Am 15. Dezember wurde Esther Bejaranos 100. Geburtstag von ihrer Familie und ihrem großen Umfeld gefeiert. Die Feier wurde vom Auschwitz-Komitee in der BRD und von der VVN/ BdA ausgerichtet, und sie wurde gefördert von der Hamburger Sozialbehörde und dem Bezirksamt Nord – in diesem Bezirk hatte Esther gelebt – sowie von der Amadeo Antonio Stiftung.
In der Einladung hieß es: »An diesem besonderen Tag möchten wir gemeinsam mit euch ihr Wirken und ihre unerschütterliche Kraft feiern, die uns bis heute inspiriert. Wir möchten ihr Vermächtnis würdigen und uns an ihr mutiges Engagement für Demokratie, Menschenrechte und gegen Antisemitismus und Rassismus erinnern.« Der Ort der Feier hätte ihr sicher gut gefallen: Auf ihrer Homepage bezeichnet sich »Afrotopia« als »die erste Denk- und Kulturfabrik der Schwarzen Community in Hamburg«.
Im Programm wurden alle Bereiche aufgenommen, durch die sie sich einen Namen gemacht hat: Zu Beginn trug das Klavierduo Haufe-Ahmels einige von Mendelssohn-Bartholdys »Lieder ohne Worte« vor: Das Klavierspiel beherrschte Esther als junge Frau. Ihre Fähigkeit half ihr bei ihrem Überleben in Auschwitz, als sie dort die Möglichkeit hatte, als Akkordeonspielerin in das Mädchenorchester aufgenommen zu werden; sie konnte zwar nicht Akkordeon spielen, war aber in der Lage, sich das Funktionieren der Akkordeontasten durch ihre Klavierkenntnisse spontan anzueignen und nach kurzer Vorbereitungszeit erfolgreich vorzuspielen. – Der Name »Mendelssohn« stand stellvertretend für die von den Nazis als »entartet« diffamierte »jüdische Musik«.
Die Vorsitzende des Auschwitz-Komitees Susanne Kondoch-Klockow eröffnete die Feier mit einer kurzen Ansprache und übergab dann das Wort an Helga Obens, die früher dem Vorstand auch angehört hatte, nun aber auftrat, um das vom Auschwitz-Komitee herausgegebene Taschenbuch »Das Haus brennt. Esther Bejarano spricht« vorzustellen. In diesem Buch sind Esthers wichtigste Botschaften versammelt: Reden, Appelle und offene Briefe werden ergänzt durch Fotos aus ihrem politischen Leben. Anschließend trug Christiane Chodinski das Grußwort der VVN-BdA vor.
Die Feier, die einschließlich zweier Pausen etwa vier Stunden dauerte, würdigte alle Aspekte ihres Lebens und Wirkens: Die Video-Ansprache des Kultursenators Brosda erinnerte das Publikum nicht nur an ihr Wirken insgesamt, sondern zugleich an eine Auseinandersetzung, die Esther mit dem Senator ausgetragen hatte, als sie die »Antifa« von ihm verunglimpft sah und er zurückrudern musste. Wichtig für ihren Kampf für die Erinnerungskultur waren die Reden des jetzigen und des früheren Leiters der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Oliver von Wrochem und Detlef Garbe. Dass die Erinnerungskultur in ihrem Sinne gelebt und gepflegt wird – und zwar auch von der Jugend, an die sie sich immer wieder gewandt hatte – wurde durch die Beiträge des »Jugend- und Stadtteilzentrum Tesch« (benannt nach Hamburger Widerstandskämpfer und NS-Opfer Bruno Tesch) und des »offenen antifa Treffens« deutlich. Als in der politischen Szene etabliert, ergänzte das »Hamburger Bündnis gegen Rechts« diesen Themenbereich.
Als einziger Beitrag, der vom Publikum als aus dem Rahmen fallend empfunden wurde, weil er Widersprüche des Vortragenden gegenüber Esther zur Sprache brachte, ist schließlich der Beitrag der Gedenkstätte »Dessauer Ufer« zu nennen.
Ansonsten bestimmten Beiträge aus Esthers Freundes- und Familienkreis die Feier: Rolf Becker hielt, wie zu erwarten, eine zugleich persönliche (»der kleine Bruder der Großen Esther«, wie er sich selbst aus gutem Grund bezeichnet) und politische Rede. Antje Kosemund berichtete von ihren Erinnerungen. und Joram Bejarano und Kutlu Yurtseven beschlossen die Feier durch ein besonderes Konzert ihrer und Esthers »Microphone Mafia«, das nicht mehr von der Trauer in den Jahren nach ihrem Tode geprägt war, sondern von ihrem Willen, ihr Erbe mit Leben zu erfüllen.