Der bisherige Generalsekretär der Nato, der Norweger Jens Stoltenberg, wird Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, einst von Horst Teltschik und nachfolgend von Wolfgang Ischinger angeführt. Letzterer hat sie zu einem weltweit agierenden Akteur, einem sogenannten Think-Tank mit Forschungs- und Propagandaabteilung ausgebaut und jüngst diesen Coup im Hintergrund eingefädelt. Im Jahr 2019 hat Ischinger Kapital aus seinem Vermögen in die gleichnamige Stiftung eingebracht, im Verbund mit dem Bundesland Bayern, das ebenfalls kräftig investierte, um den globalen Einfluss des Netzwerks zu stärken. Der weltvernetzte Diplomat soll den Coup im Hintergrund eingefädelt haben. Der ehemalige politische Beamte und Merkel-Berater Christoph Heusgen, seit 2022 Leiter der MSC – nach dem Rückzug Ischingers – wird abgelöst und wohl mit einem anderen Posten befriedet. Offensichtlich verspricht Stoltenberg sowohl den amerikanischen Interessen als auch jenen in Berlin besser dienen zu können. Was heißt das?
Die Amerikaner verfolgen beim Krieg der Atommacht Russland gegen die Ukraine aktuell das Hauptziel, Russland einzudämmen und zu erschöpfen – und dabei schrittweise auszutesten, wie weit die Unterstützung der USA und der Nato-Staaten für die Ukraine gehen kann, ohne gravierende Reaktionen der russischen Seite (Atomdrohung) zu provozieren. Solange Russland seinen Drohungen keine Taten folgen lässt, nehmen westliche Medien und Militärexperten an, »Putin« bluffe. Von einigen Militärs wird darauf verwiesen, dass die russische Strategie darin bestehe, eine »Schmerzgrenze« der Duldung westlicher Waffen- und Militär-Unterstützung hinzunehmen, von der allerdings niemand so recht weiß, wann sie erreicht ist. Unterdessen reagiert Russland auf neue Waffen des »Westens« mit Gegenschlägen, u.a. schweren Gleitbombenangriffen. Je nachdem, welche Gegenmaßnahme dann im Rahmen der Eskalationsspirale ergriffen wird, kann es in Europa oder woanders dramatische Konsequenzen zur Folge haben. Z.B. auch mit einer »Stellvertreter-Reaktion Russlands«, etwa dergestalt, dass der Iran die US-Navy im Nahen Osten mit Raketen angreift, um das Signal zu setzen: »Bis hierher und nicht weiter!«
Niemand weiß es. Das wird »Eskalationsrisiko« genannt, das auch deutsche »Militärexpertinnen« gemeinhin bagatellisieren und eher dem wilhelminischen Anachronismus frönen: »Immer feste druff«. In strategischen Think-Tanks der USA sind hingegen auch Tendenzen vorhanden (siehe Foreign Affairs), die Verwaltungsbezirke im Osten der Ukraine, die seit 2014 von Separatisten und schließlich von der russischen Armee eingenommen, von Russland als unabhängige Republiken anerkannt und nach Kriegsbeginn im September 2022 mit einer Erklärung Putins eingegliedert worden sind, verloren zu geben – und dafür den größeren Teil der Ukraine, westlich des Dnjepr, in EU und Nato zu integrieren. Stoltenbergs Ziel ist die Europäisierung der Nato, verbunden mit einer nie dagewesenen Aufrüstung Europas und dem Aufbau einer eigenen europäischen Armee unter dem Dach der Nato. Dafür steht auch der Nachfolger Stoltenbergs, der ehemalige Ministerpräsident der Niederlande, Mark Rutte. Gleichzeitig wäre Europa auf die Alternative Trump oder Harris als Präsidenten militärpolitisch vorbereitet. »Unterstützung bis zum Sieg« proklamierte Stoltenberg auf dem letzten Nato-Gipfel, was bedeutet: Aufbau einer »glaubwürdigen Abschreckung« mit dem Bau eigener Langstreckenraketen und anderen neuen Waffen – als Ausgleich für eine zunächst noch nicht vorhandene europäische Armee mit Atomwaffen. Insofern ist der Schachzug, Stoltenberg die Leitung der Münchner Sicherheitskonferenz zu übertragen, der Clou, weil er offenlegt, wie eng die US-Atlantischen Netzwerke und Think-Tanks daran arbeiten, die geopolitischen Interessen ihrer Staaten, des sogenannten Westens, auf die Zukunft vorzubereiten. Ob die risikoreiche Geopolitik zum großen Knall führen wird, oder Vernunft und Aufklärung über abgekartete Manöver siegen werden, ist noch nicht endgültig entschieden.