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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Esther Bejarano zum 100.

Am 15. Dezem­ber wur­de Esther Beja­ra­nos 100. Geburts­tag von ihrer Fami­lie und ihrem gro­ßen Umfeld gefei­ert. Die Fei­er wur­de vom Ausch­witz-Komi­tee in der BRD und von der VVN/​ BdA aus­ge­rich­tet, und sie wur­de geför­dert von der Ham­bur­ger Sozi­al­be­hör­de und dem Bezirks­amt Nord – in die­sem Bezirk hat­te Esther gelebt – sowie von der Ama­deo Anto­nio Stiftung.

In der Ein­la­dung hieß es: »An die­sem beson­de­ren Tag möch­ten wir gemein­sam mit euch ihr Wir­ken und ihre uner­schüt­ter­li­che Kraft fei­ern, die uns bis heu­te inspi­riert. Wir möch­ten ihr Ver­mächt­nis wür­di­gen und uns an ihr muti­ges Enga­ge­ment für Demo­kra­tie, Men­schen­rech­te und gegen Anti­se­mi­tis­mus und Ras­sis­mus erin­nern.« Der Ort der Fei­er hät­te ihr sicher gut gefal­len: Auf ihrer Home­page bezeich­net sich »Afro­to­pia« als »die erste Denk- und Kul­tur­fa­brik der Schwar­zen Com­mu­ni­ty in Hamburg«.

Im Pro­gramm wur­den alle Berei­che auf­ge­nom­men, durch die sie sich einen Namen gemacht hat: Zu Beginn trug das Kla­vier­duo Hau­fe-Ahmels eini­ge von Men­dels­sohn-Bar­thol­dys »Lie­der ohne Wor­te« vor: Das Kla­vier­spiel beherrsch­te Esther als jun­ge Frau. Ihre Fähig­keit half ihr bei ihrem Über­le­ben in Ausch­witz, als sie dort die Mög­lich­keit hat­te, als Akkor­de­on­spie­le­rin in das Mäd­chen­or­che­ster auf­ge­nom­men zu wer­den; sie konn­te zwar nicht Akkor­de­on spie­len, war aber in der Lage, sich das Funk­tio­nie­ren der Akkor­de­on­ta­sten durch ihre Kla­vier­kennt­nis­se spon­tan anzu­eig­nen und nach kur­zer Vor­be­rei­tungs­zeit erfolg­reich vor­zu­spie­len. – Der Name »Men­dels­sohn« stand stell­ver­tre­tend für die von den Nazis als »ent­ar­tet« dif­fa­mier­te »jüdi­sche Musik«.

Die Vor­sit­zen­de des Ausch­witz-Komi­tees Susan­ne Kon­doch-Kloc­kow eröff­ne­te die Fei­er mit einer kur­zen Anspra­che und über­gab dann das Wort an Hel­ga Obens, die frü­her dem Vor­stand auch ange­hört hat­te, nun aber auf­trat, um das vom Ausch­witz-Komi­tee her­aus­ge­ge­be­ne Taschen­buch »Das Haus brennt. Esther Beja­ra­no spricht« vor­zu­stel­len. In die­sem Buch sind Esthers wich­tig­ste Bot­schaf­ten ver­sam­melt: Reden, Appel­le und offe­ne Brie­fe wer­den ergänzt durch Fotos aus ihrem poli­ti­schen Leben. Anschlie­ßend trug Chri­stia­ne Cho­din­ski das Gruß­wort der VVN-BdA vor.

Die Fei­er, die ein­schließ­lich zwei­er Pau­sen etwa vier Stun­den dau­er­te, wür­dig­te alle Aspek­te ihres Lebens und Wir­kens: Die Video-Anspra­che des Kul­tur­se­na­tors Bros­da erin­ner­te das Publi­kum nicht nur an ihr Wir­ken ins­ge­samt, son­dern zugleich an eine Aus­ein­an­der­set­zung, die Esther mit dem Sena­tor aus­ge­tra­gen hat­te, als sie die »Anti­fa« von ihm ver­un­glimpft sah und er zurück­ru­dern muss­te. Wich­tig für ihren Kampf für die Erin­ne­rungs­kul­tur waren die Reden des jet­zi­gen und des frü­he­ren Lei­ters der KZ-Gedenk­stät­te Neu­en­gam­me, Oli­ver von Wro­chem und Det­lef Gar­be. Dass die Erin­ne­rungs­kul­tur in ihrem Sin­ne gelebt und gepflegt wird – und zwar auch von der Jugend, an die sie sich immer wie­der gewandt hat­te – wur­de durch die Bei­trä­ge des »Jugend- und Stadt­teil­zen­trum Tesch« (benannt nach Ham­bur­ger Wider­stands­kämp­fer und NS-Opfer Bru­no Tesch) und des »offe­nen anti­fa Tref­fens« deut­lich. Als in der poli­ti­schen Sze­ne eta­bliert, ergänz­te das »Ham­bur­ger Bünd­nis gegen Rechts« die­sen Themenbereich.

Als ein­zi­ger Bei­trag, der vom Publi­kum als aus dem Rah­men fal­lend emp­fun­den wur­de, weil er Wider­sprü­che des Vor­tra­gen­den gegen­über Esther zur Spra­che brach­te, ist schließ­lich der Bei­trag der Gedenk­stät­te »Des­sau­er Ufer« zu nennen.

Anson­sten bestimm­ten Bei­trä­ge aus Esthers Freun­des- und Fami­li­en­kreis die Fei­er: Rolf Becker hielt, wie zu erwar­ten, eine zugleich per­sön­li­che (»der klei­ne Bru­der der Gro­ßen Esther«, wie er sich selbst aus gutem Grund bezeich­net) und poli­ti­sche Rede. Ant­je Kose­mund berich­te­te von ihren Erin­ne­run­gen. und Jor­am Beja­ra­no und Kut­lu Yurts­even beschlos­sen die Fei­er durch ein beson­de­res Kon­zert ihrer und Esthers »Micro­pho­ne Mafia«, das nicht mehr von der Trau­er in den Jah­ren nach ihrem Tode geprägt war, son­dern von ihrem Wil­len, ihr Erbe mit Leben zu erfüllen.