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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Ex-Jurist und Jetzt-Künstler

Wenn man ein gewis­ses Alter erreicht hat, wird es zu einer Art Trost, dass die Freun­de um einen her­um auch nicht jün­ger wer­den. Und das ermu­tigt einen dazu, ihnen zu ihrer bis­he­ri­gen und zu der noch zu erwar­ten­den Lebens­lei­stung dank­bar und hoff­nungs­schwan­ger zu gratulieren.

Gern mache ich das bei Phil­ipp Hei­nisch, der behaup­tet, am 28. März das 75. Lebens­jahr hin­ter sich gebracht zu haben. Das Beson­de­re dar­an: Er hat in die­ser knap­pen Zeit­span­ne bereits zwei Leben bewäl­tigt, und man kann sicher sein: Ihm und uns steht noch aller­hand bevor. Die Voka­bel »aller­hand« ist übri­gens nicht zufäl­lig gewählt.

Gebo­ren wur­de er im Jah­re 1945 in Coburg. Sein Vater war ein von den Nazis bearg­wöhn­ter Maler, und das väter­li­che Talent hat sich auch auf den Sohn über­tra­gen. Da das jedoch kei­ne Sicher­heit für das Aus­kom­men bot, wand­te sich der jun­ge Mann nach dem Abitur der Juri­ste­rei zu, stu­dier­te in Ber­lin und Frei­burg, bestand sei­ne Exami­na und wur­de Anwalt. Als sol­cher betä­tig­te er sich 20 Jah­re lang in Ber­lin. Als Straf­ver­tei­di­ger absol­vier­te er 600 Ver­hand­lungs­ta­ge im Schmücker-Pro­zess, dem bis­her läng­sten juri­sti­schen Quod­li­bet der BRD. Das letzt­lich gewon­ne­ne Ver­fah­ren brach­te ihm den Adolf-Arndt-Preis ein, über­reicht von der dama­li­gen Ber­li­ner Justiz­se­na­to­rin Jut­ta Limbach.

Hei­nischs juri­sti­sche Pra­xis unter­schei­det ihn übri­gens von sei­nem Idol Kurt Tuchol­sky, der es zwar auch zum exami­nier­ten Juri­sten brach­te, aber sei­nem Beruf nicht nach­ging. Dafür stand er mehr­fach als Ange­klag­ter vor Gericht. Ob Hei­nisch die­se Kon­stel­la­ti­on dazu bewog, spä­ter der Kurt-Tuchol­sky-Gesell­schaft beizutreten?

Sei­ne Lie­be zur Male­rei, spe­zi­ell zur Justiz-Kari­ka­tur, gewann schließ­lich doch die Ober­hand. 1992 gab er sei­ne Zulas­sung ab und erkor sein Hob­by end­gül­tig zu sei­nem Beruf, den er längst als sei­ne Beru­fung emp­fand. Die in der juri­sti­schen Pra­xis gewon­ne­nen Erfah­run­gen und Zwei­fel mögen dazu eben­so bei­getra­gen haben wie die Beob­ach­tung sei­ner Per­son durch den Verfassungsschutz.

Phil­ipp Hei­nisch wid­me­te sich fort­an vor allem mit­tels der poli­ti­schen Kari­ka­tur Bild-Refle­xio­nen über Recht und Gerech­tig­keit, scheu­te sich nicht vor dem fran­zö­si­schen Vor­bild Dau­miers und über­prüf­te und ver­voll­komm­ne­te wei­te­re künst­le­ri­sche Tech­ni­ken. In Aus­stel­lun­gen kon­fron­tiert er mit sati­ri­scher Treff­si­cher­heit die juri­sti­sche Pro­mi­nenz und den Rest der Öffent­lich­keit mit gesell­schaft­li­chen Erschei­nun­gen und Ten­den­zen, die mit dem Rechts­staat schwer zu ver­ein­ba­ren sind oder ihm mit­un­ter auch scha­den. Irgend­je­mand lei­te­te dar­aus die Lau­da­tio »Justi­ti­as drit­tes Auge ist der Blick von Phil­ipp Hei­nisch« ab. Und die­ses drit­te Auge begeg­net dem Betrach­ter in sei­nen seit 1988 her­aus­ge­ge­be­nen Jah­res­ka­len­dern, in sei­nen Bild­bän­den »Sehe ich Recht?«, »Recht und Specht«. »Küh­les Recht und hei­ße Sup­pe« sowie in sei­nen Illu­stra­tio­nen der Bücher ande­rer Autoren. Ob man aller­dings sei­nen steu­er­recht­li­chen Emp­feh­lun­gen – so der Fra­ge »Wie kann ich mei­nen Mann abset­zen?« – unbe­scha­det fol­gen soll­te, muss jeder selbst entscheiden.

Apro­pos Lau­da­tio. Kunst und Justiz sind bei dem Ex-Juri­sten und Jetzt-Maler kei­ne Anti­po­den. Wer schon ein- oder mehr­mals den von Phil­ipp Hei­nisch initi­ier­ten und von ihm gelei­te­ten »Gesprächs­kreis Kunst und Justiz« besucht hat, wird das von Her­zen bestä­ti­gen. Des­halb sind – wie neu­lich im Febru­ar Uwe Wesel – nicht nur juri­sti­sche Fach­leu­te bei ihm zu Gast, son­dern Autoren, Schrift­stel­ler, Schau­spie­ler und Kory­phä­en der unter­schied­lich­sten Berei­che. Von Hei­no Ferch oder Vol­ker Lud­wig – um nur zwei Bei­spie­le zu nen­nen – habe ich dadurch per­sön­li­che Ein­drücke gewon­nen, die die Büh­ne oder die Lein­wand allein nicht her­ge­ben können.

Tuchol­sky ist Hei­nisch nicht mehr begeg­net. Das ver­wun­dert, denn sei­ne Fest­stel­lung »Unter der Bin­de der Justi­tia leuch­ten zwei wohl­ge­fäl­lig plin­kern­de Augen« kann sich eigent­lich nur auf ihn bezie­hen (Kurt Tuchol­sky: »Schnip­sel«, erwei­ter­te Neu­auf­la­ge, her­aus­ge­ge­ben von Wolf­gang Hering und Hart­mut Urban, Rowohlt Taschen­buch Ver­lag, 1995, S. 145).

Eine Kost­pro­be aus Phil­ipp Hei­nischs Zei­chen­fe­der fin­den Sie auf der Umschlag­sei­te 4. Der Band »Sehe ich Recht?« ist im Schalt­zeit­ver­lag erhält­lich (204 Sei­ten, 29,80 €). Fer­ner erschien soeben im Selbst­ver­lag »Lebens­freu­de mit Recht«, Lieb­ha­ber­aus­ga­be ohne ISBN (14 €, www.kunstundjustiz.de).