keh­ren, zeigt, dass wir zur bil­dungs­bür­ger­li­chen Sei­te der Kino­pu­bli­kums gehö­ren! Online reser­viert, eine Pla­ge nicht nur wegen der Mails, die dann kom­men, son­dern auch, weil das Restau­rant lei­der über­bucht ist, man kennt das von Flü­gen. Für das War­ten wird ein Cré­mant auf Kosten des Hau­ses ange­bo­ten, geht ganz schnell, heißt es, wäh­rend man im dem (zu) engen Lokal auf sei­nen zukünf­ti­gen Tisch starrt, und es des­sen Nut­zern unge­müt­lich macht. Man steht also eng an die WC-Türe gedrückt und war­tet. Immer­hin ist das win­zi­ge Klo für bei­de Geschlech­ter frei­ge­ge­ben und muss auch so genutzt wer­den. Die Tische sind so eng wie mög­lich gestellt, der lang­ge­streck­te Raum erin­nert an eine umge­bau­te Woh­nung. Damit sich das Gan­ze rech­net, muss das wohl so sein, zumal der Wein und die Spei­sen durch­aus gün­stig sind. Die Spei­se­kar­te besteht aus einer Schie­fer­ta­fel (immer noch bes­ser als ein Tablet oder am schlimm­sten: QR-Code), wobei das Beste, weil eigent­lich Gewünsch­te (Muscheln), lei­der schon durch­ge­stri­chen ist. Es ist etwas laut im Lokal, was man­che für urig, echt usw. hal­ten, aber für einen Besuch nach einem Kino­film eher abträg­lich ist, vor allem für älte­re Men­schen, die noch zuhö­ren wol­len, das aber nicht mehr ganz gut können.

Was also neh­men wir mit nach Hau­se? Das wäre ein Film: Dymph­na trifft auf Momos, das könn­te doch etwas werden!

PS: Der als Ent­schä­di­gung für die Über­bu­chung ver­spro­che­ne Cré­mant wur­de dann lei­der vergessen.